Die in Berlin bzw. Rom lebende Leandra Fili hat Kommunikationswissenschaften studiert und Qualifizierungen zur Moderatorin, Schauspielerin, Studio- und Synchronsprecherin absolviert. Die 170 cm große Frau mit den braunen Augen spricht Deutsch und Italienisch (Muttersprachen) sowie Französisch (fließend) und Englisch (gut).
Auf deutschen Fernsehbildschirmen war sie unter anderem in „Watzmann ermittelt“, „Bettys Diagnose“, „Die Läusemutter“ oder „Alles was zählt“ zu sehen, in Italien stand sie für die Komödie „Il ladro di giorni“ vor der Kamera. Leandra erzählt uns über ihre ganz persönliche Faszination Schauspiel, über ihre Tätigkeit als Moderatorin und ihre Zukunftsträume.
Und über mehr. Beispielsweise die Erinnerung an die Schauspielschulzeit:
.
„JA. Absolut und mein Herz geht auf bei dem Gedanken!„
.
JJ: Leandra, gab es für dich den Moment, ab dem du Schauspielerin werden wolltest und den Moment, ab dem du für dich selbst dachtest ‚jetzt bin ich Schauspielerin‘?
Leandra Fili: Tatsächlich ja! Ich erinnere mich an mein Studium für Medien- und Kommunikationswissenschaften, da saß ich in einer Vorlesung und habe beobachtet, wie eine Kommilitonin schreibt, ihren Stift hält, sich zu Welt verhält und habe es versucht nachzuahmen, um nachzuvollziehen, wie sich ein Mensch mit diesen Manierismen und Verhaltensweise fühlt.
Das war für mich viel interessanter als die Vorlesung. Das Beobachten und Verstehen des Menschen und seiner Verhaltensweisen war für mich schon immer eine Faszination, aber das war definitiv der Moment, als es geklingelt hat.
JJ: Worin besteht deine Faszination Schauspiel?
Leandra: “Nicht Verstellung ist die Kunst des Schauspielers, sondern Enthüllung” von Brecht ist ein Satz, der es sehr beschreibt. Wahrhaftiges Handeln unter vorgestellten Umständen. Ein Kontakt, ein Zusammenkommen in so einer Dichte und Ehrlichkeit beim Spielen.
“Schau”-spieler sollten wahrscheinlich eher “Wahr”-spieler heißen. Diese Art von Hingabe im Moment des Loslassens, des “offen” Seins im Spiel ist einzigartig. Wahrhaftiges Erleben im geschützten Rahmen, wie im Film- oder Theater, ist für mich eine der schönsten Formen, sich dem Leben zu nähern.
JJ: Jetzt gehen wir mal eben in medias res und zunächst zu den Tagen vor einem Dreh oder einer Aufführung am Theater. Wie weit bist du da schon in der Rolle? Erwischt du dich dabei, dass du in der Schlange im ALDI, im Bus oder in geselliger Rund unter Freunden schon zeitweise das Benehmen der zu spielenden Figur an den Tag legst?
Leandra: Das weniger, ich kenne das aber gut von befreundeten Kollegen. Allerdings beobachte ich mich dabei, dass ich, sobald ich weiß, dass ich eine Rolle bekomme, anfange zu suchen, scharf zu beobachten, wer die körperliche Eigenschaft, die Mimik, die Gestik, die Manierismen hat, die ich suche.
Ich durchforste das Internet, aber auch jeden Ort, an dem ich Menschen beobachten kann, und notiere mir alles in meinem Notizbuch. Am Ende habe ich dann ein Potpourri an Eigenschaften, kann mich einfühlen und erleben, wie bei meiner Kommilitonin in der Uni damals.
JJ: Und wie sieht es nach dem letzten Dreh oder dem letzten Vorhang aus, wie schnell oder langsam bist du raus, Leandra?
Leandra: Die Definition von Raus oder Rein, würde ich anders beschreiben, jede Rolle lebt durch mich. Jede Rolle lebt Anteile, für die ich, Leandra Fili, mich im Alltag vielleicht nicht entscheide. Dennoch sind sie Teil von mir, wie wir Menschen jegliche Anteile in uns haben, sie vielleicht nicht täglich leben.
Jeder von uns hat eine Klaviatur an Gefühlen und Eigenschaften, für den einen sind sie zugänglicher, für den anderen weniger. Die Schauspielschule beschäftigt sich in großen Teilen damit, die Klaviatur zugänglich zu machen, sodass der Schauspieler direkt zu diesem ungelebten Anteil kommt.
Zu deiner Frage, ich wechsele einfach wieder auf meinen geliebten Teil der Klaviatur zurück. Am Landestheater Wesel habe ich unter anderem die Rolle Amalia in “Die Räuber” gespielt. Zuerst habe ich beobachtet, sehr wertend über das und damit die Rolle Amalia in Brechts Stück zu sein und das ist Where the magic happens!
Das ist für mich der Zauber des Schauspiels. Die Bewertung loszulassen und danach zu suchen, wo ist eine Amalia in mir, warum lehne ich das ab und wie lerne ich es lieben. Für mich die größte Form der Toleranz wie Akzeptanz.
JJ: Stelle dir bitte vor, du stehst vor der Kamera, das Mikrofon baumelt irgendwo vor deiner Nase und die Regisseurin/der Regisseur sagt „… und bitte!“ Wer bist du in jenen Momenten, was denkst du, wie fühlst du?
Leandra: Spannende Frage. Ich erinnere mich, dass ich in meinen Anfängen als Moderatorin wie auch Schauspielerin immer eingeatmete habe, um mich aufzufüllen, mittlerweile mache ich das nicht mehr, denn das “Bitte” der Regie ist eine Einladung zum Loslassen.
Eine Einladung zum innerlichen Aufmachen des Herzens, ich freue mich darauf! Diese Momente sind so kraftvoll, es sollte viel mehr Menschen im Leben geben, die dir mitten im Alltag sagen “Und Bitte”!
JJ: In Leipzig habe ich mal, lange ist es her, neben einer Schauspielschule gearbeitet. Was ich da aus geöffneten Fenstern hörte oder im Garten sah, ließ mich oft denken ’sind die verrückt?‘. Weißt du was ich meine, kennst du das aus deiner Schauspielschulzeit?
Leandra: JA. Absolut und mein Herz geht auf bei dem Gedanken!
Ich erinnere mich, als ich das erste Mal beim Vorsprechen in der Schauspielschule stand, dort wurde geturnt, geschrien, geweint, diskutiert, gelacht. Ich erinnere mich, dass alles von mir abgefallen ist und ich dachte “Hier bin ich richtig!”.
JJ: Ist es für dich so, dass die nächste Rolle immer die interessanteste ist und die letzte Rolle immer die schönste?
Leandra: Ob eine Rolle schön für mich war, hängt in meinem Fall von der Produktion und den Menschen ab, mit denen ich arbeite, weniger von der Rolle selbst. Es gibt für mich nichts Schöneres als gemeinsam zu erschaffen, zu kreieren, die Köpfe zu verbinden, sich zu unterstützen, als Team zusammen an einem Strang zu ziehen und sich zu inspirieren. An gemeinsame Momente erinnere ich mich gern zurück, viel mehr als an einzelne Rollen.
JJ: Leandra, ich war früher im Fußball immer Teamplayer, mochte die Egozocker nicht wirklich. Schon einige Mannschaftssportler habe ich gefragt, wie viele solcher Egozocker ein Team verträgt. Wie ist das nach deiner Erfahrung im Schauspiel? Mannschafts- oder Einzelsportart?
Leandra: Spannende Frage: Ich glaube, wir Menschen sind so verschieden! Wie es bei den Ameisen die Königsameise, die Arbeiterinnen etc. gibt, so ist es auch in Ensembles und Produktionen.
Alle sind richtig, manche kreieren Harmonie, manche Disharmonie und auch das kann manchmal dienlich sein. Als harmonieliebender Mensch freue ich mich natürlich, wenn alle sich wohl fühlen.
JJ: Einige Schauspielerinnen haben mir erzählt, dass ihre Tanzausbildung später beim Schauspiel sehr geholfen hat, insbesondere bei körperlichen Herausforderungen. Hast du das Gefühl, dass dein Studium in Kommunikationswissenschaften dir vor der Kamera oder auf der Bühne hilft zu kommunizieren?
Leandra: Ja, sogar sehr, in meinem Studium für Medien- und Kommunikationswissenschaften habe ich mich viel mit Theater- und Literaturgeschichte befasst, die Schauspielschule hat sich oft angefühlt wie die plastisch gewordene Form meines vorhergegangenen Studiums. Dieses beendet zu haben, bevor ich Schauspiel studiert habe, hat mir sehr geholfen, ich weiß nicht, ob ich kognitiv und intellektuell in früheren Jahren so viel hätte auf- und mitnehmen können.
Das Gleiche in der Moderation: die Königsdisziplin der Kommunikation und des Führers im Gespräch. “Connecting the dots” würde Steve Jobs sagen, in der Retrospektive hat alles Sinn gemacht und ich bin froh auch, wenn es im ersten Moment nicht ganz sinnig erschienen ist meiner Intuition gefolgt zu sein.
JJ: Mich hat Michelle Pfeiffer in „Dangerous Minds“ komplett mitgenommen, ein ganz klein bisschen vielleicht gar geprägt. Ich habe einen anderen Film mit ihr gesehen, den ich eher langweilig fand und dennoch saß ich 90 Minuten vorm Fernseher wie das Kaninchen vor der Schlange. Gibt es solche Schauspielerinnen oder Schauspieler für dich oder ähnliche Erlebnisse?
Leandra: Das ist die Magie des Schauspielers, wundervoll! Es sind mehrere Schauspieler, manchmal schaue ich mir im Alltag einfach kurze Filmszenen an, Kate Winslet mag ich sehr. Schauspieler, die berühren und Herzen binnen weniger Sekunden berühren, ein kompletter Paradigmenwechsel, das ist ein Wunder!
JJ: Und: Ist das Schauspiel, wenn du das, was Michelle Pfeiffer da mit mir gemacht hat, schaffst, oder auch schon eine Nummer kleiner (einfach nur unterhalten)?
Leandra: Jeder definiert es anders, so schätze ich. Die Faszination, die Schauspiel auslösen kann, ist der Mut, sich ganz zu zeigen, vollständig. Im Alltag und unseren ins Gesicht getackerten Masken, damit sind keine Corona Masken gemeint, geht das oft verloren. Ein erlebendes, offenes Wesen zu sehen, fasziniert, das denke ich. Deswegen gehen Menschen ins Kino und ins Theater, die Katharsis beim Zusehen!
JJ: Du arbeitest auch als Moderatorin. Bist du dabei 100% die private Leandra oder spielst ein bisschen eine Art Rolle?
Leandra: Früher hätte ich diese Frage wahrscheinlich anders beantwortet. Mittlerweile haben Schauspiel und Moderationen so viele Parallelen für mich. Als Moderatorin bin ich, Leandra, im Schauspiel auch – nur mit anderen Anteilen.
Ein Moderator/in ist jemand, der zusammenbringt und verbindet, Menschen aus sich selbst rausholt, viel fragt und verstehen möchte. Aufgewachsen mit einer buddhistischen Mama und einer sizilianischen Großfamilie, habe ich diese Dinge schon immer gern getan. Die Berufsbezeichnung “Moderatorin“ ist einfach dazu gekommen.
JJ: Als Moderatorin bist du für die Themen Gesundheit, Umwelt und Mensch unterwegs. Wie gehen wir Menschen mit unserer Umwelt um, besser als mit unserer Gesundheit? Wie siehst du das ganz persönlich?
Leandra: Alles beginnt bei Dir. Damit, wie Du mit Dir umgehst. Denn so wie Du mit Dir umgehst, so wirst Du auch mit der Welt umgehen, denke ich.
Menschen behandeln Dich nie besser als Du dich selbst behandelst. Das ist mein Credo.
Es gibt das Zitat von Marie Curie das mich so sehr inspiriert: „Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen.“
Wenn wir unsere Prägungen verstehen, verstehen was für möglicherweise ungute Gewohnheiten wir im Umgang mit unserer Gesundheit psychisch wie auch physisch sowie auch der Umwelt als Blueprint mit in unser Erwachsenenleben genommen haben, können wir genau das verändern. Wir können selbst die Veränderung sein, die wir uns im Außen wünschen, alles beginnt bei uns.
Zu verstehen, dass wir nur diesen einen Körper und auch nur diese eine Welt haben und dass er und sie das beste und schönste auf der Welt im Umgang und in der Wertschätzung verdient hat, ist ein Ansatz. Das gilt für Mensch, Natur und Tier.
JJ: Lass uns träumen, Leandra, mit welchen Kolleginnen und/oder Kollegen möchtest du unter welcher Regie in welcher Rolle oder in welchem Genre vor der Kamera stehen? Gerne auch in welchem Theaterstück?
Leandra: In Italien habe ich im Film “Il ladro di giorni” in Regie von Guido Lombardi mit Riccardo Scamrcio im traumhaft schönen Apulien und am Meer gedreht, das war wundervoll. In Italien, in meiner Muttersprache zu drehen, das mochte ich sehr, umgeben von dieser wunderschönen Natur und gestikulierenden Italienern.
Wieder in Italien drehen, in italienischen Filmkomödien wie “La cena di natale”, in Regie von Marco Ponti – sarebbe belllissimo! Serienproduktion, wie beispielsweise “Der Bergdoktor” oder “Rote Rosen” im Ersten, zusammen über einen längeren Zeitraum im Team tolle Dinge zu produzieren, das fände ich schön.
JJ: Vielen Dank und viel Spaß dabei!
.
Weitere Informationen: https://leandra-fili.de/ oder https://www.schauspielervideos.de/fullprofile/schauspielerin-leandra-fili.html
.
Foto Startseite: Kim Anderson