Der Lieblingsmoment (und viele andere)

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Sophia Julia Schützinger

Sophia Julia Schützinger

„Das ist mein absoluter Lieblingsmoment“, antwortet Sophia Julia Schützinger auf eine Frage, die ich allen Schauspielerinnen und Schauspielern stelle, und auf die ich immer wieder andere Sichtweisen höre oder lese. Gleich nach dieser knalligen Aussage schwärmt die Münchnerin munter weiter.

Wenn es um ihr Schauspiel und alles drumherum geht, zeigt sich die 1,70 große junge Frau mit den blauen Augen voller Leidenschaft. So viel Leidenschaft, dass Sophia Julia manchmal abtauchen muss.

Aber keine Sorge. Nicht in irgendeinem berüchtigten Stadtviertel irgendwo im wilden Westen. Viel harmloser, viel wirkungsvoller.

Das erzählt sie uns alles selbst, auch welches der Lieblingsmoment ist. Nur hier, nur jetzt:

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„Für einen Augenblick ist es erlaubt zu träumen“

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JJ: Sophia Julia, du arbeitest viel mit deiner Stimme beziehungsweise mit Sprache; als Schauspielerin, auf Poetry Slam Bühnen oder auch singenderweise. Was bedeutet dir Sprache? Schulst du deine Stimme? Was meinst du, worauf es ankommt, auf Technik oder auf das Herz, das du in deinen Vortrag legst?

Sophia Julia Schützinger: Gegenfrage: Was wären wir ohne unsere Stimme und Sprache? Meine Stimme gibt mir die Möglichkeit, meine Gedanken und Emotionen auf meine individuelle Weise zum Ausdruck zu bringen. Genau das finde ich auch am Synchron sprechen unglaublich spannend. Die Fähigkeit, allein mit der Stimme bestimmte und vor allem glaubhafte Emotionen vermitteln zu können.

Deshalb habe ich auch schon früh damit begonnen, meine Stimme zu schulen und ich arbeite täglich an und mit ihr, zum Beispiel auch indem ich Gesangs- und Sprechunterricht nehme. Schon als Schülerin habe ich mich dazu entschieden, auf ein musisches Gymnasium zu gehen und war dort schon seit der 5. Klasse im Chor, in dem sich meine Musikalität ungemein weiterentwickelt hat und in dem ich auch Gesangsunterricht bekommen habe.

Natürlich ist es für eine berufliche Karriere von entscheidendem Vorteil, eine „gute“ Stimme zu haben, doch meiner Meinung nach nützt dies ohne Herzblut und Leidenschaft überhaupt nichts. Für mich kommt es viel mehr auf die Kombination an.

Um andere Menschen erreichen zu können, sollte man ihnen zeigen, warum man genau das macht, was man macht und sollte dafür brennen. Sprache fasziniert mich besonders in diesem Zusammenhang sehr. Ich habe das Glück, in meinem Beruf und auch privat viele unterschiedliche Menschen mit diversem kulturellem Hintergrund zu kennen und kennenzulernen und spreche selbst auch verschiedene Sprachen, was mir immer wieder das Gefühl gibt, meinen Horizont erweitern zu können.

Das wiederum vermittelt mir neue Eindrücke und Ideen für meine Projekte, für meine Poesie, aber auch im Singen. Im Dialog mit Anderen entstehen oft die besten Pläne und Gedanken und das kann ich dann wiederum nutzen, um anderen Menschen etwas (von mir) geben zu können. Eine Win-Win-Situation sozusagen.

JJ: Was fasziniert dich am Schauspiel; am zuschauen, am selbst spielen?

Sophia Julia: Das Schauspiel ist für mich eine eigene Welt, die mich grundsätzlich unglaublich fasziniert. Dieser Moment, wenn Künstler auf ihr Publikum treffen. Da passiert so viel. Grenzen werden überschritten, Vorurteile aus der Welt geräumt, Botschaften vermittelt, Emotionen geteilt und für einen Augenblick ist es erlaubt zu träumen, der Fantasie freien Lauf zu lassen und die Realität zu vergessen.

Sophia Julia Schützinger

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Dieser Austausch, diese Spannung, das Knistern in der Luft. Die Dualität von eigener Persönlichkeit und fremdem Charakter. Das Schlüpfen in eine Rolle. Das ist für mich Kunst. Deshalb spiele ich selbst gerne und schaue Spielenden gern dabei zu.

Auch im Film, wenn man seine eigene Fantasie darstellen und Gedanken, Nachrichten und Gefühle transportieren kann, diese indirekte Kommunikation ist meiner Meinung nach für unsere Kultur und Gesellschaft von großer Bedeutung. Man setzt sich mit anderen und auch der eigenen Persönlichkeit auseinander. Selbstreflexion. Das Spiel mit der eigenen Identität.

Ein Film, der mich schon ein Leben lang begleitet und genau das zeigt, was ich meine, ist beispielsweise „Catch me if you can“ von Steven Spielberg. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, es gibt nichts, das nicht möglich ist. Und genau das kann ich im Schauspiel leben.

JJ: Mir hat mal eine junge Kollegin von dir erzählt, als Schauspielerin habe sie sich erst gefühlt, als sie das Diplom in der Hand hielt. Eine andere Kollegin sagte, das Diplom reichte ihr nicht, sich als Schauspielerin zu fühlen, erst regelmäßige Engagements. Wie sieht das bei dir aus, bist du nach deinem Selbstverständnis Schauspielerin (oder auf dem Weg dahin)?

Sophia Julia: Ich selbst sehe mich gerade als Nachwuchsschauspielerin und Künstlerin in vielerlei Hinsicht. Selbstverständlich ist ein Diplom ein Garant für ein Talent, das auch ausgebildet wurde. Allerdings kenne ich einige KollegInnen, die auch mit Diplom Schwierigkeiten haben, ein Engagement oder einen Auftrag zu bekommen.

Ich selbst bin arbeitende Künstlerin. Ich brauche meine Arbeit und sehe sie als ein Geschenk, mich jeden Tag neu zu entdecken, weiterzuentwickeln und genau das tun zu dürfen, was mich erfüllt und glücklich macht. Da kommt es für mich besonders darauf an, wie und was man arbeitet.

Ich stehe seit meinem neunten Lebensjahr auf der Bühne. Schauspiel und Musik waren schon immer meine größte Leidenschaft. Ich bin mit der Kunst und auf der Bühne aufgewachsen und durfte auch schon in einigen großartigen Produktionen mitwirken, deshalb sehe ich keinen Grund darin, mich nicht selbst als Schauspielerin zu verstehen.

Zudem stehe ich gerade am Beginn meiner beruflichen Laufbahn, habe erst vor zwei Jahren meine Schule abgeschlossen, da liegt es nahe, dass ich gerade auf dem Weg dahin bin, Schauspielerin zu werden und das mit allem, was ich habe und was ich bin. Halbe Sachen gibt es bei mir nicht, außer das Glas, das ist halb voll.

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„Für mich ist dieser Moment wie eine Droge, von der ich einfach nicht genug bekomme“

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JJ: Wenn du auf einer Bühne stehst, Sophia Julia, und dein Moment ist gekommen, dein Stichwort fällt und du musst in deine Rolle, was geht in dir vor, was denkst, fühlst, spürst du, wer bist du?

Sophia Julia: Das ist mein absoluter Lieblingsmoment. Tatsächlich auch genau das Gefühl, warum ich diesen Beruf mache. Für mich ist dieser Moment wie eine Droge, von der ich einfach nicht genug bekomme.

Das Kribbeln, dieses Adrenalin, das positive Lampenfieber kurz vor einer Vorstellung, die angenehme Anspannung und Konzentration. Ich lasse den Alltag und mein normales Leben einfach hinter mir und lebe nur noch in diesem Moment. Da spüre ich so eine Echtheit und Ehrlichkeit. Pures Leben. Gänsehaut.

Sophia Julia Schützinger

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Während ich tagtäglich relativ viel denke und überdenke, schaltet sich mein Kopf in diesen Momenten nahezu vollständig aus. Ich nehme meinen eigenen Atem und Herzschlag viel intensiver wahr. Ich atme tief ein, lasse meinen Blick und meine Gedanken frei, nehme alles um mich herum wahr und lege los. Und das mit vollem Einsatz und ganzem Herzen.

Ich bin ich und doch völlig losgelöst von mir. Sobald ich dann die Bühne betrete, bin ich voll und ganz in meiner Rolle und denke auch wie der Charakter, den ich gerade spiele.

JJ: Brauchst du lange, in die Figur zu finden, wie schnell bist du raus?

Sophia Julia: Tatsächlich entwickelt sich eine Figur oder Rolle bei mir erst mit der Zeit und während der Proben. In meiner Rollenarbeit vor der ersten Probe versuche ich mich auf die Rolle einzustellen, recherchiere beispielweise den historischen Hintergrund einer Figur, erarbeite Charaktereigenschaften oder Merkmale und setze mich auch in meinem Alltag damit auseinander, indem ich andere Menschen und ihre Verhaltensweisen in bestimmten Situationen beobachte und diese dann für meine Arbeit nutze.

Während der Proben hauche ich dieser Rolle dann (m)ein Leben ein. Sobald ich zu ihr gefunden habe, meist geschieht das bei Durchlauf-Proben, fällt es mir nicht mehr schwer, schnell und auf Kommando in die Rolle zu finden. Nach einer Vorstellung dauert es meist einige Stunden, je nach Rolle und Intensität auch mal ein paar Tage, um aus meiner Rolle wieder zu mir selbst zu finden.

Deshalb brauche ich dann meistens erst einmal ein bisschen Zeit für mich und bin dann auch noch bis tief in die Nacht wach. Wasser hilft mir dabei, mich zu fokussieren, meine Gedanken zu ordnen und wieder ich sein zu können. Ich fahre dann meist ans Wasser und gehe schwimmen. Sobald ich komplett untertauche und nahezu schwerelos durchs Wasser gleite, bin ich wieder ich selbst und kann mich auf alles Kommende einstellen.

JJ: Wie wichtig sind dir in jenen Momenten die Kolleginnen und Kollegen?

Sophia Julia: Meine KollegInnen sind generell wahnsinnig wichtig für mich. Zu den meisten KollegInnen, mit denen ich schon länger zusammenarbeite, pflege ich eine freundschaftliche Beziehung, die auch über die Arbeit hinausgeht.

Ich finde es unglaublich inspirierend und berührend, wenn man sich gegenseitig unterstützt und so seine Ziele leichter und schneller verwirklichen kann. Meine KollegInnen helfen mir vor einer Vorstellung, negative Aufregung zu vermindern, sie geben mir Kraft und Liebe und wir verbringen eine schöne Zeit zusammen.

Als eine Art Gleichgesinnte, die die gleiche Leidenschaft teilen, können wir über die gleichen Dinge reden und lachen und das verbindet. Auch der gemeinsame Austausch und die Reflexion nach einer Vorstellung bedeuten mir viel und sind wichtig für mich. Ich liebe meine KollegInnen.

JJ: Was macht das Publikum mit dir? Spürst du, was im Saal passiert?

Sophia Julia: Das Publikum ist ein unglaublich wichtiger und entscheidender Teil eines Theaterabends. Was wären wir Darsteller ohne unser Publikum? Das schlimmste ist es, vor einem leeren Saal zu spielen.

Menschen im Publikum geben uns ungemein viel zurück und der Applaus am Schluss ist die Belohnung für unsere manchmal doch sehr nervenaufreibende und intensive Arbeit. Meiner Meinung nach entsteht jeden Abend eine neue, einzigartige Bindung zwischen dem Publikum und uns.

Sophia Julia Schützinger

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Die Spannung, das Kribbeln, die Vorfreude und auch Aufregung auf beiden Seiten. Das hat für mich etwas unglaublich harmonisches, das mich jedes Mal wieder mit purem Glück und Wärme erfüllt. Am meisten liebe ich den Moment, ein paar Augenblicke bevor sich der Vorhang öffnet. In der Oper oder generell dem Musiktheater ist das am aller schönsten.

Das Orchester spielt sich noch ein, man hört noch hier und da ein Räuspern und Flüstern im Publikum. Es wird dunkel auf der Bühne, man geht in Position und dann wird es still. Man hört seinen eigenen Herzschlag laut. Das ist schöner als Verliebtsein. Wenn sich dann der Vorhang öffnet, gebe ich alles. Für mich, aber ganz besonders für das Publikum, das sich auf einen schönen Abend freut. Mein Motto hierbei: Jeder Abend ist eine Premiere.
Auch wenn ich eine Vorstellung schon einige Male gemacht habe, für das Publikum ist es doch jedes Mal ein neues und einzigartiges Erlebnis.

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„Wir haben nur dieses eine Leben und keine Zeit pessimistisch zu sein“

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JJ: Ich selbst hatte nie Schauspielambitionen. Aber wenn, dann Theater. Und die Heldenrollen. Robin Hood, Wilhelm Tell. Erstens: Zieht es dich nur auf die Bühne oder auch vor die Kamera? Zweitens: Gibt es die eine oder andere Traumrolle für dich?

Sophia Julia: Beides ist auf seine eigene Weise schön und hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Am Film liebe ich vor allem das fertige Produkt der Kunst, das ein Leben lang das Gleiche bleiben wird und das man dann gegebenenfalls auch noch seinen Enkelkindern zeigen kann. Und dieses Produkt ist meist das bestmögliche, weil man ja unendlich viele Möglichkeiten hat, eine Szene noch mal aufzunehmen und nach eigenen Idealen zu arbeiten.

Im Theater ist das anders. Jeder Theaterabend ist ein neuer Prozess, kein abgeschlossenes Produkt. Man hat diese eine Chance und gibt alles. Diese Einmaligkeit und Unmittelbarkeit machen für mich seinen besonderen Reiz und Charme aus. Das unbeschreiblich schöne Gefühl vor einer Vorstellung, welches ich oben schon erwähnt habe, die Intensität in dem nicht wiederholbaren Augenblick der Aufführung, das zieht mich immer wieder vermehrt ins Theater und auf die Bühne. Klar, bekannte Rollen spielt man da meist am liebsten.

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Foto Wilfried Hösl

Tatsächlich darf ich mit Stolz und einem Lächeln behaupten, meine Traumrolle schon auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper in München machen zu dürfen. Die Amalia aus den Räubern von Friedrich Schiller war schon seit jeher eine Rolle, die mich unglaublich fasziniert und beeindruckt – und genau diese Rolle der jungen Amalia darf ich jetzt in der Oper „I Masnadieri – Die Räuber“ von Giuseppe Verdi verkörpern und das macht mich wirklich glücklich. Allerdings interessiert mich nicht nur die Amalia in den Räubern.

Auch die männlichen „bösen“ Rollen, wie die des Franz Moor oder Moritz Spiegelberg üben auf mich einen besonderen Reiz aus. Die Hosenrolle Spiegelberg war die erste Rolle, die ich zusammen mit meinem Schauspiellehrer, einem Schauspieler des Residenztheaters München, erarbeitet und bei meinen ersten Aufnahmeprüfungen an staatlichen Schauspielschulen vorgesprochen habe. Unter anderem bin ich dann mit genau dieser Rolle in Salzburg am Thomas-Bernhard-Institut des Mozarteum in die dritte Runde gekommen und würde diese auch gerne irgendwann einmal auf einer Bühne verkörpern.

Besonders interessiert mich auch die Rolle der Mary Poppins, die schon seit Kindertagen eine wichtige Rolle in meinem Leben spielt. Unabhängig von Film und Theater finde ich persönlich die Rolle der Lolita aus dem gleichnamigen Roman von Vladimir Nabokov wahnsinnig spannend. Dieser frühreife, naive und doch sehr manipulative Umgang mit der – nicht typischen – ersten Liebe und ersten Sexualität, das Verbotene, das Brechen von Gesetzen, und auch jenes manipulative Verhalten der jungen Lolita übt eine große Faszination auf mich aus und zählt definitiv zu einer wirklichen Traumrolle von mir.

JJ: Sophia Julia, du sagst, das Glas ist halbvoll, nicht halbleer. Warum? Erzähle mal bitte, wie du das meinst.

Sophia Julia: Wir haben nur dieses eine Leben und keine Zeit pessimistisch zu sein. Meiner Meinung nach sollten wir versuchen, alles in unserem Leben zu verwirklichen, was wir uns vorstellen und erträumen. Das Leben bietet so unendlich viele Möglichkeiten und wir können immer versuchen, auch aus einer Niederlage etwas Gutes hervorzubringen und das Beste daraus zu machen.

Ich glaube, unser Leben folgt einem bestimmten Plan. Am Ende wird alles gut. Dieses optimistische Denken hilft mir, meine Pläne zu verwirklichen und auch in ausweglos erscheinenden Momenten nicht die Hoffnung zu verlieren.

JJ: Was macht dir Spaß am Job der Regie- und Dramaturgie-Assistentin? Was reizt dich am Regie führen?

Sophia Julia: Im Schauspiel muss ich oft die Kontrolle abgeben, Anweisungen folgen und meine Vorstellungen und Ideen hinter die der Regie stellen. Im Gegensatz dazu reizt es mich sehr, als Regisseurin meine eigene Inszenierung, das Ensemble und alle Beteiligten leiten und führen zu können.

Sophia Julia Schützinger

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Beim Lesen der Stücke habe ich oft schon sofort viele Gedanken und Ideen, wie man bestimmte Szenen oder Details umsetzen und mit welchen Schauspielern oder Sängern man bestimmte Rollen besetzen könnte. Ich finde, Regie führen ist ein besonderer Ausdruck von – natürlich vor allem künstlerischer – Freiheit und meine Freiheit ist mir im Leben grundsätzlich am wichtigsten.

Die eigene Fantasie, eigene Vorstellungen in die Realität umsetzen zu können und ein Team und Ensemble hinter sich stehen zu haben, das diesen Vorstellungen entspricht, ist für mich ein unbeschreiblich schönes Gefühl und bietet mir einen tollen Ausgleich zu meinem alltäglichen Beruf. Als ich 2019 in dem Theater „s`Bredl“, bei dem ich schon seit über zehn Jahren fest als Schauspielerin bin, mein Lieblingsstück, das Musiktheater „Magic Nanny – Ein Kindermädchen namens Mary“, in Anlehnung an Disney´s „Mary Poppins“ inszenieren durfte, ist für mich ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Ich konnte dadurch viele neue Erfahrungen sammeln und mich sowohl künstlerisch als auch persönlich weiterentwickeln.

Dadurch, dass ich in dem kompletten Team eigentlich die Jüngste war und meinen älteren KollegInnen und SchauspielerInnen Anweisungen geben durfte, beziehungsweise musste und mich auch in diverse Teilgebiete, wie die Produktion dafür nötiger Musik oder die Bühnenbildgestaltung und den Bühnenbau einarbeiten musste, bin ich persönlich noch mehr gewachsen und gereift und kann jetzt auch im Alltag in bestimmten Situationen beispielsweise souveräner handeln oder reagieren.

Auch als Regie- oder Dramaturgie-Assistentin kann man dazu beitragen, die Vorstellungen der Regie in die Tat umzusetzen und zu verwirklichen. Als helfende Hand hat man hier eine gewisse Machtposition und künstlerische Freiheit, die ich definitiv sehr spannend finde.

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„…dass man sich doch relativ verletzlich und seinem Publikum gegenüber vollkommen offen zeigt…“

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JJ: Was ist Poetry Slam für dich?

Sophia Julia: Poetry Slam ist für mich eine moderne und doch zeitlose Form der Poesie und in gewisser Weise auch der Literatur. Ein besonderes Mittel der Sprache und sehr persönlicher Ausdruck eigener Gedanken und Emotionen, die man mit einem Publikum teilen möchte.

Mit einem Poetry Slam kann man persönliche Botschaften auf charmante Weise vermitteln und sein – im Kontrast beispielsweise zur Oper meist doch sehr junges – Publikum für Poesie begeistern und seinen Gedanken, Ängsten, Vorlieben oder auch einfach bestimmten Gefühlen mithilfe von schönen Worten und geformter Sprache Ausdruck verleihen. Ich mag die Klangmelodie eines Poetry Slams und die Tatsache, dass man sich doch relativ verletzlich und seinem Publikum gegenüber vollkommen offen zeigt, wenn man derart persönliche Worte vorträgt.

JJ: Was fasziniert dich am Synchron sprechen?

Sophia Julia: Wie in Frage eins schon erwähnt, fasziniert mich am Synchron sprechen ungemein, wie man allein mit seiner Stimme bestimmte Emotionen vermitteln kann. Ich mag diese unglaubliche Konzentration, wenn man immer hundert Prozent geben und genau auf den Punkt sein muss. Ich persönlich entscheide aufgrund der Synchronisation meist relativ schnell, ob mir ein Film, eine Serie oder Dokumentation gefällt oder nicht.

Deshalb möchte ich selbst dazu beitragen, diese durch meine Stimme und gute Synchronisation dem Original anzugleichen und auf gewisse Weise eine eigene Note zu verleihen. Dieses Gefühl, relativ allein im Studio zu sein, diese Stille, die einen umgibt, wenn für ein paar Momente nichts lauter ist, als der eigene Puls im Hals, das Spiel mit der Stimme und Sprache, das ist einfach wirklich schön.

JJ: Was liegt demnächst an, Sophia Julia, also spätestens, wenn der Virus die Schauspieler/innen wieder von der Leine lässt? Wie hast du die letzten Monate (schauspielerisch) genutzt?

Sophia Julia: Glücklicherweise konnte ich die letzten Monate relativ gut für mich (künstlerisch) nutzen. Ich habe mir einige Rollen für meine Aufnahmeprüfungen erarbeitet, an und mit meiner Stimme gearbeitet und dann auch ein Cover mit einem befreundeten Tenor aufgenommen. Außerdem hatte ich in dieser Zeit endlich auch mal ein wenig den Kopf frei, um mich voll und ganz auf mein Studium zu konzentrieren und damit anzufangen, ein neues literarisches Projekt in die Tat umzusetzen.

Für den Dreh meines „About Me“ und meinen neuen Kurzfilm konnte ich mit meinem Team in die finale Planungsphase übergehen und auch einige neue schauspielerische Projekte in Angriff nehmen. Sobald unsere Theater wieder geöffnet haben, freue ich mich schon unglaublich auf einige Wiederaufnahmen und auch neue Produktionen, bei denen ich wieder mit auf der Bühne stehen darf. So werde ich beispielsweise erneut in der Oper „I Masnadieri“ in der Bayerischen Staatsoper, sowie als Milchfrau und als eine Frau des Emir in der Revue-Operette „Drei Männer im Schnee“ im Gärtnerplatztheater München mit dabei und auch Teil einer neuen Produktion der „Berliner Synchron“ sein.

Sophia Julia Schützinger

Sophia Julia Schützinger

Mit meiner neuen Künstler-Agentur habe ich ebenfalls die Möglichkeit als Modell zu arbeiten und freue mich schon auf kommende Shootings. Nächste Spielzeit werde ich dann auch endlich ein neues Projekt in Wien umsetzen und mit meinem Kurzfilm Premiere feiern. Meine Arbeit, die ich so sehr liebe, bleibt also auch in so seltsamen Zeiten wie diesen nicht stehen

JJ: Vielen Dank, viel Erfolg, mehr Spaß und noch mehr Gesundheit!

Sophia Julia: Vielen Dank für das spannende und schöne Interview.

Weitere Informationen: Webseite von Sophia Julia

 

 

Hier geht’s in die Overtime.

Ihr Debüt als Schauspielerin gab Sophia Julia in der Rolle der jungen Amalia in der Oper „I Masnadieri – Die Räuber“ an der Bayerischen Staatsoper München. Sie erzählt die Geschichte dazu:

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„Eigentlich war das alles eher Zufall als geplant und irgendwie auch eine lustige Geschichte“

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Im Grunde genommen war die Rolle der jungen Amalia im Nationaltheater München nur mein Debüt als Schauspielerin in einer derart großen Inszenierung an einem der größten Theaterhäuser Deutschlands in meiner bisher größten Rolle. Schon davor hatte ich die Chance, in meinem Theaterverein in einigen größeren Rollen, zum Teil sogar als Hauptrolle, auf der Bühne zu stehen.

Ebenso als Hauptrolle in dem Ensemble der intergroup des Jungen Resi/Residenztheaters München, in immer größeren „Statisten“-Rollen oder der kleinen Musical-Rolle in „Drei Männer im Schnee“ im Gärtnerplatztheater München, in der ich sogar einen Teil mitsingen und auch sprechen konnte, war es mir glücklicherweise bisher möglich, schauspielerische Erfahrungen zu sammeln und mein Spiel zu präsentieren. Allerdings hat sich mit der solistischen Rolle der jungen Amalia, die offiziell als Statisten-Rolle beziehungsweise als Double der Amalia-Sängerin Diana Damrau ausgeschrieben war, in meinem Leben einiges verändert und mich meinem Traum ein kleines bisschen nähergebracht.

Eigentlich war das alles eher Zufall als geplant und irgendwie auch eine lustige Geschichte, wie es dazu kam. Da ich auch an der Staatsoper schon seit ein paar Jahren als Statistin arbeite, hatte ich die Möglichkeit, an dem Casting für die neue Produktion „I Masnadieri – Die Räuber“, einer sehr selten aufgeführten, aber doch, wie ich finde – weil Verdi 😉 – wunderschönen Oper teilzunehmen. Am Tag des Castings hatte ich eine wichtige Präsentation in der Uni und überhaupt nicht mehr daran gedacht, überhaupt dort zu erscheinen. Da sowieso nur eine weibliche Rolle ausgeschrieben war und ich viele Kolleginnen kannte, die sich schon auf das Casting vorbereitet hatten, wollte ich eigentlich überhaupt nicht daran teilnehmen und habe meine Chancen als relativ gering angesehen.

Sophia Julia Schützinger

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Nur durch gutes Zureden eines Freundes habe ich mich dann dazu überreden lassen, doch mal mein Glück dort zu versuchen und bin mit ihm gemeinsam früher von der Uni zu diesem Casting gegangen. Ohne jegliche Hoffnung oder Anspannung.

Das war das erste Casting überhaupt, zu dem ich völlig unvoreingenommen und locker, ohne Erwartungen erschienen bin. Weil wir dann doch schon früher dort waren, haben wir uns aus Spaß ein wenig den Probensaal zu eigen gemacht, ich habe mich zum Beispiel einfach ans Klavier gesetzt und „Great Balls of Fire“ mit vollem Körpereinsatz und Leidenschaft gespielt und dazu gesungen, sowie meinem Kollegen den Monolog von Spiegelberg aus den Räubern vorgespielt, weil das ja doch relativ gut zum Thema passte.

Wir haben viel gelacht und hatten da schon mehr Spaß als bei jeglichen Castings oder Auditions zuvor. Als dann nach und nach die große Anzahl an BewerberInnen und auch das Team der Regie dazukamen, waren wir beide noch wahnsinnig im Flow und haben uns dazu entschlossen, dieses Vorsprechen einfach zu genießen, um neue Erfahrungen zu sammeln.

Tatsächlich war es dann auch ganz anders als alle Castings, die ich bisher erlebt habe. Wir mussten mehrere Aufgaben, sozusagen in mehreren Runden, absolvieren und schon da in eine gewisse Rolle schlüpfen. So mussten wir in einer Runde beispielsweise mit einem Gegenüber flirten und die Aufregung vor einem ersten Date spielen.

Hierbei habe ich versucht in meine Traumrolle der Lolita zu schlüpfen und diese mit meinen Vorstellungen einer Amalia zu verbinden und habe dabei immer auch darauf geachtet, den Regisseur Johannes Erath nicht aus den Augen zu verlieren, um mit seinen Reaktionen arbeiten zu können. Dabei ist es mir gelungen, immer wieder Blickkontakt zu ihm herzustellen und ihn mit meiner natürlichen Art, die ich an diesem Tag am besten zeigen konnte, zu durchdringen und am Ende wohl auch zu überzeugen.

Nach dem Casting saßen wir mit ein paar KollegInnen noch zusammen in der Kantine, um alles Geschehene Revue passieren zu lassen und auf die erlösende Mail mit einer Bestätigung oder Absage zu warten. Da diese aber einfach nicht kam, bin ich dann doch schon früher nach Hause gegangen, ohne mir in irgendeiner Form Hoffnungen zu machen. Ich stempelte den Tag und das Casting als positive und lustige Erfahrung ab und war mit meinen Gedanken schon beim Abendessen, als ich in der U-Bahn auf meinem Heimweg doch plötzlich und ganz unerwartet die für mich unglaublich großartige Zusage erhielt.

Nachdem ich daraufhin sofort all meine Liebsten angerufen oder benachrichtigt hatte, war ich der glücklichste Mensch der Welt und dieses Gefühl hält bis heute an. Mit dem ersten Probentag hat sich mein Leben dann um 180 Grad gedreht. Ich habe mit dieser Produktion die einmalige Chance bekommen, in unfassbarer Weise über mich hinauszuwachsen, neue wunderbare Menschen kennenzulernen und das erste Mal als geschätzte Schauspielerin zu arbeiten. So durfte ich mir beispielsweise während der Proben eine Umkleide mit meinem Vorbild, meiner großartigen Kollegin Diana Damrau teilen und denke mit einem Lächeln an unsere erste Begegnung ebendort zurück.

Ein besonderer Dank geht hierbei auch an meinen unglaublich talentierten und tollen Regisseur Johannes, der mir als eine Art Mentor die Möglichkeit gegeben hat, mich auf einer so wunderbaren Bühne auf ganz neue Weise auszuprobieren. „I Masnadieri“ war eine großartige Herausforderung für mich, in der ich zum ersten Mal die Schauspielmethode des sogenannten „method acting“ anwenden und voll und ganz mit meiner Rolle verschmelzen konnte. Ich musste beispielweise auf Kommando weinen und im selben Moment liebevoll, verzweifelt und unglücklich verliebt sein. Ich erinnere mich noch genau, wie in den ersten Proben alle Augen des gesamten Ensembles und Teams auf mich gerichtet waren, als ich auf mein Stichwort anfangen sollte zu weinen und so angespannt war, dass es mir einfach nicht gelang. Johannes hatte aber immer viel Geduld mit mir und brachte mir bei, auch in solchen Momenten der Anspannung und Nervosität die Kontrolle zu bewahren und auf Kommando weinen und meinen Emotionen in der Figur freien Lauf lassen zu können.

In der Pause nach ebendieser Szene während der Premiere war ich dann so tief in meiner Rolle versunken, dass ich fast eine komplette halbe Stunde nicht mehr aufhören konnte zu weinen und meine Maskenbildner leider wirklich mit mir zu kämpfen hatten. In gewissen Szenen sollte ich eine Art Schatten der Vergangenheit der Sopranistin Diana Damrau in der Rolle der Amalia repräsentieren, mich also nicht in den Vordergrund stellen und spielen, sondern einfach „nur sein“, wie Johannes immer wieder betonte. Das war für mich eine vollkommen neue Form und Erfahrung und besonders der Wechsel zwischen diesem Schatten-Dasein und meiner aktiven Rolle als junge Amalia war eine gänzlich neuartige und spannende Aufgabe. Genau diese Art von Herausforderung liebe und suche ich in meinem Beruf als Schauspielerin und würde am liebsten nie mehr etwas anderes auf der Bühne tun.

Von jeder Hauptfigur gibt es in dieser Inszenierung ein jüngeres Ich, welches kontinuierlich auf der Bühne mit anwesend ist und in manchen Szenen mit den jeweils anderen jüngeren Figuren, aber auch mit den älteren Figuren, repräsentiert durch die Sänger, interagieren muss. So muss ich in einer Szene beispielsweise mit der älteren Hauptfigur des Carlo (Karl), verkörpert von meinem herausragenden Kollegen und Freund, dem Tenor Charles Castronovo, eine doch sehr innige Begegnung spielen, bei der ich eine unglaublich tiefe und leidenschaftliche Sehnsucht zum Ausdruck bringen soll, während dieser mich zärtlich liebkost, bevor ich dann wiederum versuchen muss, mich meinem jungen Partner, der jungen Figur des Carlo, Valentin Fidelio, mit einem Kuss anzunähern.

Ebenfalls komplett neu war für mich auch die Szene meiner versuchten Vergewaltigung durch den Bruder Francesco (Franz) Moor, gesungen von dem beeindruckenden Bariton Igor Golovatenko. Durch eine tolle Zusammenarbeit mit meinen KollegInnen ist es mir hier relativ schnell gelungen, meine anfängliche Schüchternheit und Unsicherheit in einer solchen doch sehr intimen Szene zu überwinden und dadurch auch über mich und meine bisherige Arbeit hinauszuwachsen.

Sophia Julia Schützinger, Foto von Wilfried Hösl

Foto von Wilfried Hösl

Ich möchte an dieser Stelle auch gerne einen großen Dank an all meine wunderbaren KollegInnen und FreundInnen aussprechen, die mich in dieser besonders intensiven Zeit immer unterstützt und gefördert haben. Unsere Proben waren häufig doch sehr anstrengend und aufregend zugleich. Wir probierten annährend jeden Tag und das den ganzen Tag für insgesamt sechs Wochen. Nach einem solchen langen Tag war ich doch schon immer sehr müde und erschöpft, hatte aber so viele neue Eindrücke gesammelt, die ich für mich selbst erstmal ordnen und reflektieren musste und deshalb dann doch oft auch lange nicht einschlafen konnte.

Weil ich an der gesamten Produktion aber so unglaublich viel Spaß hatte und mit vollem Herzblut dabei war, kam trotz allem nie Müdigkeit an der Arbeit an sich auf. Um ehrlich zu sein, hätte ich noch ganze sechs Monate so weiter proben können. Viel zu schnell ging die Produktion dann aber schon in die Endprobenphase und damit auf die Vorstellungen zu, die aufgrund der aktuellen Situation und der ausbrechenden Corona-Pandemie leider nicht stattfinden konnten.

Immerhin hatte ich das Glück, die Premiere noch spielen und damit mein Debüt auf dieser faszinierenden Bühne vor einem ausverkauften Saal von insgesamt 2101 Zuschauern geben zu dürfen. Diese Premiere war in meiner gesamten bisherigen Laufbahn als Schauspielerin das Schönste, was ich je erleben durfte und ich habe noch mal doppelt so viel aus mir herausgeholt, wie in den Proben. Leider war dann auch der Abschied unglaublich emotional, weshalb ich es nicht erwarten kann, im April 2021 erneut in dieser Rolle auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper stehen zu dürfen.

Sophia Julia Schützinger

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