Die Schauspielerin Inès Naves ist Kosmopolitin, die Mutter Deutsche und der Vater Portugiese. Die beiden lernten sich in Paris kennen. Dort erblickte die mittlerweile Münchnerin auch das Licht der Welt und verbrachte ihre Kindheitsjahre in der Metropole rund um den Eiffelturm.
Inès jobbte später nebenbei als Studentin und landete als Komparsin und Kleindarstellerin beim Film. Sie wurde zu Castings eingeladen und bekam ihre ersten Rollen in Werbespots und später auch in Filmen.
Das alles und noch viel mehr erzählt sie uns hier und jetzt selbst:
„Ich liebe Gegensätze und Kontraste“
JJ: Inès, welche Bedeutung hat Schauspiel für dich ganz persönlich, sowohl wenn du zuschaust, als auch wenn du selbst spielst?
Inès Naves: Ich tauche ein in eine andere Welt, sowohl wenn ich zuschaue, als auch wenn ich spiele. Aber diese andere Welt hat auch immer etwas mit mir zu tun. Sie ist fremd und gleichzeitig vertraut.
Das ist für mich die Faszination am Schauspiel. Mich selbst und andere in immer wieder neuen Facetten zu entdecken, Grenzen zu überschreiten, wie man es im normalen Leben selten wagt.
JJ: Als du im zarten Kindesalter Ballettunterricht genommen hattest und mit acht Jahren deinen ersten Bühnenauftritt absolviertest, hast du da schon irgendwie ein Signal in dir gespürt, das könnte deine Zukunft sein, das willst du immer machen? Oder war das einfach nur der kindliche Spaß – und gut?
Inès: Ich selbst habe damals dieses Signal nicht gespürt. Es kam eher von außen. Meine Ballettlehrerin, eine ehemalige Primaballerina, hatte mich im Visier.
Ich war sehr talentiert und entsprach auch optisch perfekt dem Bild einer kleinen, zierlichen Tänzerin. Sie legte meinen Eltern nahe, mich zu einer professionellen Tänzerin ausbilden zu lassen und ich durfte bei meinem ersten öffentlichen Bühnenauftritt als einzige meiner Altersgruppe einen Solotanz aufführen.
JJ: Wann wusstest du, Schauspielerin ist ein Beruf, den es gibt – und wann wusstest du, das ist dein Beruf?
Inès: Mit circa sechs Jahren wusste ich, dass die Schauspielerei ein Beruf ist. Ich fand diesen Beruf auch damals schon sehr ansprechend, weil ich gerne ins Theater und ins Kino ging und mir auch gerne Filme im TV ansah. Aber ich habe damals noch nicht ernsthaft an eine Schauspielkarriere gedacht.
Ich bin tatsächlich über Umwege und erst Jahrzehnte später zum Schauspiel gekommen. Meine ersten Kameraerfahrungen als Darstellerin in Werbespots sammelte ich mit Ende zwanzig. Als ich die Schauspielschule besuchte, war ich bereits über dreißig.
JJ: Du hast französische, italienische und spanische Literaturwissenschaften und Geschichte an der Universität Hamburg und an der Université Paris IV (Sorbonne) studiert. Hilft dir dieser Hintergrund im Schauspielberuf? Ist Schauspielerin, da du ja durchaus – aus meiner Sicht – auch andere hochinteressante, herausfordernde Berufe ausüben kannst, dein unumstrittener Plan A?
Inès: Mich haben immer Geschichten von Menschen interessiert, sei es in Romanen, in Theaterstücken oder im wahren Leben. Insofern bildet das Studium eine gute Basis und ein gutes theoretisches Hintergrundwissen, beispielsweise was Theatergeschichte anbetrifft.
Für die Schauspielpraxis ist dieses Wissen eher nicht relevant. Aber letztendlich ist jede Erfahrung, die man im Leben gemacht hat, wichtig. Sie ist Teil der Persönlichkeit und fließt somit auch immer ins Schauspiel mit ein. Und Schauspiel ist tatsächlich mein unumstrittener Plan A. Eine vergleichbare Leidenschaft habe ich ansonsten nur noch für den Tanz.
JJ: Wenn du vor der Kamera stehst, der Regisseur sein „Bitte“ sagt, du also exakt in dem Moment in eine Rolle schlüpfen musst, was spielte sich vorher ab, was geht in jenen entscheidenden Momenten in dir vor, wie viel Figur, wie viel Inès bist oder bleibst du und wie findest du anschließend heraus?
Inès: In der Regel beschäftige ich mich mehrere Monate, Wochen oder zumindest Tage mit einer Figur. Ich schlüpfe also nicht erst in dem Moment in die Rolle, wenn der Regisseur sein „Bitte“ sagt, sondern habe mich lange darauf vorbereitet.
Wenn ich spiele, muss ich in meiner Rolle einfach funktionieren und alles, was sich außerhalb der Bühne oder des Filmsets befindet, komplett ausblenden. Ein Teil meiner Persönlichkeit findet sich immer in der Rolle wieder, gleichgültig welche Rolle ich gerade spiele.
Sobald das Theaterstück oder der Drehtag beendet ist, finde ich aber auch schnell wieder aus der Rolle heraus. Das passiert ganz automatisch, weil ich dann mein Alltagsleben weiterführe mit allem, was dazugehört.
JJ: Was machen dabei deine Schauspielkollegen mit dir, was am Theater das Publikum, was die Tagesform?
Inès: Es ist immer optimal, wenn meine persönliche Tagesform gut ist, das Verhältnis zu den Schauspielkollegen harmonisch ist und wenn dem Theaterpublikum das Stück gefällt.
Ist dies alles nicht der Fall, gebe ich trotzdem mein Bestes und versuche, die ungünstigen Einflüsse zu überspielen. Aber natürlich bin ich ein Mensch und keine Maschine und so spiele ich an manchen Tagen vielleicht besser oder auch schlechter als an anderen Tagen.
JJ: Du verkörperst oft die vornehmen Rollen, Inès, deine Lieblingsrollen sind ambivalente, geheimnisvolle Charaktere. Warum diese Rollen? Und: Würdest du gerne das Gegenteil spielen, die Obdachlose, die Drogensüchtige am Abgrund – oder sogar mit dem Mut zur Hässlichkeit die (Hexe) Baba Jaga; vielleicht wie Angelica Domröse den Stalin oder Anna und Katharina Thalbach den Friedrich II.?
Inès: Ich liebe Gegensätze und Kontraste, die widersprüchlich sind und scheinbar nicht zueinander passen. Ein ambivalenter Charakter ist vielschichtig und interessant, birgt Abgründe und zeigt im Laufe des Spiels ganz viele unterschiedliche Facetten.
Das ist für mich als Schauspielerin eine besondere Herausforderung. Ich könnte mir auch vorstellen, eine Obdachlose oder Drogensüchtige zu spielen, wenn die Figur zum Beispiel im gutbürgerlichen Milieu aufgewachsen ist und dann aus irgendeinem Grund abstürzt. Da würde mich dann wieder der Kontrast reizen, die Entwicklung zu einer ganz anderen Lebensform.
Eine Rolle als Mann passt allerdings gar nicht zu mir. Ich finde es sehr mutig, wenn Kolleginnen einen Mann verkörpern, aber ich wäre da vollkommen fehlbesetzt. Der jahrzehntelange Tanzunterricht, unter anderem in Ballett und Bauchtanz, haben mich natürlich geprägt. Ich bin ein eher femininer, graziöser Typus und würde als Mann wahrscheinlich ziemlich lächerlich wirken.
Eine hässliche Hexe würde ich aber sehr gerne spielen, beispielsweise die böse Stiefmutter im Märchen von Schneewittchen. Das ist sogar auch so eine Traumrolle von mir…
JJ: Du bist, da du sechs Sprachen beherrschst, prädestiniert auch für internationale Engagements. Was reizt dich daran besonders? Spürst du eine Präferenz in dir, beispielsweise eher hin zu den aufwendigen Hollywood Streifen oder doch lieber zu diesen entzückend unaufgeregten, von einem köstlichen Humor getragenen französischen Filmen? Oder die Vielfalt, die Abwechslung?
Inès: Mein ganz großer Traum ist tatsächlich eine internationale Arbeit als Schauspielerin – schon aufgrund meines kosmopolitischen Hintergrundes mit einer deutschen Mutter, einem portugiesischen Vater und meiner Geburtsstadt Paris. Ich reise sehr gerne und möchte die vielen Sprachen, die ich spreche, auch gerne beruflich einsetzen, mit internationalen Teams arbeiten, immer wieder neue Menschen kennen lernen.
Dabei reizt mich eine aufwendige Hollywood Produktion genauso wie ein eher intimer französischer Film. Ich liebe die Abwechslung, das Abenteuer. Routine langweilt mich.
JJ: Ich kenne ganz gut das Elsaß, Inès, war mal kurz in Paris. Du bist in Frankreich aufgewachsen, hast eine besondere Bindung zu dem Land. Beschreibe mal bitte dein ganz persönliches Frankreich-Gefühl. Und: Wieso ist Paris die Stadt der Liebe? (nur weil sie so genannt wird?)
Inès: Frankreich und vor allem Paris sind für mich neben Deutschland meine Heimat. Ich liebe die französische Literatur, die französische Sprache und auch die französische Geschichte. Und ich mag die Franzosen mit ihrem Sinn für Ästhetik, ihrem guten Geschmack, ihrem Temperament, Humor und savoir-vivre. Sie vereinen für mich idealerweise die Mentalität eines Nordeuropäers mit der Mentalität eines Südeuropäers.
Für mich ganz persönlich ist Paris die Stadt der Liebe, weil meine Eltern sich dort kennengelernt haben. Davon abgesehen ist Paris aber nicht nur eine schöne, elegante Glitzermetropole. Diese Stadt und ihre Einwohner sind voller Charme und Esprit. Es gibt sehr viele romantische Ecken in Paris. Und das sind doch die besten Voraussetzungen für die Liebe.
JJ: Danke
Weitere Informationen: Ines auf der Webseite ihrer Agentur
Foto Startseite: Jordan Engle (O.G. Pics)