Die lange Liste

Moritz Lehmann; Fotograf

Moritz Lehmann stand schon vor Fernseh- und Filmkameras und auf Theaterbühnen. Er absolvierte eine Schauspielausbildung und vertieft das erlernte Handwerk durch die Teilnahme an Workshops.

Der mittlerweile in Berlin lebende, 1,84 große junge Mann ist sportlich unterwegs (unter anderem Aikido, Bergsteigen, Mountainbike, Reiten, Snowboard). Außer seiner Muttersprache spricht er fließend Englisch und Spanisch.

Genaueres erzählt er uns hier und jetzt. Außerdem schaut Moritz in die Zukunft und beantwortet die Frage der Fragen an einen Vertreter seines Berufsstandes:

.

„Die wohl größte Frage, die uns gestellt werden kann“

.

JJ: Moritz, warst du tatsächlich längere Zeit in Südamerika? Wenn ja, erzähle mal einfach darauf los, was wichtig war und noch ist in dem Zusammenhang.

Moritz Lehmann: Ich war tatsächlich 2014-15 für circa sieben Monate in Südamerika. Ein Freund meinte damals in der Schauspielschule zu mir: „Wenn du abgeschlossen hast, gehst du erstmal Vorsprechen und schaust, dass du irgendwo unterkommst.“

Und da wurde mir klar, wenn ich jetzt nicht nochmal abhau, mach ich´s nie. Also hab ich mir einen Reiserucksack gekauft, ein paar Wochen später einen Flug nach Mexico City gebucht und bin los.

Rückblickend war die Reise für mich essenziell wichtig. Ich betrachte sie als die Reise vom Jungen zum Mann. So viele Monate, so weit weg von meiner Comfortzone, meinem Zuhause, hat mich viele Dinge gelehrt und mir gezeigt, wer ich wirklich bin. Dort ist mir zum Beispiel auch klar geworden, dass ich – wenn ich zurückkomme – nicht in München bleiben kann, sondern nach Berlin ziehen muss.

Auch beruflich hat mir das Spanisch, das ich dort perfektioniert habe, einige Türen geöffnet. So durfte ich den Latinojungen Krel, die Hauptrolle in „3 Below“ von Guillermo del Toro, (auf Netflix) synchronisieren. Nicht, weil ich so ein erfahrener Synchronsprecher war, sondern weil ich den spanischen Akzent so gut nachahmen konnte.

Und seit 1,5 Jahren werde ich auch von einer großartigen spanischen Agentur auf dem dortigen Markt vertreten. Das alles wäre ohne meine Reise vermutlich nie passiert.

JJ: „Sprachen sprechen bedeutet, dass Türen aufgehen“, sagst du. Einfach nur, weil du mit Menschen aus anderen Ländern  kommunizieren kannst – oder  steckt mehr dahinter, ein tieferer Sinn?

Moritz Lehmann, Fotograf Nils Schwarz

Moritz: Ein tieferer Sinn steckt in dem Sinne dahinter, dass ich nicht nur mit der Bildungselite (Englisch) sprechen kann, sondern mich mit der Kultur und den Menschen eines ganzen Landes auseinandersetzen und unterhalten kann, mit der spanischen Sprache sogar eines ganzen Kontinentes. Und klar, da gehen in vielerlei Hinsicht Türen auf.  

JJ: Warum bist du Schauspieler?

Moritz: Die wohl größte Frage, die uns gestellt werden kann. Ich bin Schauspieler, weil ich glaube, dass ich aufgrund meiner Lebenserfahrung, meines Mutes und meines Wesens Menschen inspirieren kann. Und das Medium Film (und Bühne) finde ich für mich am passendsten.

JJ: Wann war der Moment, in dem du sagtest: „Ich bin Schauspieler!“
 
Moritz: Das hat lange gedauert, am Anfang habe ich immer gesagt, ich möchte mal Schauspieler werden, oder ich studiere Schauspiel. Und irgendwann meinte eine Freundin zu mir: „Du bist doch schon längst im Beruf. Verdienst Geld und machst alles mögliche in dem Bereich. Nur weil du keinen offiziellen Abschluss hast, bist du doch trotzdem Schauspieler.“

Und da hat es KLICK gemacht und seitdem bezeichne ich mich als Schauspieler, das ist circa vier Jahre her. Natürlich war ich davor auch schon Schauspieler…

Der Gedanke, dass ich den Beruf mal ausüben möchte, kam allerdings schon mit zwölf. Oder erst? 😊

JJ: Moritz, wie fühlst du dich, was denkst du, wer bist du, wenn die Kamera läuft, das Mikrofon an und dein Einsatz gekommen ist?

Moritz: Im besten Fall höre ich einfach nur zu. Ich komme ans Set, bin vorbereitet, glaube an mich und bin durchlässig. Diese Erfahrung durfte ich beim Weihnachtsmärchen „Die Galoschen des Glücks“ machen. Dort waren alle so professionell, dass ich das Gefühl hatte, ich arbeite gar nicht, die anderen machen die ganze Arbeit.

Das ist dann quasi wie Surfen. Meine Kollegen sind die Welle und ich surfe. Ich bin dann eine Mischung aus der Rolle, mir selbst und meinen Kollegen.

JJ: Wie findest du in eine Szene, in eine Rolle, wann beginnt der Prozess? Reicht dann, am Tag des Drehs, ein Fingerschnipps und du bist drin?

Moritz: Also beim Drehen ist die Vorarbeit das Wichtigste, weil du ja im Gegensatz zum Theater nur wenig bis keine Probenzeit hast. Zuerst lese ich. Alles, was ich an Material erhalten habe, viele Male. Damit mir nichts entgeht.

Dann eigne ich mir den Text an, forme ihn um, wie die Rolle ihn spielen würde, wenn ich besetzt bin. Ich will mir die Rolle ja zu eigen machen. Das Wichtigste ist für mich, dass es authentisch ist. Und in diesem Prozess imaginiere ich immer wieder bewusst oder unbewusst, was die Rolle denkt, wie sie sich fühlt.

Ich versuche, den Film vor meinem inneren Auge zu sehen. Und lasse dann am Ende alles wieder los, damit ich flexibel bleibe.

JJ: Wie schnell bist du wieder raus?
 
Moritz: Je nach Intensität der Szene geht das recht schnell. Vielleicht brauche ich manchmal noch ein bis zwei Minuten, aber das passiert sehr selten. Ich würde mich als einen emotional und psychisch sehr aufgeräumten Menschen bezeichnen.

Moritz Lehmann; Fotograf Nils Schwarz

Wenn ich also eine Szene spiele, in der ich beispielsweise einen Zusammenbruch erleide und auf einmal kommt ein Gedanke aus meiner Vergangenheit, den ich nutzen kann, nutze ich den gerne. Aber ich suhle mich dann nicht darin und sobald der Take im Kasten ist, steige ich eigentlich aus der Rolle aus. Ich spare mir am Set unglaublich viel Energie, wenn ich nicht durchgehend in der Rolle bin, sondern nur, wenn wir wirklich drehen.

JJ: Wie entscheidend sind – direkt während des Drehs und auch im Vorfeld – die Schauspielkollegen (Kolleginnen) für dich, was machen sie mit dir (in dir)?

Moritz: Die Kolleginnen und Kollegen sind sehr entscheidend für mich. Ich recherchiere im Vorfeld meistens, mit wem ich spiele, um zu sehen, ob mir das Spiel und der Mensch zusagen.

Das ist natürlich in ein paar Minuten (Showreelgucken) nicht wirklich möglich, aber es gibt mir eine Idee, wie die Kollegin sein könnte oder wie der Kollege seine Rolle spielen würde. Ich liebe es, wenn meine Kollegen/Kolleginnen so motiviert sind, dass man bereit ist, zusammen ein paar Mal den Text durchzugehen und ein bisschen für sich zu sprechen und zu spielen.

JJ: Wie wichtig sind Schauspielschule, Workshops oder auch Gesangsunterricht für dich, Moritz? Und: helfen dir deine sportlichen Aktivitäten, beispielsweise ein besseres Körpergefühl für den Schauspielberuf zu bekommen?
 
Moritz: Aus meiner Erfahrung ist es sehr wichtig, gute Lehrer oder Mentoren zu haben, die meine Fähigkeiten erkennen und schärfen. Die Stimme und mein Körper sind mein Instrument als Schauspieler, also versuche ich, fit und bereit zu bleiben.

Moritz Lehmann; Fotograf Nils Schwarz

Manchmal neige ich beim Sport ein bisschen zum Extremen, was eher suboptimal ist. Wenn beim Gleitschirmfliegen, Snowboarden, Wellensurfen oder beim Motorrad fahren etwas passiert, dann war´s das mit dem Beruf. Das ist mir klar geworden, als ich mir letztes Jahr bei einem Rückwärtssalto beim Snowboarden das Schultergelenk zerlegt habe. Ich musste operiert werden und bin zwei bis drei Monate beruflich ausgefallen (was nicht wirklich schlimm war, weil eine Woche nach der OP die erste Corona-Welle Europa heimgesucht hat).

Aber mir ist bewusst geworden: Du hast nur diesen einen Körper, Ersatzteile gibt es nicht. Gott sei Dank hat sich meine Schulter wieder perfekt erholt. Aber um zurückzukommen auf die Frage: Dadurch, dass ich körperlich fit bin und motorisch ein gutes Feingefühl habe, fällt es mir sehr leicht, mir Fähigkeiten wie Reiten schnell anzueignen und auf ein filmtaugliches Niveau zu bringen.

JJ: Wenn ich richtig informiert bin, warst du von 2012 bis 2018 am Regensburger Stadttheater, den Münchner Kammerspielen und am Schauspielhaus Salzburg aktiv. Macht dir die Arbeit am Theater mehr, weniger oder anders Spaß?

Moritz: Netterweise hat irgendjemand einen Wikipedia-Eintrag für mich erstellt, allerdings ist diese Information falsch. Ich war lediglich das Jahr nach dem Abitur in Regensburg am Stadttheater im Jugendclub. Davor war ich zwei Jahre an den Münchner Kammerspielen im JC und nach meiner Zeit in Regensburg bin ich für ein Jahr nach Salzburg auf die Schauspielschule am Schauspielhaus Salzburg gegangen.

Ich finde die Arbeit am Theater toll und habe ja auch insgesamt knapp 40 Mal vorgesprochen an staatlichen Schauspielschulen. Es hat am Ende immer ganz knapp nicht gereicht. Und da ich eh immer zum Film wollte und Berlin für mich offen war und ich dann auch recht schnell meine erste Schauspielagentur gefunden habe, habe ich Theater erstmal ad acta gelegt.

Allerdings steht ein Theaterstück auf einer tollen Bühne noch auf meiner Bucket-List. Das kommt, wenn es kommen soll.

JJ: Egal ob Theater oder Film/Fernsehen – was, wen, mit wem, wo möchtest du, wenn die Wunschfee daher kommt und die Dinge richtet, gerne mal spielen?

Moritz: Oh, diese Liste ist lang. Ein großer Traum wäre es natürlich, in einem Tarantino-Film mitzuspielen. Auch der Nichtraucher aus „Das fliegende Klassenzimmer“ reizt mich sehr.

Meinen absoluten Schauspielertraum (Ein deutscher Roman) verrate ich allerdings gerade noch nicht, weil er in naher Zukunft gedreht wird und die Chancen gar nicht schlecht stehen, dass ich gecastet werde. Aber noch ist das alles Träumerei.

JJ: Was liegt demnächst schauspielerisch an, Moritz?

Moritz Lehmann; Fotograf Nils Schwarz

Moritz: Ich habe das letzte Jahr genutzt, um mich nochmal gut vorzubereiten und mich zu positionieren. Nachdem ich neue Fotos gemacht habe, wurde ich direkt zu einem sehr schönen Netflix-Casting eingeladen, bei dem jetzt gerade die Entscheidung aussteht. Es geht auf jeden Fall bald wieder los…

JJ: Danke. 

Moritz: Danke dir für das Interview!

Weitere Informationen: https://www.moritzlehmann.com/
https://www.gwisdek-die-agentur.de/
https://www.decara-actores.com/

Fotos: Ganz oben Urban Ruths, alle anderen Nils Schwarz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*