Intensiv

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Lisa Fertner, Foto von Lauri Melone

Lisa, Foto von Lauri Melone

Die Schauspielerin Lisa Fertner will von einem Plan A nichts wissen. Sie will nicht dieses oder jenes spielen, sondern alles. Aktuell probt sie für „George Dandin“ von Molière am Stadttheater in Weilheim.

Darüber erzählt uns die junge Frau mit den blau-grünen Augen hier und jetzt. Zudem über ihre Heimat Österreich, über ihre Faszination Schauspiel und die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne oder vor der Kamera:

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„Es gibt keinen intensiveren Moment, als eine klare Konversation auf der Bühne oder vor Kamera“

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JJ: Lisa, erzähle mal bitte ein bisschen über „George Dandin“ von Molière am Stadttheater in Weilheim. Worum geht es in der Komödie, welche Rolle spielst du, habt Ihr das Stück irgendwie speziell interpretiert und vor allem: macht es dir Spaß?

Lisa Fertner: Wir sind gerade mitten im Probenprozess und wie das so ist, haben wir täglich eine neue Erkenntnis, einen neuen Gedankengang und eine neue Idee. Da fällt es mir schwer, jetzt schon etwas zu konkretisieren.

Was ich aber durchaus schon mal sagen kann – das Stück wird klassisch angesetzt, spielt aber mit mehreren Ebenen, die das Stück auch mal verlassen zwischendurch. Darin liegt der Reiz der Inszenierung.

In „George Dandin“ geht es um Macht, Verlust, Sehnsucht und offensiven Betrug. Ich darf die Rolle der Claudine, dem Dienstmädchen der Adelstochter Angélique, übernehmen, die manch andere wie Marionetten tanzen lässt und ihr eigenes Ziel nicht vergisst, auch wenn sie ihrer Herrin stets zu Diensten ist. Durch den Lore-Bronner-Preis 2017 (Förderpreis für darstellende Kunst) gewann ich dieses Engagement und ich freue mich riesig, genau diese Rolle spielen zu dürfen!

JJ: Und wenn wir einmal bei Spaß sind, worin besteht deine ganz spezielle Faszination Schauspiel? Sowohl wenn du zuschaust als auch wenn du selbst spielst?

Lisa: Andere in eine erdachte Welt zu verführen und mich in eine erdachte andere Welt verführen zu lassen, das fasziniert mich. Für mich funktioniert Schauspiel dann, wenn (Zu)Schauer und Spieler den Moment des Erlebnisses miteinander teilen, sei es direkt auf der Bühne oder durch die Kamera. Diese sogenannte Authentizität, von der man immer spricht. Daher ist es das schönste Geschenk, wenn etwas Unerwartetes passiert und ich im Moment reagieren muss.

Lisa Fertner; Foto Andreas Kohn

Lisa Fertner;
Foto Andreas Kohn

Um solche Momente bewusst zu erzeugen, versuche ich, so gut es geht, den Text des Partners nach der Probe zu vergessen. Erstaunlicherweise funktioniert das für mich. Ich habe meinen Text aber so fest in meinem Geist und Körper abgespeichert, dass er mir auf der Zunge liegt, ich jedoch noch nicht weiß, wieso ich dies und jenes sage. Wenn dann die Frage des Partners kommt, erfahre ich in diesem Moment, worauf ich antworte und genau in diesem Moment liegt meine reale Authentizität.

JJ: Stelle dir bitte vor, du stehst hinter der Bühne oder irgendwo am Kameraset und dein Stichwort für deinen Auftritt fällt beziehungsweise der Regisseur sagt „und… bitte“. Was geht in diesen Momenten in dir vor, Lisa, was denkst, fühlst, spürst du; wer bist du?

Lisa: Diese Frage hat mich jetzt Tage lang beschäftigt. Ich glaube, ich habe solche Momente direkt davor nicht.

Aufgeregt und nervös bin ich, wenn ich zuhause meine Tasche packe, zum Theater oder Set fahre und sich alles noch so weit weg anfühlt. Da gibt es Momente, in denen ich „irgendwo anders“ bin, in denen die privaten und schauspielerischen Gedanken sich vermischen. Da kommt mir alles wie in Zeitlupe vor, ich glaube, ich bin dann auch wirklich total langsam in allem, auch in meinem Denken.

Aber sobald es los geht, gibt es eine klare Trennung. Da denke ich zum Beispiel gerade darüber nach, was ich zuhause kochen werde und sobald das Stichwort kommt, agiere ich als Figur. Ein glasklarer Cut. Und da passiert dann auch alles rasend schnell.

JJ: Wie schnell bist du in der Figur, wie schnell wieder raus (oder wie langsam)? Wann beginnst du mit der Verwandlung?

Lisa: Das geht ruckzuck! Diese Vorbereitung liegt in den Proben. Da erarbeite ich meine Figur so, dass ich sie auf Punkt spielen kann.

Allerdings bin ich am Tag einer Aufführung schon sehr aufgequirlt und brauche meine persönliche Vorbereitungszeit (die aber nichts mit der Figur zu tun hat). Ich bin beispielsweise gerne etwas früher im Theater, setze mich in die letzte Reihe und betrachte die Bühne. Dann setze ich mich auf die Bühne und betrachte den leeren Zuschauerraum. Da trinke ich dann einen Tee und versuche mich zu zentrieren.

Lisa; Foto prettypictures.at

Lisa; Foto prettypictures.at

JJ: Was machen in jenen Momenten deine Kolleginnen und Kollegen mit dir (ich gehe von fantastischen Schauspielern aus in bester Tagesform)?

Lisa: Es gibt keinen intensiveren Moment, als eine klare Konversation auf der Bühne oder vor Kamera. Eine oftmals extreme Spannung bewusst herzustellen, zu halten und miteinander zu teilen, ist unbeschreiblich. Ich darf den Partner und die Partnerin spüren und auffangen, genauso wie ich mich fallen lassen kann und aufgefangen werde. Sich gegenseitig zu kitzeln, zu fordern, sich aufzuschaukeln, das ist das größte Vergnügen!

JJ: Lisa, was haben Filme oder Theaterstücke, die dich als Zuschauerin im Sessel fesseln oder vom Hocker hauen, die du lange, lange nicht vergisst, vielleicht gar ein bisschen prägend für dich sind?

Lisa: Kurzgefasst, ich muss abgeholt und auf eine Reise mitgenommen werden. Ob diese Reise spannend, lustig, berührend oder gar überwältigend ist – ich lass mich auf alles ein, solange ich mitgenommen werde.

Das prägendste Erlebnis war für mich der „Faust Marathon 1+2“, inszeniert von Nicolas Stemann. An diesem Tag durfte ich in eine Welt eintauchen, aus der ich nicht mehr raus wollte. Die Inszenierung hat mir eine für mich ganz neue Art von Theaterverständnis eröffnet. Ich saß achteinhalb Stunden wie auf Nadeln, am liebsten wäre ich aufgesprungen und auf die Bühne gestürzt!

JJ: Nehmen wir mal eben an, du kannst dich selbst besetzen; welche Rolle in welchem Genre mit welchem Regisseur (Regisseurin), mit welchen Schauspielkollegen spielst du (egal ob Film oder Theater)? Gerne auch, wenn es ein Traum ist.

Lisa: Ich will alle Rolle in allen Genres unter allen Regisseuren und mit allen Schauspielkollegen spielen! Worauf ich hinaus will, ich kann mich nicht beschränken. Es gibt so viele fantastische Texte und es kommen ständig neue nach.

Wünschen würde ich mir Rollen, für die ich etwas lernen muss, was ich privat nicht kann. Sei es ein Dialekt, eine Sportart oder auch einfach nur eine Zigarette wuzeln!

JJ: Gibt es Schauspieler/innen, die dich immer wieder faszinieren? Wer, warum? (egal ob hierzulande oder Übersee, egal ob jetzt oder vergangen)

Lisa Fertner, Foto Andreas Kohn

Lisa Fertner,
Foto Andreas Kohn

Lisa: Philipp Hochmair ist mein größtes künstlerisches Vorbild. Seine Explosivität und Kraft auf der Bühne und sein ständiger Motor treiben mich an und erwecken den Kampfgeist, das Feuer in mir!

Durch Philipp habe ich auch erst wirklich verstanden, was es heißt, im Moment zu sein. Er sagt immer: „Ich stelle mich einer Rolle zur Verfügung.“ Das ist für mich der aussagekräftigste und gehaltvollste Satz, den ich mir eingeprägt habe und nachdem ich arbeiten möchte.

JJ: Lisa, Österreicherinnen und Österreicher kommen mir hier nicht aus, ohne ein bisschen von ihrem schönen Land/der schönen Region zu schwärmen. Also bitte!

Lisa: Im Kaffeehaus sitzen, Klaviermusik im Hintergrund, eine Melange und einen Apfelstrudl genießen, die Zeitung lesen und mit dem Kellner ein freches Tratscherl führen – das gönn‘ ich mir, wenn ich in Wien eine Stunde Zeit habe. Ich lebe seit über fünf Jahren nicht mehr in Österreich und ich muss zugeben, ich vermisse es schon sehr.

Ich genieße es aber auch, in Deutschland zu leben und hier „die Österreicherin“ zu sein. Das gibt immer Anlass für interessante und lustige Konversationen. Aber den Wiener Schmäh kann halt keiner ersetzen 😉

JJ: Zum Schluss gehen wir mal eben auf Anfang, warst du als Kind schon die kleine Entertainerin, die Hauptdarstellerin in eigenen Aufführungen oder im Schultheater?

Lisa: Haha, Hauptdarstellerin in eigenen Aufführungen trifft es sehr gut! Ich hatte immer schon Spaß daran, etwas eigenes zu entwickeln und dann auch zu zeigen. Mit zwölf Jahren hatte ich zum Beispiel keine Scham, auf der Geburtstagsfeier meiner Mama (man bedenke, es waren nur Erwachsene anwesend) eine 30-minütige Zaubershow mit Tanzeinlage aufzuführen.

Allerdings war ich nie die Klassen-Entertainerin, dafür war ich dann wiederum zu schüchtern. Mich privat richtig zu öffnen, gelingt mir nur in kleinen Kreisen.

JJ: Und: Wann war dir klar, dass Schauspielerin dein Beruf ist, dein Plan A?

Lisa Fertner; Foto Lauri Melone

Lisa Fertner;
Foto Lauri Melone

Lisa: Plan A impliziert, es hätte eine Alternative gegeben, aber die gab es nie. Obwohl ich mittlerweile davon lebe, überwältigt mich dennoch der Gedanke, dass ich genau das tue, was ich will. Ich glaube, es gibt viele, die nicht genau wissen, was sie tun wollen – aber genau darin liegt der Schlüssel. Wenn man das herausfindet, dann bekommt man auch alles, was man will.

JJ: Danke.

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Weitere Informationen: Webseite von Lisa

Foto Startseite: Lauri Melone

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