„Diese elektrisierende Aufregung kurz vorm Auftritt“

Carolin Karnuth spielte in vielen Fernseh- und Kinofilmen mit (aktuell der Kinofilm „Wunderschön“ von Karoline Herfurth). Sie stand unter anderem in „Nathan der Weise“ oder „Alice im Wunderland“ auf den Bühnenbrettern.

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Carolin Karnuth, fotografiert von Jeanne-Degraa

Außerdem kennt ihr Publikum die 1,73 Meter große Frau als Sängerin. Davon erzählt sie uns. Genauso von Plantypen, Humor und Träumen. Nur hier, nur jetzt:

„Wenn ich ganz groß träumen darf…“

JJ: Carolin, was ist Humor?

Carolin Karnuth: Das ist eine spannende Frage! Ich finde witzig, dass Du mich das fragst!
Humor ist ein riesengroßer Teil meiner Persönlichkeit. Ich liebe es zu lachen und andere Leute zum Lachen zu bringen, Schabernack zu treiben, selbstironisch zu sein – ich bin ein Riesen Humor Fan könnte man sagen.

Ich habe mal Stand Up Comedy gemacht, Clown Workshops, habe meine Diplomarbeit an der Schauspielschule über Clowns, Humor und Narren geschrieben. Ich bin fasziniert von Comedy, Humor, dem Wesen des gemeinsamen Lachens. Ich schaue mir wahnsinnig gerne Stand up Comedy und komödiantische Filme und Serien an und habe ein gutes Comedy Timing und komödiantisches Gespür.

Meinen Humor habe ich auch von meiner Mutter, sie kann herrlich albern sein. Als ich noch ein Kind war, hat sie zum Beispiel bei Fernsehserien den Ton ausgemacht und die SchauspielerInnen synchronisiert, das habe ich geliebt. Humor ist für mich auch ein Herzensöffner, Kommunikationsweg und ich liebe es einfach, Spaß zu haben.

JJ: Bist du ein Plantyp?

Carolin: Plantyp – Das ist für mich vorausschauendes Strukturieren, effizientes Nutzen von Zeit. Ich denke, es ist gut, einen Plan zu haben und gleichzeitig flexibel reagieren zu können, wenn Pläne durchkreuzt werden. Wenn ich mich auf ein Ziel eingenordet habe, kann ich gut planen und fokussiert sein.

Allerdings bin ich tatsächlich nicht so der Plantyp und muss mich da manchmal disziplinieren. Dafür koordiniere ich viele Tätigkeiten gleichzeitig, zum Beispiel im Schauspielbereich Drehs, Theatergastengagements, Synchron, dann Konzerte mit meiner Berliner Coverband „Gentlemen`s Blues“, meinen beiden Pianisten, Straßenmusik mit meinem Gitarristen und meinen Podcast über Popkultur „Popculturellas“ mit meiner Schauspiel- und Podcastkollegin – langweilig wird mir nicht. 🙂

JJ: Der Bäcker backt Brot, die Schneiderin näht Kleidung, der Straßenbauer baut Straßen; was macht eine Schauspielerin?

Carolin: Teil einer Geschichte sein, mit Haut und Haar, Emotionen und Handwerk. Ein Schauspiellehrer in Köln sagte mir einmal „Du bist Anwältin Deiner Rolle“ und ein berühmter Schauspieler sagte einmal „Wir sind im Empathie – Business.“

Damit kann ich sehr viel anfangen. Wir erzählen eine Geschichte, reißen mit, spielen mit der Energie im Raum, dem Publikum, den Worten, unseren Emotionen.

JJ: Was fasziniert dich an dem Beruf, Carolin?

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Carolin Karnuth, Foto von Jeanne Degraa

Carolin: In der sechsten oder achten Klasse gab es eine Musical AG in meiner Schule. Es wurden SchülerInnen für „Starlight Express“ gesucht. Ich habe jeden Tag Rollschuh fahren geübt und dann gab es eine richtige Audition in der Schule.

Diese Aufregung kurz vorm Auftritt, dieses Teil einer Geschichte sein… das war elektrisierend! Danach machten wir „Cats“ und ich sprach, sang und tanzte für „Grizabella“ und „Demeter“ vor und habe beide Rollen dann auch bekommen.

Ich verstand die Rollen irgendwie intuitiv. Tatsächlich halfen sie mir irgendwie auch durch eine schwierige Zeit in der Schule. Ich weiß noch, wie schwer es mir fiel, diese Rollen nach der letzten Show loszulassen. Ich wollte mich gar nicht mehr abschminken.

Spätestens in der achten Klasse wusste ich, dass dieser Beruf der Sinn meines Lebens war und ich das den Rest meines Lebens machen wollte. Ich habe dann einige Schauspiel Workshops gemacht und hatte das Gefühl, im Schauspielbereich meine Familie gefunden zu haben oder meinen Seelen Tribe.

Ich wurde plötzlich verstanden, fühlte mich angenommen und angekommen. Klingt vielleicht kitschig, aber so fühlt es sich für mich an.

Als ich dann ein paar Jahre später das erste Mal Shakespeare`s „Ein Sommernachtstraum“ im Theater gesehen habe, hatte ich das Bedürfnis auf die Bühne zu springen, um Teil dieser Geschichte zu sein. Ich wollte auch mitreißen!

SchauspielerInnen waren für mich Magier, vielfältig talentiert. Mittlerweile habe ich auch die Härten des Berufs kennengelernt. Aber ich liebe meinen Beruf noch immer.

JJ: Welche Rolle spielen Kolleginnen und Kollegen für deine ganz persönliche Faszination Schauspiel?

Carolin: Meine Kolleginnen und Kollegen, egal ob am Theater oder am Set, oder einfach SchauspielerInnen, mit denen ich befreundet bin, können mich sehr inspirieren. Gegenseitiger Support und Austausch stärken mich zudem mental für die Branche.

Ich kann sehr viel Spaß mit ihnen haben, von ihnen lernen, helfen und gemeinsam Stoffe zum Leben erwecken. Und ich liebe es, anderen SchauspielerInnen bei der Arbeit zuzusehen.

JJ: Wer bist du in dem Moment, in dem die Regisseurin oder der Regisseur „und… bitte!“ sagen? Was fühlst oder denkst du dann?

Carolin: Unterschiedlich. Manchmal denk ich „Rein da!“ und dann wird sich reingestürzt und durchgearbeitet, geschaufelt, bis ich am Grund angekommen bin und den Kern freigelegt habe. Am Set bin ich meist schon drin.

Am Theater, wo ich die Figur im Probenprozess entdecke, spielt auch ein gewisses Vertrauensverhältnis zur Regie eine Rolle. Es ist ein Ausprobieren und Suchen, das macht mir total Spaß. Die Figuren kommen auf unterschiedlichen Wegen zu mir.

Die „Rote Königin“ bei „Alice im Wunderland“ war relativ schnell da und kam über eine bestimmte Eigenschaft der Figur dann komplett zu mir. Eine Traumrolle by the way!

Carolin Karnuth, Foto von Jeanne Degraa
Carolin Karnuth, Foto von Jeanne Degraa

Bei „Anne Frank“ und „Olga“ aus Tschechows „Drei Schwestern“ war es ein emotionaler Moment, der mich dann mit der Rolle verbunden hatte, wie ein Kippschalter. Manchmal habe ich in dem „Und…bitte!“ Moment auch einen Gefühlsmix. Das kann Anspannung, kindliche Spielfreude, Ungeduld sein… das kommt auf den Probenstand an.

JJ: Von „Hauptsache spielen“ und „immer die aktuelle Rolle“ mal abgesehen, wen, was, mit wem, welches Genre… möchtest du auf jeden Fall mal spielen, gibts einen Traum?

Carolin: Da gibt es ganz viel. Bühne? Medea. Diese Rolle wollte ich schon an der Schauspielschule spielen, hatte mir die Rolle damals aber nicht zugetraut. Und Shakespeare spielen, diese reiche Sprache! Lady Macbeth! Als Teenager wollte ich Helena im „Sommernachtstraum“ spielen, die Rolle würde mich heute auch noch reizen.

Nach der ersten Frage ist zudem wohl auch klar, dass ich komödiantische Formate liebe. 😉 Ich habe zum Beispiel die Serien „Andere Eltern“, „Slavik – Auf Staats Nacken“ (mit Mark Filatov habe ich sogar schon gedreht, was für ein talentierter, witziger, cooler Schauspieler das ist!) und „Lu von Loser“ sehr gefeiert.

Ich hätte auch Lust auf einen historischen Kostümfilm und zwar so richtig! Vor Kurzem habe ich eine Sängerin in dem historischen Kostümfilm „Die Mittagsfrau“ gespielt, da ging es zurück in die 20er, das war ein Fest für mich!

Außerdem habe ich großes Interesse an englischsprachigen Produktionen, irisch-deutsche, britisch-deutsche Koproduktionen. Zum Beispiel beim „Irland-Krimi“ oder der irischen Serie „Fair City“.

Wenn ich ganz groß träumen darf, dann würde ich gern mit Ricky Gervais bei „After Life“ spielen. Oder einen Musikfilm mit John Carney als Regisseur machen!

Karoline Herfurth ist eine großartige Regisseurin mit viel Humor, mit der ich auch sehr gerne arbeite und die Arbeiten von Pola Beck, Felix Binder, Nora Fingscheidt und Barbara Albert finde ich auch sehr spannend! Rollenmäßig würde ich gerne wieder eine toughe, dominante Frau spielen (Ich glaube ich vermisse die „Rote Königin“ aus „Alice im Wunderland“, ich mag verrückte Königinnen).

Ich bin zudem ein Fan von absurder Komik, Musikfilmen, der Verbindung von Schauspiel und Gesang und generell einfach einer guten Geschichte.
Ach ja und ich hab auch nix gegen Netflix, Amazon Prime, RTL Plus, Joyn, haha! Typische Schauspieler-Ansage, was? 😉

JJ: Carolin, erzähle bitte mal von deiner Zeit an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin!

Carolin: Beim Vorsprechen hatte ich das Gefühl an der für mich richtigen Schauspielschule vorzusprechen oder angekommen zu sein. Es war hart, Köln dafür zu verlassen, aber es fühlte sich alles irgendwie richtig an. Ich weiß aber auch noch, dass ich zu Beginn des Studiums mit Impostor-Syndrom, also einigen Selbstzweifeln, zu kämpfen hatte.

Für mich ging damals echt ein Traum in Erfüllung, für den ich hart gearbeitet hatte. Ich war während der Vorsprechphase Teil der „Acting Accomplices“ Jugendtheatergruppe in Köln gewesen und viele aus der Gruppe sprachen damals an staatlichen Schauspielschulen vor. Wir haben uns dabei gegenseitig unterstützt.

An der „Ernst Busch“ war es intensiv, lehrreich, aufreibend, schmerzhaft, beglückend, herausfordernd, künstlerisch hochstimulierend und vieles mehr für mich. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit, ich habe da mit großartigen (Gast-) Dozenten und Dozentinnen gearbeitet.

Carolin Karnuth, Foto von Jeanne Degraa
Carolin Karnuth, Foto von Jeanne Degraa

Bei meinem Erstengagement am Theater war ich aber auch richtig froh, endlich in dem Beruf loslegen zu können ohne nebenbei geprüft zu werden. Manchmal hatte ich im Studium streckenweise meine Spielfreude und meinen Mut und meine Risikobereitschaft vergessen oder verloren. Das kam aber wieder. 😉

JJ: Denkst du, dass dir beispielsweise die Beschäftigung mit der Rolle der Standesbeamtin in „Einfach mal was Schönes“ oder der Polizistin in „Too Much?!“ tiefere Einblicke, sachlich wie gefühlsmäßig, in diese Berufe gegeben hat? Oder sind das Gedanken eines Außenstehenden und du als Schauspielerin machst eher einen technisch handwerklichen Job – und gut?

Carolin: Also bei der Vorbereitung auf die Rolle der Standesbeamtin habe ich mir unter anderem etliche Hochzeitszeremonien auf Youtube angesehen und hatte danach wirklich den Eindruck, tiefere Einblicke in dieses Ritual, die Stimmung, diese Tätigkeit zu haben. Als ich mich auf die Rolle der Hebamme in dem Kinofilm „Wunderschön“, Regie Karoline Herfurth, vorbereitet habe, habe ich sogar einen Beckenbodenkurs bei einer Hebamme mitgemacht, obwohl ich keine Kinder habe. War aber sehr interessant. :-))

Bei der Polizistin war das einfach Handwerk. Das würde ich gerne noch mehr erkunden. Hallo deutsche Krimi-Formate! 😉

JJ: Wenn du am Theater eine Rolle zehn… zwanzig … fünfzig mal spielst, weil das Stück gut und lange läuft, an einem Haus oder während einer Tournee, ist dann der Unterschied, wie du die Figur spielst, zwischen Premiere und letzter Aufführung sehr groß, groß, ein bisschen groß oder fast unverändert?

Carolin: Ich glaube, wenn ich eine geliebte Rolle das letzte Mal spiele, will ich sie noch einmal so richtig auskosten und jeden Moment intensiv erleben, nochmal alles geben. Bei der Premiere kommt die Aufregung dazu, die Rolle das erste Mal vor Publikum zu präsentieren. Bei der Derniere gibt es am Theater natürlich auch den Brauch „Dernierenscherze“ zu machen, je nach Laune mache ich das manchmal auch.

Eine Anekdote zu meiner geliebten „Roten Königin“ bei „Alice im Wunderland“: Bei der letzten Vorstellung am Theater Hagen im Winter 2021 war ich sehr berührt und traurig darüber, diese Rolle nach dieser Vorstellung loslassen zu müssen. Kurz vor meinem ersten großen Auftritt bei dieser Vorstellung ging plötzlich meine Hummerzange, ein wichtiges Requisit der Roten Königin, kaputt.

Das hört sich jetzt vielleicht komisch an, aber für mich war es wie ein Zeichen, dass es richtig ist, diese Rolle jetzt das letzte Mal zu spielen und dass ich sie gehen lassen soll. Als ob die Rote Königin es mir hätte leichter machen wollen, sie loszulassen. Das hatte etwas Tröstliches.

Gleichzeitig war es auch traurig, dass die Zeit mit meinen wunderbaren Kollegen und Kolleginnen dort endete. Das war ein fantastisches, talentiertes Team, alle haben großartig gespielt und wir haben alle zusammen diese Geschichte erzählt!

JJ: Bist du als Sängerin auf der Bühne auch in einer Rolle oder bist du dabei nur du?

Carolin: Als Sängerin bin ich einfach ich. Vielleicht in einem gewissen „Caro ist jetzt im Entertainer-Modus“ Vibe, aber das bin ich.

Bei einem meiner früheren Soloprogramme namens „Herzchaos“ war ich noch am Theater Paderborn engagiert und habe fast ausschließlich eigene Texte gesungen. Da hatte ich den Kunstgriff ausprobiert, als Cora Thunrak in einer Art Alter Ego aufzutreten.

Das habe ich damals gemacht, weil es da noch neu für mich war, mich dem Paderborner Publikum, das mich damals nur als Schauspielerin und Chansonsängerin kannte, mit meinen eigenen Texten zu zeigen. Das war mir zu intim gewesen und ich wollte eine Art Distanz schaffen. Natürlich wussten alle, dass es meine Texte waren, aber es hatte mir trotzdem geholfen. Heute denke ich, dass das ein fließender Übergang war.

Wenn ich inzwischen meine Lieder singe (komponiert mit meinem treuen Pianisten Eckhard Wiemann), singe ich sie als ich selbst. Und ich mixe wild. Wenn ich Bock habe zu covern und Tina Turner zu schmettern, mach ich das und dann kommt wieder ein „Smash Hit“ von mir. 😉

JJ: Carolin, was liegt kurz- und mittelfristig beruflich bei dir an, worauf dürfen wir uns freuen?

Carolin: Am 17.November 2022 ist der Kinostart von „Einfach mal was Schönes“, Regie Karoline Herfurth, in dem ich besagte Standesbeamtin spiele, das wird irre lustig, soviel kann ich verraten. 🙂 2023 ist dann der Kinostart von der Romanverfilmung „Die Mittagsfrau“, Regie Barbara Albert, indem ich die Sängerin Ana spiele, ein historischer Film, der uns mit in die 20er, 30er und 50er nimmt.

Carolin Karnuth, Foto von Jeanne Degraa
Carolin Karnuth, Foto von Jeanne Degraa

Ich stecke zudem in Dreharbeiten für den Kurzfilm „Papagei“, in dem ich die Sängerin Nadine spiele. Ich habe das Drehbuch geschrieben und Dan Floresco als Regisseur/DoP/Produzent und Co-Autor gewinnen können. Es ist ein großartiger Cast und ich bin schon sehr gespannt auf den Film, er wird 2023 fertig sein.

Ansonsten freue ich mich auf zukünftige Filmprojekte und bin schon ganz gespannt auf das, was kommen mag!Ich habe auch mal wieder Lust auf ein schönes Theatergastengagement, ein schönes Stück!

JJ: Danke, viel Spaß dabei!

Weitere Informationen: https://carolin-karnuth.de/

oder https://www.agentur-kerstin.de/de/schauspieler/carolin-karnuth/

Foto Startseite: Jeanne Degraa

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