Der Sprung

 

Laura Maria Heid, Foto @Me Chuthai

Laura Maria Heid,
Foto @Me Chuthai

Während ich mit Laura Maria Heid rede und ihr meine teils vorbereiteten, teils spontanen Fragen stelle, kristallisieren sich zwei Szenarien heraus. Entweder sie denkt so lange nach, ringt so lange um die korrekte Auflösung, dass ich ernsthaft fürchte, mein Handynetz spinnt wieder mal – oder aber sie antwortet so schnell, dass selbst modernste und filigranste Messgeräte keine Zeitspanne dafür in Zahlen beziffern könnten.

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Auch das Böse?

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Bleiben wir zunächst mal bei Letzterem: Ich erkundige mich, ob die Schauspielerin gerne verrückte (also total verrückte), abartige, kriminelle, zu tiefst unmoralische Figuren verkörpern möchte. Und ich nenne Beispiele, muss bei einigen davon lange überlegen, ob ich sie ausspreche, so widern mich die Gedanken an manche Gestalten an. Serienmörder, KZ-Aufseher…

In ihrem Beruf fühlt sich Laura dadurch erst so richtig herausgefordert, es löst eher Neugier bei ihr aus, „wertfrei den Menschen zu betrachten“. Wie ein Mittelstürmer vielleicht, der dahin geht, wo es weh tut, weil da die Tore geschossen werden. „Ja, ja, ja!… das ist die Herausforderung“, bestätigt sie wie aus der Pistole geschossen, „ich möchte die gesamte Faszination Mensch zeigen, mit all ihren biopsychosozialen Fragestellungen – wie, wer, warum, warum nicht…“ Irgendwie will die junge Frau „selbst solche Figuren mögen“ und sie mit Leben füllen – nachvollziehbar, verständlich, mit allen Facetten. „Darin besteht das Spannende an meinem Beruf“, fasst sie zusammen.

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Goethe, Schiller…?

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Da ich in der Vita der Berlinerin keine Theaterengagements für die ganz großen Klassiker finde, hake ich nach. War die Möglichkeit noch nicht da oder hat Laura keinen Bock darauf? „Doch, doch, doch“, sprudelt es aus ihr so schnell wie entschieden, „unglaublich gerne, die Bühne hat ihren eigenen, einen ganz speziellen Reiz“. Sie habe „Respekt vor den klassischen Stücken“ und gleichsam „nur bedingt Einfluss“ wo sie wie besetzt wird. Die Zuversicht ist da – und ob ihrer Jugend plausibel: „Das kommt noch!“

Laura Maria Heidt; Foto @Me Chuthai

Laura; Foto @Me Chuthai

Bei all dem bereits Beschriebenen klingt Laura Maria Heids ganz persönliche Faszination Schauspielberuf schon durch. „Ich möchte eine Geschichte erzählen, die Zuschauer berühren und auf eine Reise in eine ganz andere Lebenswirklichkeit mitnehmen – und ich freue mich, wenn sie dadurch vielleicht ein kleines Stück freier werden“, erklärt sie mir. Wohl deshalb gibt es in ihrem Schauspielerinnentraum nicht die EINE Rolle und sie rückt meine diesbezügliche Frage zurecht: „Jede Person, jede Figur, hat ihr eigenes Mysterium.“

„Wenn schon Traum“, fügt die 1,66 Meter Frau mit den braunen Augen hinzu, „und da bin ich wirklich tief im Land der Träume, dann ein Mal mit Meryl Streep spielen. Ich hatte für einen Berlinale-Talk Karten und habe sie live erlebt, ihre Präsenz, Ausstrahlung und Persönlichkeit. Sie ist eine Inspiration. Die Begegnung war mein Highlight.“

Ebenso wie Laura diese Achtung vor Meryl Streep mit vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen teilt, ist ihr Weg zum Beruf einerseits sehr ähnlich und andererseits komplett anders. Individuell eben.

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Medizin, Schauspiel…?

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„Auf die Bühne fand ich durch den Tanz“, schaut sie zurück, „als Kind schon wollte und musste ich mich ausdrücken.“ Die Studien- und Zukunftsoptionen Medizin oder Schauspiel trug die damals frisch gebackene Abiturientin im Gepäck, als sie für einige Monate nach Indien reiste. Zudem die Autobiografie von Schauspieler Hilmar Thate „Neulich, als ich noch Kind war“.

„In dem Buch habe ich mich wieder erkannt. Es sorgte tatsächlich irgendwie für den letztlichen Ausschlag“, erkennt Laura im Nachhinein, „ich wollte mir selbst etwas beweisen. Der Entschluss, in Richtung Schauspiel zu gehen, war ein bisschen auch eine Rebellion in mir.“

Laura Maria Heid, Foto @Me Chuthai

Laura, Foto @Me Chuthai

Das Studium später charakterisiert sie als „intensive Zeit“ und hält es „gut für jeden“, weil man „sich selbst kennen lernt“. Und auch, wenn sie sich manchmal die Frage stellte: „Was mache ich hier eigentlich?“ (beispielsweise die Farbe blau darstellen), bezeichnet die mittlerweile fleißige Schauspielerin (beispielsweise SOKO München und Köln, Notruf Hafenkante, Sankt Maik, Letzte Spur Berlin, Danni Lowinski – Halloween oder Sechse kommen durch die ganze Welt) die Zeit als „generell richtig“ und hat sich das raus gegriffen, was ihr hilft.

Steht Laura vor der Kamera und der Regisseur sagt sein „Bitte“, folgen die Momente, die zwar lediglich den kleinsten Teil der Arbeit ausmachen und doch die fantastischsten und aufregendsten überhaupt sind. „Ich springe!“, sagt sie zu mir so überzeugend und lebendig, dass ich denke, sie springt gerade tatsächlich irgendwo hin.

„Ins kalte Wasser“, präzisiert die Schauspielerin, „vorher stelle ich mir Fragen zu der Figur, zu ihrer Geschichte, zu dem was sie gerne im Leben erreichen würde, über das was sie von den anderen Figuren will, kreiere viele Bilder… dann kommt das ‚Bitte‘ und in dem Moment muss ich das alles loslassen und mit dem was dann übrig bleibt (also von der Vorbereitung), agiere ich als Figur in dem speziellen Raum, der durch das Set und die anderen Figuren kreiert wird.“

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Arbeit oder pures Vergnügen…?

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… diese Frage stelle ich zuerst mir selbst, dann reiche ich sie an Laura Maria Heid weiter. Wenn sie zu solch einem Dreh fährt, gefahren wird, läuft… was auch immer… fühlt sie sich dann als ginge sie zur Arbeit?

Den Vergleich zu einem Menschen, der zu seinem Bürojob geht, kann sie nicht antreten, das schiebt die Schauspielerin gleich vor: „Ich habe noch nicht im Büro oder am Band gearbeitet.“ Für ihren Job sei das „ganz unterschiedlich, es kommt drauf an, was gedreht wird, wie früh es ist…“ Auf jeden Fall aber fühlt sie sich „gut… aufgeregt… gespannt“, und präzisiert: „Vor dem Dreh liegt eine recht isolierte Phase der Vorbereitung, in der ich immer wieder scheitere und über dieses Scheitern nach vorne und der Figur ein Stückchen näher komme, sie für mich entdecke und zum Leben erwecke. So wie ich haben sich meine Kollegen und alle anderen Departments vorbereitet und am Set kommen diese ganzen Vorbereitungen dann plötzlich zusammen, verbinden sich miteinander und werden eine einheitliche Kraft. Und das ist schon sehr aufregend und spannend und irgendwie faszinierend.“

Laura Maria Heid, Foto @Rafael Poschmann

Laura, Foto @Rafael Poschmann

Mit wem Laura da vor der Kamera steht, ob prominente Kollegin und Star oder Anfänger, spielt für sie nicht die große Rolle. „Aufregend ist es so und so, wir sitzen im gleichen Boot, agieren zusammen“, relativiert sie gelassen.

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Prinzessin oder Rebellin?

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Wie der Zufall es wollte – und wohl auch nur er es einrichten kann – strahlte die ARD kurz vor meinem Gespräch mit Laura den Märchenfilm aus dem Jahr 2014 „Sechse kommen durch die ganze Welt“ aus, in dem sie die Prinzessin Ella spielte. Da ich in meiner Kindheit abwechselnd Robin Hood oder einer der Musketiere war, interessiert mich, ob für die junge Frau ein Mädchentraum wahr wurde: Einmal die Prinzessin sein!?

„Ich war überrascht über das Angebot“, erinnert sie sich, „bis dahin wurde ich ganz anders besetzt, mehr als die Coole, die Taffe, obwohl ich mich selbst nicht so sehe. Ich empfinde mich eher als verquirlt… und war als Kind eher der Pirat.“ Aber egal, genau das macht für die Schauspielerin ihren Beruf aus: „Ich zeige immer Facetten von mir selber“.

Den Begriff Klischee, der in solchen Situationen gerne mal aufkommt, sieht Laura in ihrem eigenen Licht. „Es ist ein schwieriges Wort“, befindet sie, „ich nenne es Typbesetzung. Und gerade zu Beginn der Karriere ist das gar nicht so schlecht und völlig normal. Ich stelle mich da nicht gegen, arbeite meine Rollen aus und stelle fest, dass eh alle unterschiedlich sind, Klischee oder nicht.“

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Großer Teil vom Leben oder alles?

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Da die Berlinerin mit der Schweizer Staatsbürgerschaft derart leidenschaftlich von ihrem Beruf spricht und ihn genauso leidenschaftlich lebt, da sie in den letzten Jahren vor vielen Kameras und auf einigen Bühnen stand, bleibt die Frage, ob da noch mehr ist, ob das Schauspiel ein großer oder der einzige Teil des Lebens ist? Dumme Frage? Ja!

Laura studiert Psychologie (deshalb vielleicht denkt sie vor ihren Antworten manchmal lange nach) ;-). Sie gestaltet mit ihrer Freundin und Kollegin Alissa Wilms den Blog http://www.ella-flora.com/ und ernährt sich seit Jahren – da horche ich auf – vegan. „Das mache ich sehr unaufgeregt“, stellt sie klar, dass sie nicht als belehrende Missionarin unterwegs ist.

Laura Maria Heid, Foto @Mo Jäger

Laura, Foto @Mo Jäger

Sicher gibt es noch viele weitere Facetten im Leben der Laura Maria Heid – und das ist gut so. Denn daraus schöpft sie, außer aus erlernten Techniken und ganz viel Talent, wenn sie in Rollen schlüpft, Menschen darstellt wie sie sind, wenn sie sich in oder außerhalb von Klischees oder Typen oder was auch immer bewegt und dabei ihre Zuschauer mitnimmt in andere Welten. Oft merken diese Zuschauer, zum Beispiel ich, dann nicht mehr, dass das alles Spiel ist. Es ist einfach zu echt. Und darum geht es.

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JJ.

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Weitere Informationen: Lauras Agenturprofil und facebook Seite von Laura oder Laura auf Instagram

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Foto Startseite: @Me Chuthai

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