Lieber in die Zukunft schauen

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Maren Kraus, Foto: Johannes Kollender

Maren Kraus, Foto: Johannes Kollender

Maren Kraus hat Ausbildungen in klassischem Tanz und Schauspiel absolviert. Sie mischte in Spiel- und Kurzfilmen sowie einer Webserie mit und stand beziehungsweise steht noch in verschiedensten Rollen auf Theaterbühnen.

Dazu beantwortete sie mir einige Fragen. So richtig lebendig wurde es, als die jetzt in Hamburg lebende Schwäbin genau diese Fragen erstmal von links auf rechts drehte und in Schauspielthemen gesamtgesellschaftliche erkannte. Hier und jetzt:

 

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„Genau deshalb, weil es in der Realität nicht selbstverständlich ist, wünsche ich mir, dass anders und vielschichtiger besetzt wird“

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JJ: Maren, du hast kürzlich in „Der gute Mensch von Sezuan“ die Rolle Shen Te/Shui Ta gespielt und spielst noch das Aschenbrödel in „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Ich als eher Laie denke: ‚komplett unterschiedliche Rollen‘. Ist genau das die Antwort auf eine meiner Standardfragen nach der Faszination Schauspiel? Die Bandbreite, die Gegensätzlichkeit?

Maren Kraus: Natürlich ist das eine schönen Seite des Berufes. Dass man in ganz unterschiedliche Rollen schlüpfen kann, Szenarien durchleben, die man vielleicht in der Realität (zum Glück) noch nicht erlebt hat. Ich meine, in der Regel empfindet man einmal im Leben die ganze Seligkeit der Liebe, einmal den Jubel der Freiheit, man hasst einmal gründlich, man stirbt einmal… Auf der Bühne kann man es jeden Tag und jedes Mal anders. Das ist toll.

Aber wenn ich ehrlich bin, ist für mich die Faszination des Berufes eine andere. Ich versuche zumindest, mit Worten und meinem Körpereinsatz damit Geschichten zu erzählen, die Welt in kleinen Schritten zu verändern. Etwas beizutragen. Wenn ich etwas erreichen will, ist diese Methode so sinnvoll wie jede andere.

Ich spiele einfach, weil ich damit in der Welt am ehesten etwas verändern und gleichzeitig meine Miete bezahlen kann. Und damit habe ich ein Mordsglück.

JJ: Mir liegt quer, dass (zumindest in Deutschland) zu verbissen nach Typ besetzt wird, auch wenn es Ausnahmen gibt. Die Osteuropäerin spielt die Putzfrau, die Vietnamesin spielt die Chinesin und so weiter. Ich möchte, dass die Osteropäerin – wie im richtigen Leben – die Ärztin spielt und die Vietnamesin ihre Chefärztin zum Beispiel. Einfach so, selbstverständlich. Und ebenfalls wie im richtigen Leben sollte – wenn es nach mir geht – das optisch niedliche Mädchen auch mal die Knallharte verkörpern und der optische Gangstertyp den Sensiblen. Weil sie es können. Renne ich bei dir offene Türen ein oder erzähle ich gerade Blödsinn?

Maren: Genau das ist ja das Problem. Dass das alles im „richtigen Leben“ eben nicht selbstverständlich ist. Wir haben tatsächlich viele weibliche, unterbezahlte, ausländische Putzfrauen in Deutschland, die sich oft sogar gezwungen sehen, schwarz zu arbeiten und selbst wenn Frau Karriere macht, gibt es nach wie vor eine gläserne Decke, durch die sie kaum durchkommt.

Und vielleicht können „optisch niedliche“ Mädchen auch nicht die knallharten Frauen sein in der Realität, weil starke Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung sehr schnell für ihre angeblich „maskuline“ Erscheinung und Verhaltensweise getadelt werden. Genau deshalb, weil es in der Realität nicht selbstverständlich ist, wünsche ich mir, dass anders und vielschichtiger besetzt wird.

Man zeigt den Zuschauern gerne, was sie sehen wollen. Mutig ist es, ihnen zu zeigen, was sie nicht sehen wollen, oder nicht gewohnt sind, zu sehen und dadurch die Realität vielleicht auch ein Stück weit verändern und beeinflussen zu können. Es gibt da schon tolle Filme, aber da geht mehr.

JJ: Maren, mir hat mal eine Kollegin von dir erzählt, sie hat bewusst zuerst Tanzen gelernt und erst dann Schauspiel. Um ihren Körper besser zu beherrschen. Du hast auch über Jahre eine klassische Ballettausbildung absoviert. Eher zufällig? Hilft es dir im Schauspiel?

Maren: Zufällig nicht. Ich hatte mich bewusst fürs Tanzen entschieden. Und ich mag nach wie vor beides sehr. Was mir beim Tanzen immer gefehlt hat, war die Sprache, also die gesprochene Sprache. Und natürlich ist eine gute Verbindung von Körper und Sprache optimal. Insofern hilft es mir. Mein choreografisches Denken steht mir aber auch ab und an im Weg.

JJ: Wenngleich ich nie ernsthaft Schauspielambitionen hatte, würde ich gerne, theoretisch, den Robin Hood geben oder den Wilhelm Tell, die verwegenen Helden also – und das am Theater. Bist du mit solchen Träumen unterwegs (egal in welche Richting) oder warst es mal?

Maren: Ja. Auf jeden Fall. Träumen ist wichtig. Es beeinflusst einen ja ungemein beim Handeln. Ich träume zum Beispiel davon, in einem Science Fiction mitzuspielen. Wenn Menschen Angst haben, gucken sie oft in eine Phantasievergangenheit, in der alles besser war. Ich gucke lieber in die Zukunft. Die kann ich noch gestalten.

JJ: Wie hat das Ganze bei dir begonnen, Maren, hast du schon als Kind keine Bühne, auch wenn es nur Omas Tisch war, ausgelassen, musstest du in die Mitte des Kreises und spielen, spielen, spielen?

Maren: Nein. Im Privaten bin ich nicht sonderlich extrovertiert, mag Ruhe und kleine Gruppen von vertrauten Freunden. Allerdings habe ich auf Geburtstagsfeiern gerne Filme gedreht oder Zirkusshows organisiert. Das konnte, glaube ich, ganz schön nerven. Ich entschuldige mich bei allen Leidtragenden.

JJ: Wann war dir klar, dass Schauspielerin dein Beruf ist – und kein anderer?

Maren: Das war mir noch nie klar und das ist mir heute auch noch nicht klar. Ich kann mir jederzeit vorstellen, auch einen anderen Beruf auszuüben. Oft graut es mir vor diesem Gedrehe um das eigene Ego und ich möchte etwas tun, was Menschen mehr hilft. Aber vermissen würde ich auf jeden Fall die Teamarbeit, die am Theater wichtig ist und den geschützten Raum, in dem man sich austoben kann.

JJ: Hattest du an der Schauspielschule eher das Gefühl, da bist du genau richtig oder eher: was treibe ich hier?

Maren Kraus, Foto: Johannes Kollender

Maren Kraus, Foto: Johannes Kollender

Maren: Teils teils. Wir waren alle sehr unterschiedlich und das war oft anstrengend. Aber wenn ich mit tollen Dozenten eine Sprache gefunden hatte, war das immer toll.

JJ: Egal ob du auf der Bühne stehst oder vor der Kamera, was geht genau in jenen Momenten vor, in denen du in die Rolle, in den anderen Charakter musst und dann darin bist? Wie viel Maren steht da, stehst du neben dir und beobachtest oder führst dich, bist du komplett im Tunnel?

Maren: Maren steht zu 100 Prozent auf der Bühne. Das kann man ja nicht vermeiden. Alles andere ist eine Frage der Regie, der Inszenierung, der Herangehensweise…

JJ: Was machen dabei die Kollegen mit dir (ich gehe von fantastischen Schauspielern in Bestform aus)? Und im Theater das Publikum?

Maren: Im besten Fall hören wir einander zu, spielen miteinander, haben Spaß… Das Publikum hört uns im besten Falle auch zu, wenn wir uns zuhören… und es ist super, die unterschiedlichsten Abende zu erleben und die Meinungen des Publikums zu spüren. Währenddessen oder beim Applaus. Damit irgendwie ein Dialog entsteht.

JJ: Was hat ein Film (oder eine Theateraufführung), der/die dich aus dem Sessel reißt, dich in ihm fesselt oder an den/die du dich noch Ewigkeiten erinnern wirst?

Maren: Etwas, was mich nachhaltig verändert. Einen Teil von mir, eine Meinung, ein Gefühl zu etwas. Ganz gering oder ausschlaggebend.

JJ: Was liegt demnächst schauspielerisch an, worauf dürfen wir uns freuen?

Maren: Jetzt ist erst einmal Weihnachtsmärchenzeit.

JJ: Viel Spaß dabei und überhaupt.

Weitere Informationen: Maren auf der Webseite ihrer Agentur

Foto Startseite: Johannes Kollender

 

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