Tanya und das Saxophon

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Tanya Bartels; Foto von Denys Kurbatov

Tanya Bartels; Foto von Denys Kurbatov

In den 80er Jahren genoss das Saxophon, zumindest in meiner Wahrnehmung, eine Glanzzeit. Fast jeder Titel, egal ob Rock, Pop oder Schlager, wurde von einem Solo dieses Instrumentes begleitet. So nahm es nicht wunder, dass damals viele Schlaumeier mit der verblüffenden Information zu glänzen wussten, dass das Saxophon trotz seines metallischen Korpus zur Familie der Holzblasinstrumente zählt, da sein Ton mit Hilfe eines Rohrblatts erzeugt wird.

Von den Erinnerungen an ein wildes Jahrzehnt und von knallhartem musikalischen Fachwissen kommen wir nun aber zu noch interessanteren Aspekten. Zu Tanya Bartels.

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Im Dialog

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Die junge Frau aus der Hauptstadt spielt Saxophon. Auf ihre Art. „Wenn ich spiele, dann singe ich ins Instrument“, beschreibt sie, „ich führe einen Dialog mit ihm, es lacht und weint, ist sexy, schwermütig oder gar aggressiv, je nach Gefühlslage. Dabei muss ich nichts in Worte fassen – wie praktisch!“ Manchmal, so kommt es Tanya vor, „schaffen wir es, uns gegenseitig zu inspirieren, als ob das Saxophon ein Lebewesen wäre, manchmal bleibt es bei der sachlichen Distanz. Wir lieben einander und sind manchmal voneinander abgeneigt, vor allem wenn wir einige Tage keinen Kontakt zueinander hatten.“

Die Entwicklung hin zu diesem, zu ihrem Stil, beschreibt die Saxophonistin so: „Zuerst lernte ich Töne zu erzeugen, und dann den Klang wie einen Edelstein zu schleifen. Abgesehen von der technischen Seite ist es wichtig, dass ich mir den Ton, der erklingen soll, erst im Kopf vorstelle oder – besser noch – mit dem inneren Ohr höre. Diese Verbindung zum Instrument muss wachsen und braucht Zeit.

Parallel beschäftigte ich mich mit den Tonabfolgen in Verbindung mit musiktheoretischen Kenntnissen und zuerst einem und später mehreren Musikstilen. Es entstand meine Musiksprache – mein persönlicher musikalischer Wortschatz. Je größer, reicher und ausgefallener er ist, desto präziser kann ich die Gedanken und Emotionen auf dem Instrument ausdrücken. Nicht wirklich bewusst übertrage ich die Art der Musiksprache, die ich früher durch die klassische Musik beim Klavier und bei der Konzertgitarre erlernt und verwendet hatte,  auf mein Saxophonspiel in Pop und Jazz – ein witziger Cocktail. 😉

Tanya Bartels; Foto von Denys Kurbatov

Tanya Bartels;
Foto von Denys Kurbatov

Innerhalb einer Band, wenn die Konstellation der Musiker gewachsen ist, entwickelt sich ein gemeinsamer Soziolekt, so würde ich es nennen (eine teaminterne Sprache). Da ich Teil verschiedener Musikprojekte bin, merke ich, dass je nach dem, mit wem ich aktuell auf der Bühne stehe, ein anderer Soziolekt gespielt wird. Diese Soziolekte mischen sich bei mir im Kopf und machen das Improvisieren am Instrument spannend.“

Von Perfektion, beziehungsweise dem Wort in Verbindung mit Musik, will sie bei allem Fortschreiten nichts wissen: „Perfektion ist nicht lebendig! Sie ist starr und passt nicht zur Kunst. Der kleine Fehler von heute bringt mich morgen in eine andere Richtung. Der Ton lebt.“

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Eine Tür weiter

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Dabei liegt es gerade bei Tanya Bartels nahe, bei der Beschreibung ihrer handwerklichen Fähigkeiten nach den Superlativen zu greifen. Wie die Luft zum Atmen war bei ihr von frühester Kindheit an ein anderes Lebenselixier ständig um sie herum. „So wie andere Eltern früh ins Büro oder in die Fabrik fuhren, gingen meine Eltern in die Musikhochschule, um zu unterrichten, und gaben zwischendurch Konzerte“, schaut die Saxophonistin zurück, „ich war von Musik umgeben, sie gehörte dazu.“

Tanya fing mit sechs Jahren an, Klavier und später Gitarre zu spielen. Parallel nahm sie Kompositionsunterricht und komponierte eigene Stücke, zudem tanzte sie als Kind in einem professionellen, international bekannten Tanzensemble. Das Fach Saxophon studierte die Allrounderin an der Universität und schloss auch als Orchesterdirigentin ab.

Bei der Auswahl des Saxophons zum Arbeitsgerät mischte, wie so oft im Leben, Gevatter Zufall die Karten. „Als ich 15 war, wollte ich mit einer Freundin schauen, welches Musikinstrument ich noch lernen könnte. Gleich hinter der ersten Tür der Querflötenlehrer war nicht da. Der Saxophonlehrer ein Zimmer weiter allerdings schon“, schaut Tanya zurück. Der Rest ist Geschichte: „Aus dem anfänglichen Hobby wurde durchs spätere Geld damit verdienen ernst.“

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Mit den eigenen Mitteln Magie schaffen

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Am Spielerischen jedoch ließ es die Musikerin nie fehlen. Es heißt wohl nicht umsonst: Instrument spielen. So war sie sich, besonders in der Kindheit und Jugend, nie sicher, wie gut sie das Handwerk beherrscht. „Manchmal sagte mir mein erster Saxophonlehrer, dass ich schon so weit bin, um beispielsweise beim bevorstehenden Konzert als Solistin aufzutreten oder sogar vom Orchester begleitet zu werden“, plaudert Tanya Bartels aus dem Nähkästchen.

Tanya Bartels; Foto von Denys Kurbatov

Tanya Bartels;
Foto von Denys Kurbatov

Wenn sie Musik hört, gelingt es ihr kaum abzuschalten. „Ich höre dabei selten auf zu denken“, stellt die Wahlberlinerin fest, „ich zerlege das Gehörte in Musikbausteine und analysiere, wie sie zusammengesetzt wurden. Und wenn ich in diesen Prozess eintauche und nicht gleich rauscodieren kann, wie das Musikstück gespielt und produziert wurde, fasziniert mich das, ich höre auf zu denken, fange an zu fühlen.“ Den Prozess, aus der Nachdenk- in die Gefühlswelt zu gehen, findet Tanya spannend: „Wenn Musiker das Publikum anstecken, dann entsteht Magie!“

Steht sie selbst mit Band auf der Bühne, „hängt vieles, was passiert, von der Stimmung der Musiker und des Publikums ab“, berichtet die Saxophonistin aus der Erfahrung, „es ist ein Geben und Nehmen. Sind die Musiker bereit, sich zu öffnen und in ihre Seele blicken zu lassen, und sind die Zuschauer bereit, sich faszinieren zu lassen, fließt es gut. Manchmal springt der Funke zwischen den Künstlern und dem Publikum nicht gleich, dann ist es mühsamer. Es ist aber immer spannend!“

Tanya Bartels mag die Stille, „mal nicht nachdenken, nicht analysieren, nichts um mich herum, nichts hören… das bringt Kraft, um Neues zu schaffen.“ Und sie ergänzt: „Vor allem, weil ich als Musikerin ständig innerlich bei der Sache bin und es so gesehen keine Feiertage und Ferien gibt.“

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Wie beim Hase und beim Igel: „Ich bin schon da!“

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Tanya Bartels;
Foto von Denys Kurbatov

Bei der Traum-Frage will die junge Frau sich zunächst nicht so richtig positionieren. „Musik war nie das, was ich unbedingt wollte, worauf ich aus war; ganz einfach weil sie immer dazu gehörte. Sie war da. In meinem Leben haben die Tatsachen stets die Wünsche überholt. Die Frage ‚habe ich einen Traum?‘, die ich mir selber auch schon stellte, kann ich deshalb nicht beantworten“, resümiert Tanya nüchtern, „vielleicht wollte ich als Teenie mal berühmt sein…“

Dann sinniert sie aber doch vor sich hin: „Eine große Tournee mit einem namhaften Musiker, das wär’s…“ Und sofort ist sie wieder da, die Realität: „Das Tourneeleben ist mit meinem Leben nicht vereinbar. Deshalb will ich da gar nicht drüber nachdenken!“

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JJ

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Weitere Informationen: Tanyas Webseite

Foto Startseite: Denys Kurbatov

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