Die Kapitänin und ihr(e) Wasserburg

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Als am 20. Januar die Mädels der Eisvögel USC Freiburg gegen die vom TSV 1880 Wasserburg in der Damen Basketball Bundesliga mit 76:84 Punkten unterlagen, zitierte die Badische Zeitung die Einschätzung der Freiburger Trainerin Hanna Ballhaus so: „Sie ist die absolute Gewinnerin der Partie“. Gemeint war die Wasserburger Kapitänin Svenja Brunckhorst. Sie hatte insgesamt 17 Punkte erzielt, sieben davon im Schlussabschnitt in Folge und ihr Dreier zum 71:63 kam einer Vorentscheidung gleich.

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Verantwortung

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Grund genug, mal nachzufragen, wie die Akteurin selbst das empfand. Direkt während des Matches. „Ich lebe im Spiel von Emotionen“, beschreibt die 1,79 Meter große Frau die Situation, „und habe natürlich mitbekommen, dass es eng wird. Da muss ich ein Zeichen setzen, die Initiative an mich reißen!“

Svenja Brunckhorst, Foto Gabi Hörndl

Svenja Brunckhorst,
Foto Gabi Hörndl

Dass sie als Kapitänin aufläuft, ist für Svenja nicht entscheidend dafür, dass sie Verantwortung übernimmt. „Als ich die Binde übernahm, war ich schon länger im Verein“, blickt sie zurück, „das lag dann nahe. Ich fühle mich wohl in der Gruppe und übernehme gerne Verantwortung. Das Amt ist für mich eine Ehre. Ich versuche dadurch schon, anders an die Saison und jedes einzelne Spiel heranzugehen.“ Unterm Strich bleibt wohl die Erkenntnis, dass die in Rotenburg an der Wümme geborene engagierte Frau nicht so auftritt wie sie auftritt, weil sie Kapitänin ist, sondern genau umgekehrt. Sie kam ins Amt, weil sie so ist wie sie ist.

Begonnen hat der ganze Spaß am Basketballsport natürlich deutlich früher. „Als ich sechs Jahre jung war, wohnte neben uns ein gleichaltriges Mädchen und ihr Vater war Basketballcoach. Ich ging mit zum Training“, schaut Svenja zurück auf eine einfach nur schöne und spannende, nie langweilige Zeit. „Dass Basketball zudem noch sehr komplex ist sowie auf Grund der vielen komplizierten Regeln und für den Laien oft undurchsichtigen Schiedsrichterentscheidungen hochinteressant, erkannte ich natürlich erst viel später“, fügt sie hinzu, „… was da in ein paar Sekunden alles passieren kann…“

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Eins und Zwei

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„In den letzten Jahren hat sich ergeben, dass ich mehr auf der Flügelposition (die Zwei) auflaufe“, beschreibt die Nationalspielerin ihre Position und ergänzt: „Immer wieder mal, wenn ich beispielsweise näher zur Centerposition stehe, übernehme ich auch den Aufbau (die Eins). Es kommt aufs Spiel und die Situation an. Wenn ich fühle oder merke, dass es notwendig ist, organisiere ich gerne.“

So auch in Wasserburg, ihrem ersten und inzwischen wieder aktuellen und langjährigen Verein. An der Truppe, die sich für die laufende Saison 2018/2019 zusammengefunden hat, freut die Kapitänin besonders, dass sechs deutsche Akteurinnen an Bord sind – und nicht nur als Passagiere. „In vergangenen Jahren waren das öfter nur ein oder zwei“, erinnert sie sich an andere Zeiten und kommt aus dem Schwärmen nicht heraus, wenn sie beispielsweise von den jungen Kolleginnen wie Leonie Fiebich („Ausnahmetalent“) oder Sophie Marie Perner erzählt, ebenso wie von den anderen Mädels. „Das ist die größte positive Entwicklung“, schätzt Svenja ein.

Einmal im Flow, lobt sie die „sehr guten Ausländerinnen“ im Team, wie “ die Scorermaschine Jennifer Ann Schlott“ oder (wieder nur als ein Beispiel) die Slowenin Tina Jakovina („sie hat einen super Charakter“) und mag den „bunten Haufen“. Reserven in der Mannschaft erkennt die Flügelspielerin in der Beständigkeit. „Es fehlt insgesamt an Erfahrung“, fasst sie zusammen, „das sehr junge Team bringt sein Potenzial noch nicht für die vollen 40 Minuten auf den Platz. Daran müssen wir arbeiten.“

Das Team um das Team, den gesamten Verein, empfindet Svenja als nach wie vor sehr familiär geprägt. „Viel wird im Ehrenamt erledigt“, lobt sie „viele Helfer, die sich toll engagieren“ und blickt gleichwohl nach vorne: „Der Weg zur Professionalität ist noch offen.“

Als nicht minder wichtig schildert die Spielerin die Fans. „Der Fanclub Wasserburger Lions e.V. verwandelt in Heimspielen die Sporthalle regelmäßig in die Rote Hölle des Südens“, schildert sie die Geschehnisse in der Stadt am Flüsschen Inn, „es kann sehr laut werden und wenn es darauf ankommt, sind sie da. Einige Hardcore Fans sind auch auswärts dabei, während der Playoffs beispielsweise oder wenn wir beim TOP 4 Turnier aktiv sind.“

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Basketballverrückt

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Die ganze Stadt scheint, so wie Svenja Brunckhorst schwärmt, ein wenig basketballverrückt zu sein. „Die Resonanz ist groß“, sagt sie, „man kennt sich; wenn ich montags durch die Innenstadt laufe, werde ich angesprochen auf das Spiel, die Leute lieben uns Basketballerinnen.“

Kein Wunder – elf Mal holten die Mädels den Meistertitel in den oberbayrischen Ort. Sieben Mal war Svenja dabei. „Während der ersten beiden Meisterschaften stand ich allerdings nicht oft auf dem Feld“, relativiert sie fairerweise, „da war ich eher Zuschauerin von der Bank, ich war sehr jung und musste mich entwickeln.“ Das Gefühl des Triumphes beschreibt die Sportlerin nichtsdestotrotz als „unglaublich“ und ergänzt: „Je größer mit der Zeit mein Anteil wurde, um so schöner war natürlich mein Gefühl. Jede Meisterschaft hatte ihre ganz speziellen Highlights. Dafür, für dieses geile Gefühl, arbeiten wir. Gerne wieder!“

Svenja Brunckhorst, Foto Gabi Hörndl

Svenja Brunckhorst,
Foto Gabi Hörndl

Über die Einsätze in der deutschen ersten Liga hinaus sammelte die Wasserburgerin reichlich internationale Erfahrung – als Kapitänin des Nationalteams, in europäischen Vereinswettbewerben sowie in der französischen und spanischen ersten Liga. Besonders in unserem direkten westlichen Nachbarland erlebte Svenja Brunckhorst ganz, ganz andere Strukturen als hierzulande. „Wahnsinn“, benennt sie die Verhältnisse im Damen-Basketball dort: „Vier bis fünftausend Leute sind in oft reinen Basketballhallen, das öffentliche Interesse ist ein ganz anderes, das Fernsehen berichtet. Wir reisten einen Tag vorher an, übernachteten in guten Hotels… Natürlich ist, wenn die Halle nur unserem Sport zur Verfügung steht, auch die Trainingsplanung viel einfacher. Und professioneller.“

So entstehen vorteilhaftere Kreisläufe. Mehr Zuschauer = mehr Sponsoren = mehr Geld = professionellere Bedingungen = bessere Teams = ansehnlichere Spiele = mehr Zuschauer… und so weiter.

In der Sackgasse sieht Svenja den hießigen Basketball deshalb nicht. „Wir können da hin kommen“, hofft sie, „die U18-Mädchen des Deutschen Basketball Bundes wurden 2018 Europameister! Das ist vielversprechend. Wir können eine Adresse auf unserem Kontinent werden. Die Nationalteams sind nun mal das Zugpferd für den jeweiligen Sport im Land. Wenn unsere Liga interessanter wird, wird sie auch interessanter für Spitzenspielerinnen aus dem Ausland…“

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Intermezzo

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Zwischenzeitlich – in der Saison 2011/12 – lief die Flügelspielerin für den USC Freiburg auf. „Seitdem habe ich für die Stadt und den Verein große Sympathie“, denkt sie gerne zurück, „nach wie vor habe ich in das Umfeld und zu Spielerinnen von damals regelmäßigen Kontakt. Die Zeit sehe ich als großen Teil meiner Karriere, auch dank des damaligen Trainers und jetzigen sportlichen Leiters Harald Janson.“

So schließt sich der Kreis. Als am 20. Januar die Mädels vom TSV 1880 Wasserburg in der Damen Basketball Bundesliga die Eisvögel USC Freiburg mit 84:76 Punkten nach Hause schickten, avancierte Svenja Brunckhorst zur Matchwinnerin. Für ihren Verein und gegen einen sympathischen Ex-Verein. So ist Basketball. So ist Sport.

JJ

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Weitere Informationen: Svenja auf der Webseite ihres Vereins

Foto Startseite: Gabi Hörndl

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