Sehnsucht nach Lebendigkeit

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Lisa Riesner, Foto von Iveta Rysava

Lisa Riesner,
Foto von Iveta Rysava

Vor zirka 20 Jahren las ich die Tragödie „Maria Magdalena“ (1843 geschrieben) von Friedrich Hebbel. Mir ist die Geschichte von Liebe, Verzweiflung, gesellschaftlichen Zwängen und der Kontroverse von Schwäche und Stärke – im selben Menschen innerhalb eines Momentes – in frischer Erinnerung. 

Deshalb beobachtete ich vor einigen Wochen einen Monolog von Klara, der Hauptperson aus jenem Drama, mit großem und besonderem Interesse. Die Schauspielerin Lisa Riesner kam mir währenddessen – nach kurzer Phase des Hineinfindens meinerseits – nicht vor wie eine Schauspielerin, die da etwas spielt. Ich hatte das Gefühl, da steht und redet und seufzt und schweigt und sinniert die Klara höchstselbst. Die, die ich Jahre vorher in einem kleinen gelben Büchlein kennenlernte.

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Wie geht das? Ich fragte nach.

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„Die Faszination meiner Arbeit als Schauspielerin besteht in der Magie, wenn ein tiefer Punkt in mir angesprochen wird und ich fange an zu lachen, zu weinen, egal was vorher war…“, beschreibt Lisa ihren Beruf, „… eine Sehnsucht nach Lebendigkeit entsteht, ich spüre diese Lebendigkeit, Schaffenskraft… Diese Momente ermöglichen mir, frei zu sein!“

Apropos Momente. Bevor die 1,77 Meter große, junge Frau mit den braunen Augen vor die Kamera oder auf die Bühne tritt, wird sie „kurz still“.

„Ich lausche in die Luft…“, plaudert sie aus dem Nähkästchen, „… rufe die Rolle auf. Ich habe ein Bild von der Figur, die ich spiele: die Körperhaltung, die Gefühle, die Sprache.“

Lisa Riesner, fotografiert von almishots2

Lisa, fotografiert von almishots2

Sagt der Regisseur dann „… und bitte!“ oder ihr Stichwort auf der Bühne fällt, vertraut Lisa Riesner, „dass es funktioniert“. „Dann spiele ich“, spricht sie gelassen aus, was Arbeit, Mühe und Leidenschaft erfordert, „ich habe Schauspiel gelernt, ich habe die Rolle und meine Funktion verstanden. Und vertraue darauf, dass ich großartig bin! Private Gedanken gibt es dann nicht mehr.“ Am Set ist es Lisa dabei lieber, wenn sie mit dem Rollenname angesprochen wird, „um drinnen zu bleiben, in der Figur“. Sie ist „raus aus der Homezone“.

Kein Wunder also, wenn ich in ihr während des eingangs erwähnten Monologes die Klara sah, nicht die Schauspielerin. Und das ist gut so 😉

Ob sie diese oder eine andere Figur verkörpert, die Schauspielerin spürt zuweilen – wie sie es nennt – Ich-Momente. „Krass, das bin ich“, denkt sie dann, „und ich bin in dieser Rolle“. Lisa fordert sich auf: „Warte mal kurz!“, und hat einen „wachen Moment“.

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„Ich muss genau wissen, was ich tue!“

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„Je mehr Zeit ich mir nehme, um so besser funktioniert es, authentisch zu sein“, weiß die mittlerweile in Berlin lebende junge Frau. Und sie weiß, wie entscheidend Qualifizierung neben dem Talent ist: „Wichtig ist, sich auszubilden. Beispielsweise und immer wieder in Workshops. Ich muss in meinem Beruf genau wissen, was ich tue. Meine Sprache muss top sein, so, dass sie durch und durch geht. Nur dann finde ich den Mut loszulassen!“

Lisa Riesner, Foto von Iveta Rysava

Lisa,
Foto von Iveta Rysava

Was die Schauspielkolleginnen- und kollegen anbelangt, freut sich Lisa in der gegenwärtigen Pandemiesituation, „wenn sie überhaupt da sind“. Vor allem im Wirkungskreis ihres Herzens, dem Theater, ist das derzeit nicht möglich. Vor der Kamera eingeschränkt.

Die Anwesenheit von Partnerinnen oder Partnern betrachtet sie als essenziell. „Nur durch andere kann ich erfahren, projezieren, spüren, Verbindung schaffen“, weiß die sportliche Frau, „auch zum Publikum“.

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„Ein wunderschönes Gefühl“

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Speziell an der Bühnenarbeit liebt Lisa Riesner, dass sie „eine Gemeinschaft erzeugt, alle sind in der gleichen Wolke, der gleichen Bubble“. Für sie ist das „ein wunderschönes Gefühl… diese geistige Präsenz zusammen… Fragen lösen sich auf…“ Unter „gemeinsam“ bezieht sie dabei das Publikum ausdrücklich mit ein.

En bisschen sieht sie sich auf den Brettern, die die Welt bedeuten, und im Theaterraum wie ein „Kapitän des Bootes“. Am Filmset, wo sie sich in der gegenwärtigen Situation öfter aufhält, und wo sie sich auch sehr wohl fühlt, muss sie, auf den ersten Blick betrachtet, „weniger machen“, entscheidend seien „Blicke, der Flirt mit der Kamera“.

Lisa, die Coachings unter dem Motto „Living From within“ anbietet und durchführt, sieht – besonders in der Jetztzeit – die Menschen „von außen mit Einflüssen und Informationen bombardiert… Laptop… Handy…“ Um so wichtiger erscheint es ihr, „das Sein von innen zu betrachten, nach innen zu lauschen. Meditieren, Yoga, Stille suchen und genießen.“

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Von innen heraus

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Lisa Riesner, Foto von Iveta Rysava

Lisa Riesner,
Foto von Iveta Rysava

 

„Was ist in mir? Was ist die Essenz des Lebens? Welche Fragen habe ich?“ Darum unter anderem geht es ihr. Nur wer sich selbst den Spiegel vorhält, von innen stark ist, kann auch nach außen stark sein. In einer materiellen Welt, einem Umfeld voller Widerstände und Widersprüche. Lisa ist sich sicher: „Je tiefer ich in mir bin, um so stärker ist meine Kraft!“ Und: „Nur dann bleibe ich authentisch und bleibe mir treu!“

Eine gute Basis für den Alltag – wahrscheinlich auch für das Schauspielerinnenleben. Und eine gute Basis, Träume zu leben. Der schauspielerische Traum von Lisa Riesner ist keine spezielle Rolle. „Ich will mit Menschen arbeiten, die mit mir arbeiten wollen“, sagt sie. Die Ausbildung (Vierjähriges Schauspielstudium an der Michael Chekhov International Academy Berlin) hat sie abgeschlossen, zudem Workshops mit Lenard Petit in New York, Theodor Stepanof in Moskau, Sarah Kane in London und anderen absolviert und Einzelunterricht bei renommierten Schauspiellehrern genommen. Nun freut sie sich auf die, die „wirklich Lust“ auf die Arbeit mit ihr haben, und auf „tolle Projekte!“

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Tolle Rollen – harte Arbeit

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Als ich das Gespräch mit Lisa verabredete, kannte ich nur ihre Webseite und den Monolog der Klara aus Hebbels Drama. Während des Telefonats hörte ich gar aus ihrer Stimme manchmal jene Klara heraus. Das indes lag sicher daran, dass sie wohl eine wandlungsfähige, aber doch nur diese eine – ihre Stimme – hat. Darüber hinaus kann die Schauspielerin, das liegt in der Natur des Berufsstandes, mehr, anderes, vielfältiges…

Lisa Riesner, Foto von Anja Ambrosius

Lisa Riesner,
Foto von Anja Ambrosius

Noch eine andere Erinnerung weckte das Gespräch in mir: an eines vor zehn Jahre mit der fantastischen Tänzerin Isabel Edvardsson. Damals wurde mir klar, dass Tanz-Shows wie „Let’s Dance“ nach außen Glamour sind, Anmut, Eleganz, schöne Kostüme; genau betrachtet jedoch Arbeit, Arbeit, Arbeit. Dazu passt der Satz von Lisa Riesner: „Was man sieht, sind tolle Rollen. Was man nicht sieht, sind Zweifel, Ablehnungen, harte Arbeit!“

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JJ

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Weitere Informationen: Webseite von LisaWebseite der Schauspielagentur und Lisa auf instagram oder zu weareactors.de

www.dbagency.co.uk/lisa-riesner 

Foto Startseite: Anja Ambrosius

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