Momente, die bleiben

 

Ein alltägliches Bild in deutschen Wohnzimmern: Die Oma sitzt mit der Enkelin auf der Couch vorm Fernseher und schaut … natürlich Großstadtrevier. Nicht ganz so alltäglich stellt sich die Geschichte dar, wenn das kleine Mädchen von damals Wanda Perdelwitz ist und mittlerweile die Rolle der Polizistin Nina Sieveking in der beliebten ARD Vorabendserie verkörpert.

„Ich erschrecke manchmal selbst“

„Wir haben gewettet, wie es ausgeht“, erinnert sich die Schauspielerin, „anfangs hatte Oma recht. Anfangs …“. Dass sie selbst mal ausgerechnet in dieser Sendung über den Bildschirm flimmert und die neue Generation Enkel gebannt davor sitzt, daran hat Wanda „nicht im Traum gedacht“.

Die Polizeiobermeisterin Nina Sieveking beschreibt die Darstellerin so: „Sie ist bodenständig und integer, gleichzeitig jung und spontan. Nina hört auf ihr Bauchgefühl und handelt dadurch oft nicht überlegt. Bei ihr geht gerecht vor Recht. Dadurch reagiert sie nicht selten impulsiv und schießt über das Ziel hinaus.“ Genau das und „ihr Mut, ihr Gespür für Gerechtigkeit“ mache die Rolle so sympathisch und reizvoll. „Ich erschrecke manchmal selbst!“, rundet Wanda Perdelwitz die Rollenbeschreibung ab.

Bei den Dreharbeiten fürs Großstadtrevier, erzählt die Absolventin der Staatlichen Ballettschule Berlin sowie der Hochschule für Musik und Theater Rostock, entstünden durchaus Anekdoten mit Schmunzelfaktor: „Gemeinsam mit Jens Münchow, der den Polizeihauptmeister Paul Dänning spielt, jagte ich einem Einbrecher hinterher. Das muss so echt ausgesehen haben, dass couragierte Passanten den vermeintlichen Dieb festhielten.“

„Das gab den emotionalen Schub“

Manchmal komme es auch zu überraschenden Änderungen im Ablaufplan. Und die bewirken dann ungeahnte Effekte. „Der Regisseur, Till Franzen, und Kameramann Achim Hasse verlegten spontan eine Szene von einem Innenraum nach draußen – auf das Dach eines Wolkenkratzers“, erzählt Wanda immer noch begeistert, „der Widerstand der Natur, der Ausblick auf Hamburg, das gab einen emotionalen Schub. Solche kleinen Sachen helfen enorm – dem Schauspieler und der Szene“.

Ein anderer Moment in einer Großstadtrevier-Folge sorgte bei einigen Zuschauern für Gänsehautfeeling. Die Polizistin Nina Sieveking nahm in ihrer Freizeit an einem illegalen Autorennen teil und musste vor ihren Kollegen flüchten. Es gelang ihr, nach  längerem Sprint, auf einem Containerdach Schutz zu finden. Da lag sie nun flach auf dem Boden, versuchte, obwohl außer Atem, leise zu sein. Sie horchte in die Nacht. In diesem Augenblick fing die Kamera Ninas Mimik ein. Erschöpfung, Erleichterung, weil sie nicht erwischt wurde und gleichwohl der Ansatz eines schelmischen Grinsens umspielten die Gesichtszüge.

„Ich erinnere mich gut daran“, bestätigt die Darstellerin, „wir drehen ja nicht chronologisch. Als ich auf dem Container lag, war ich vorher nicht geflüchtet, ich hatte kein Autorennen gefahren. Alles, auch die Erschöpfung,  musste ich spielen. Das war eine Gradwanderung, eine Herausforderung. Eine schöne und schwierige Szene“.

Wanda Perdelwitz Foto: Clemens Haardiek

Wanda Perdelwitz
Foto: Clemens Haardiek

„Ein gemeinsamer Abend“

Wenngleich Wanda Perdelwitz mittlerweile im gesamten Land hauptsächlich durch ihre zahlreichen und vielfältigen Fernsehrollen bekannt ist, spielt sie parallel dazu oft und sehr gerne Theater. „Die Bühne ist die Herkunft, die Wurzel“, sagt sie beinah schon philosophisch. Und: „Sie bietet die Möglichkeit der Abstraktion. Man kann beispielsweise behaupten in einem Auto zu sitzen, obwohl man nur auf einem Stuhl sitzt, und das Publikum folgt einem in der Phantasie“,  beschreibt sie einen Reiz der Theater-Tätigkeit. „Wir verbringen gemeinsam einen Abend, ein Live Event.“ Dann wird sie nochmal philosophisch und zitiert einen Aphorismus von Simplikios, der auf die Lehre von Heraklit zurück reicht: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“ Will heißen: Jede Aufführung ist anders.

„Die Suche nach der Wahrheit verbindet die Arbeit auf der Bühne und vor der Kamera“, umreißt Wanda die Übereinstimmung. Aber im Theater müsse sie „auch die letzte Reihe erreichen, also laut sprechen, deutlich in Mimik und Gestik sein. Für den Film geht es um Nuancen, ein minimales Zucken, einen Wimpernschlag. Deshalb fasziniert mich beides“.

Aktuell steht Wanda Perdelwitz noch bis zum 21. Februar im Hamburger Ernst Deutsch Theater in „Die Opferung von Gorge Mastromas“ auf den Brettern. Wenn sie über das Stück und dessen Autor Dennis Kelly plaudert, gerät sie ins Schwärmen.  „Ein großartiger Autor, der zwischen den Zeilen das Bild der heutigen Gesellschaft zeichnet“, fasst die Darstellerin der Karrieristin Louisa zusammen, „da verkörpere ich das erste Mal eine knallharte Geschäftsfrau“.

JJ

Kurze Antworten auf kurze Stichwörter

Vorbild in Kindheit und früher Jugend: „Mein Vater (Regisseur) und meine Mutter (Schauspielerin).“

Schauspielerin, die sie gerne sieht: Jennifer Lawrence.

Schauspieler, die sie gerne sieht:  Bill Murray, Steve Martin und Marlon Brando.

Traumrolle: „Viele, beispielsweise eine Zeitreise in die 50er Jahre. Oder eine knallharte Politikern, darauf bin ich durch meine Mitarbeit in ‚Die Opferung von Gorge Mastromas‘ gekommen.“

TV-Serien, die sie mag: „Komm schon!“( ZDF),  ZDFneo-Serie „Im Knast“, „Weinberg“ (TNT), „Der Tatortreiniger“ (NDR) und die dänische Serie „Borgen“: dazu besonders „Großstadtrevier“ (ARD)

Theaterstück, das sie mag: „Die Opferung von Gorge Mastromas“

 

Weitere Informationen: http://wandaperdelwitz.de/

Foto Startseite: Clemens Haardiek

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