Alles fließt zusammen

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Nadine Knauer und Nepomuk fotografiert von Julia Gens

Nadine und Nepomuk, fotografiert von Julia Gens

Heute geht es um Nadine J. M. Knauer. Ich fange aber mal eben mit mir (JJ) an.

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Der Pferdsdorfer und die Pferde

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Vor 30, vielleicht auch noch vor 20 Jahren, habe ich Pferde, obwohl ich auf einem Dorf namens Pferdsdorf aufwuchs, völlig falsch eingestuft. Von Katzen oder Hunden wusste ich, dass sie sehr anhänglich, verschmust oder treu sein können, Freunde also mit Emotionen. Pferde dachte ich – und das war wirklich so – stehen einfach nur rum auf der Wiese oder im Stall und schauen sich die Welt an.

Als ich um das Jahr 2000 herum mal an einer Weide vorbeikam und eine Frau eins von zwei dieser Tiere in einen Anhänger verfrachtete, um davon zu fahren, beobachtete ich das zurückgebliebene Pferd in einer Mischung aus Trauer, Verzweiflung… Angst, Wut… was auch immer. Wie eine Mutter, der das Kind genommen wird. Emotion pur. Das sind Lebewesen wie du und ich. Klar!

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Die Pferdefrau und die Pferde

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Ganz anders Nadine Knauer. Die junge Frau aus Gudensberg (Nähe Kassel) kennt die Vierbeiner nicht nur von Kindheit an, sie ist vertraut mit ihnen. „Ich ging in eine Reitschule“, blickt sie zurück, „hatte bald ein eigenes Pferd.“ Sie wollte schon damals die Tiere „nicht nur bedienen“, sie wollte „mit ihnen kommunizieren, alles hinterfragen“.

Nadine las Fachliteratur, beispielsweise über den Umgang der Dakota-Indianer mit ihren treuen Gefährten. Auch, was über das sogenannte Horsemanship geschrieben stand, interessierte sie. Dabei indes bevorzugte sie schon immer die gewaltfreien Interpretationen dieser Lehre, die mit wenig Druck.

„Jedes Pferd hat seinen eigenen Charakter“, weiß die Hessin, „darauf reagiere ich individuell“. Und: „Wenn ich mit Pferden kommuniziere, mache ich dies über innere Bilder, die sich in meinem Körperbewusstsein ausdrücken und so von Pferden gelesen werden. Die Dakota-Indianer nennen dies ‚Fokussieren‘. Die Vierbeiner reagieren auf kleinste, für den Menschen kaum wahrnehmbare, analoge Signale –   wie eine Veränderung in der Stimmmodulation, im Tonfall, in der Lautstärke, der Gestik und Mimik oder der Körperhaltung des Menschen.“

Irgendwann mal standen diese Tiere – wie andere auch – unbehelligt vom Ärgernis Mensch in der Wildnis. In einer oft sehr weitläufigen Wildnis. Die Gefahr drohte von Raubtieren auf vier Beinen.

„Pferde mussten Fluchtsignale über Hektar große Weideflächen senden, um so eine gemeinsame, geschlossene Flucht umzusetzen, wenn Gefahr drohte“, weiß Nadine, „sie kommunizieren vor allem nonverbal. Das bedeutet für mich, meinen Fokus besonders auf meine nonverbalen Signale zu setzen.“

Die 27jährige bemüht sich also in ihrer Arbeit mit den Tieren, sich deren Sprache anzunähern. Um hier mal das Klischee vom aus Literatur, Film und Fernsehen bekannten Pferdeflüsterer zu bemühen, Nadine flüstert nicht, sie hört zu.

Nadine Knauer und Nepomuk fotografiert von Julia Gens

Nadine und Nepomuk, fotografiert von Julia Gens

Apropos flüstern, apropos hören. „An der Stellung der Ohren dieser Tiere erkenne ich sehr viel“, erzählt Nadine Knauer, „richtet das Pferd die Aufmerksamkeit auf mich oder woanders hin?“ Zudem sagen ihr ein gesenkter Kopf, ein hängender Unterkiefer (Entspannung) oder ein Kauen oder Lecken sehr viel.

„Der ganze Körper spielt mit“, ergänzt die Pferdefrau, „gebe ich mit meinem Körper einen Impuls nach vorne, geht der Vierbeiner nach vorne, halte ich an und richte mich auf (Becken nach vorne kippen, Oberkörper aufrichten) hält er auch an. Das Handzeichen Richtung Kopf bedeutet Halt oder Weichen, das Eindrehen der Schulter Folgen.“

Jedoch kommt es stets auf das einzelne Pferd an. Jedes Individuum, jede Situation ist anders!“
Was indes auf alle zutrifft – „Tiere leben im Hier und Jetzt“, weiß Nadine. Und dass sie ihre Präsenz spüren. „Das Pferd spürt mich, es liest mich. Anlügen kann ich es nicht.“

„Wie wir Menschen haben die Vierbeiner gute Tage und schlechte Tage. Und wie wir nicht mit schlechter Laune ins Bett sollten, soll das Pferd so nicht zurück auf die Koppel oder auf den Paddock und der Mensch sollte nicht schlecht gelaunt mit dem Pferd arbeiten, da sich dies sofort auf das Pferd überträgt, was aber auch umgekehrt geschehen kann.“ Das ist ein Grundsatz der Pferdefrau.

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Parallelen…

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…gibt es da also zwischen Mensch und Tier… Nadine Knauer, die zerfifizierte Theaterpädagogin, hat solche im Speziellen zwischen ihrer diesbezüglichen Arbeit und dem   Pferdetraining erkannt. „Alles fließt zusammen“, sagt sie, „Signale werden gesendet und empfangen, es wird kommuniziert. Jenes Impulse geben, empfangen, reagieren und die entstehenden Kreisläufe sind bei uns fast identisch wie bei Pferden!“

„Es geht um Führen und Folgen“, stellt die junge Frau fest. Ein Schauspieler gibt ein Stichwort oder sendet ein gestisches oder mimisches Signal und der andere geht darauf ein; antwortet. Und fordert dadurch eine Reaktion heraus. Aktion-Reaktion… Führen-Folgen… Kommunikation…

„Das Ganze funktioniert nur, wenn das Gegenüber mitmacht“, stellt Nadine als Pferdefrau und Theaterpädagogin fest. Die Schauspieler, die Pferdebesitzer, die Pferde…

Nadine Knauer mit Lucky, Foto Cordula Knauer

Nadine mit Lucky,
Foto Cordula Knauer

„Wenn sich beispielsweise im Wesen sehr zurückhaltende Pferdebesitzer als Persönlichkeiten mit wenig Führungspotenzial erweisen, können Übungen aus dem Schauspieltraining helfen“, ist eine Erfahrung von Nadine Knauer. Im anderen Fall kann es Schauspielern helfen, ihre Komfortzone zu verlassen, wenn sie sich mit Tieren beschäftigen. „Ich mache das so transparent wie möglich“, erläutert sie, „warum gerade diese Übung, worauf basiert sie, was soll sie?“, diese Fragen beantwortet sie.

Denn: „Wissen bringt Sicherheit!“ Wenn Nadine bei diesen zunächst ungewöhnlich anmutenden Aktionen mitmacht, dann machen es schon zwei. Das hilft, senkt die Hemmschwelle. „In der Regel wirkt die Methode der pferdegestützten Theaterpädagogik schneller.“ So die Erfahrung.

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Theaterpädagogik


Schon als Kind hat Nadine in einer Theatergruppe mitgewirkt und an Seminaren teilgenommen, in denen es um Sozial- und Theaterpädagogik ging. Ein Seminarleiter, Jörg Dreissmann, hinterließ dabei deutliche Spuren. „Seine Hingabe, sein Spaß dabei, die Leidenschaft, mit der er mit dem ganzen Körper positive Energie vermittelte… das wollte ich auch“, blickt sie zurück.

Ursprünglich tendierte Nadine in Richtung Tiermedizin. Ein Praktikum indes, bei dem sie feststellte, dass sie für manche Pflichten in dem Bereich einfach zu sensibel ist, plus das Vorbid von Jörg Dreissmann, führte sie dann doch in Richtung Theaterpädagogik. „Theater begleitet mich schon immer!“, stellt sie klar.

Nadine absolvierte die Theaterwerkstatt Heidelberg und schloss als zertifizierte Theaterpädagogin (BUT) nach den Rahmenrichtlinien des Bundesverbandes Theaterpädagogik e.V. ab. Sie gibt Seminare, Kurse, Einzelcoaching. Gemeinsam mit den Pferden Nepomuk und Lucky baut die engagierte Frau (wie beschrieben) die tiergestützte Theaterpädagogik auf.

Nadine Knauer Foto Julia Gens

Nadine Knauer,
Foto Julia Gens

„Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind die Steckenpferde eines jeden Theaterpädagogen“, benennt sie eine Prämisse, „jeder Kurs lässt sich individuell auf die Wünsche der Teilnehmer, die Zielgruppe und die jeweilig notwendigen Schwerpunkte zuschneiden!“ Beispiele für Kurse sind ein Kreativ Workshop oder auch „Gefangen im Nonsens“ (Kommunikationstheater) oder „Körperbewusst“ (Tanztheater) und andere.

Ob Pferdetraining für die Tiere und deren Halter oder Theaterpädagogik, Nadine gibt ihr angelerntes und selbst erfahrenes Wissen gerne weiter. „Gelerntes lehren ist eine wundervolle Sache der Teilung!“, ist dabei einer ihrer Leitsätze.

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Nora

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Darüber hinaus hat sie mit ihrem Roman „Nora, die weiße Rose“ einen Traum zu Papier gebracht, den sie dadurch ebenfalls weitergibt. „Ich war 14“, schaut sie zurück, „und wachte schweißgebadet auf. Es war ein Alptraum!“

Nadine J. M. Knauer griff zu Zettel und Stift, machte Notizen. „In der nächsten Nacht folgte der nächste Traum“, schildert sie die Situation damals, „später ging das nicht mehr“. Im Alter von 16 begann sie, das Geträumte in einen Roman zu kleiden, der im mittelalterlichen England und Frankreich spielt. Ebenso wie die Autorin wird die Titelheldin von ihren treuen Pferden begleitet, die eine große und wichtige Rolle in ihrem Leben ausfüllen. „Die erste Fassung habe ich immer wieder überarbeitet, im September 2020 wurde das Buch veröffentlicht!“

Gemeinsam mit Schauspielschülern aus Kassel und vielen anderen Helfern („insgesamt 33“) schuf die emsige Frau einen entsprechenden und gleichnamigen Roman-Trailer. „Diese grandiosen Menschen beeinflussten das Filmprojekt deutlich mit“, schätzt sie ein, „darauf, und auf sie, bin ich stolz!“

Roman-Cover Nadine J. M. Knauer

Roman-Cover,
Nadine J. M. Knauer

Kommunikation also auf ganzer Linie bei Nadine. Nicht nur mit Menschen. „Tiere laufen bei vielen einfach nur nebenher“, ärgert sie sich, „alle diese Tiere sind aber sensibel, sie verdienen unser Verständnis. Deshalb ist Kommunikation auch mit ihnen wichtig!“

Hätte sie mir das mal früher gesagt. Dann hätte ich nicht erst im Jahr 2000 festgestellt, dass Pferde nicht nur auf der Wiese stehen und die Welt anschauen.

JJ

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Weitere Informationen: Webseite von Nadine oder  Nadine J.M. Knauer auf Instagram

 

Foto Startseite: Julia Gens

 

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