Spaß am Spielen

 

Yvonne Ernicke ist mir als Schauspielerin zum ersten Mal bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ aufgefallen. Als Sekretärin von Bösewicht Jo Gerner spielt sie eine Lady – seriös, kultiviert, stilvoll​; lässt aber auch mal die Korken knallen​. In der Teenie Serie „Spotlight“ verkörpert sie eine Deutschlehrerin, wieder streng, mit Brille, eher konservativ, und manchmal etwas komisch.

Dann auf Instagram begegnet mir eine andere Yvonne – natürlich, locker, stets ein Lächeln im Gesicht, sogar mit Fünfziger-Jahre Kleid und Rockabilly-Tolle! Spielt sie die Strenge nur, oder ist sie auch so? 

Yvonne Ernicke; Foto Quelle ten4you

Yvonne Ernicke;
Foto von Alexander Rentsch

„Oft spiele ich Rollen, die recht streng und distanziert sind. Wenn ich als Schauspielerin ans Set gehe, dann komme ich meistens direkt in der Rolle, spiele also schon. Das wissen viele Menschen nicht und denken, dass ich in Wirklichkeit so streng oder distanziert bin“, plaudert die Berlinerin aus dem Nähkästchen​, „​wenn die Aufnahmen vorbei sind oder das Casting gelaufen ist, bin ich wieder ganz ich und verblüffe viele damit, dass ich albern, locker und offen bin. Danach setze ich mich auf mein Fahrrad und trällere laut los. Einige denken dann: ‚Das ist echt dieselbe Person?‘ Lustig.“​ ​Menschen zu verblüffen, scheint ihr Spaß zu machen.

Ob Yvonne wohl als Kind schon die kleine Schauspielerin war? Die in der Mitte des Kreises mit der Haarbürste als Mikrofon auf Mamas Küchentisch​ tanzte? Und was mag sie sonst so getrieben haben? Hat sie – wie viele Mädels – Tiere gerettet? Ich frage nach:

„Meine Mama und ich haben in meiner Kindheit tatsächlich verwahrloste Katzen ​von der Straße aufgesammelt und aufgepäppelt, ​​eine Zeit lang sah es bei uns aus wie im Zoo. Seitdem habe ich zu Katzen eine echt enge Verbindung. ​Klingt jetzt komisch, aber i​n bestimmten Stimmungen kann ich nicht mit Worten antworten,​ sondern eher mit… schnurren, ​mauzen ​quietschen​, knurren​… Ich kann da sehr kreativ sein.​“

Und die kleine Schauspielerin???

„Als Kind habe ich versucht, Menschen zum Lachen zu bringen, habe getanzt, gesungen​, gespielt. Einfach​,​ ​weil es Spaß macht. Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie, in der Kunst nicht wirklich im alltäglichen Mittelpunkt stand​. Aber meine Mutter hat mich immer unterstützt. Letztlich hat m​i​r​ der Tanz den Weg auf die Bühne geöffnet.“

Wann war dir dann klar, Yvonne, dass Ernst aus dem Spiel werden kann, ​vielleicht sogar ​ein Beruf?

„Ich ​wollte schon ziemlich früh ​Schauspielerin, Tänzerin, Musikerin​ werden… und ich wusste, dass ​neben Talent auch ​viel Arbeit dazu gehört – viel Schweiß! Michael Jackson​ war mein Kindheitsidol. Als ich acht… neun… Jahre alt war, wollte ich tanzen wie er und übte jede Drehung, jede Geste, bis sie saß.

Dass ​aus dem Spielen und Performen ein Beruf​ ​werden könnte, ​merkte ich ​also recht früh und war schon ziemlich selbständig. Als Neunjährige​ war ich schon am Theater und lernte ​mit Erwachsenen, wie man spielt und mit dem Körper auf der Bühne umgeht. Das war so elektrisierend.

Als ich zwölf Jahre war, sah ich mich zum ersten Mal in Berlin nach Casting-Agenturen um​. Da gab´s noch kein Internet, also hieß es Telefonbücher durchsuchen, Leute fragen und Straßen ablaufen. Erst danach kamen die Ausbildungen. Öhm, einige. Ich glaub, ich bin ein Ausbildungsjunkie.“

Yvonne Ernicke; Foto Quelle ten4you

Yvonne Ernicke;
Foto: Alexander Rentsch

​Yvonne macht ​neben Gesangs-Tanz​- und Schauspielausbildung auch einen Hochschulabschluss in Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft​, eine Ausbildung zur Marketingreferentin und ​danach ​eine Ausbildung zur Radio- und TV-Redakteurin​ beim ZDF. ​Ziemlich vielschichtig. ​Verzettelt man sich da nicht? Passt das alles zusammen, das Künstlerische, das Nicht-Künstlerische? 

„​Ich denke, dass die unterschiedlichen Dinge, die ich mache, irgendwie zusammengehören, weil ich gelernt habe, als Schauspielerin Menschen zu unterhalten, kann ich auch als Moderatorin oder Kommunikationscoach mitreißen. Natürlich gibt es da unterschiedliche Inhalte und Verfahren. Aber mein Körper und meine Stimme​ ​sind mein Instrument.“

Was aber geschieht ​genau dann, wenn sie – wie beschrieben – ans Set ​oder auf die Bühne ​geht und wenn der Regisseur „Bitte“ sagt? Wie viel Yvonne ist oder bleibt sie, was fühlt oder denkt die Schauspielerin?

„Zuerst muss ich bestens vorbereitet​ sein​, ​ich ​beschäftige mich lange mit ​Stück, ​Thema und Figur​. Dann am Set höre ich intensiv auf Regieanweisungen, was wo passiert und wie gedreht wird. Richtig zuhören ist dabei die wichtigste Arbeit. Natürlich bin ich aufgeregt, als würde ich auf dem Dach eines Hochhauses am Abgrund stehen. Und dann kurz vor dem ‚Bitte‘ ist alles weiß.​ Ja. Und dann springe ich! Nehme alles mit, was gerade in mir ist und lasse das in die Figur fließen. Nur so bin ich echt​ u​nd nutze d​ie gesamte Bandbreite​.​“

Yvonne beschreibt das als Prozess. Die Lady, der Spaßvogel und alles dazwischen schlummern in ihr. „Ich habe Freude an den Gegensätzen​ und ​finde es spannend, wenn meine Figur in einer Sekunde zerbrechlich und weich​, doch in der nächsten plötzlich ein starker Charakter ist.​“ ​Das erinnert irgendwie ans wirkliche Leben.

Und die Schauspielkolleginnen und Kollegen um dich herum, was machen sie mit dir, Yvonne?

„Sie sind die ​wichtigste Zutat des Ganzen, ​wir erforschen zusammen im Spiel die Figuren und testen, wie viel von unserem Eigenen in die Szene fließen kann. Genauso wie ich sind ​die anderen ja auch im Sprung. Einer inspiriert den anderen​ ​​und wir erschaffen zusammen – trotz aller Vorgaben, Texte und Anweisungen – etwas ganz Neues in diesem einen kreativen Moment. Wenn das passieren kann am Set, dann stimmt alles. Das ist Spaß am Spielen!“

Yvonne Ernicke; Foto Quelle ten4you

Yvonne Ernicke;
Foto: Alexander Rentsch

Den Schauspielerinnenberuf sieht die ​1,70 ​Frau mit den blau-grünen Augen indes deutlich weiter gefasst als jene beschriebenen Momente. „Text lernen und vor der Kamera agieren​ ist das Wenigste“, stellt sie klar, „da ist​ ​sehr viel ​Organisation, Akquise und ​​harte Arbeit drumherum​. S​o ein Leben als Künstlerin ist sehr unsicher, unstet, es gibt viel Auf und Ab, man muss durchhalten, hinfallen, aufstehen, verwerfen, neu machen und ​​echt viel​e​ Zweifel​ überstehen​…“

​Vielleicht weil ich selbst ein unverbesserlicher Träumer bin, frage ich beinahe alle Schauspieler/innen, Musiker/innen oder Sportler/innen nach ihren Träumen. Auch Yvonne:

„​Träume habe ich schon, aber nicht wie ​die Möhre vor der Nase​, sondern eher unterschwellig als Energie, die mitschwingt. Ich schätze und mag beispielsweise Nicole Kidman. Wie intensiv sie im Musicaldrama​ ‚Moulin Rouge‘ gespielt und gesungen hat, beeindruckt mich sehr. ​Sie ist sehr authentisch und wahrhaftig. ​Mit ihr gemeinsam mal spielen…​ das wär was!​“, lässt ​Yvonne sich zum träumen verleiten.

„Ein schon erfüllter Traum war ​auf jeden Fall ​die Zeit bei ​Kidmans ​Schauspiellehrerin Susan Batson in ​New York“, schwärmt sie weiter, „Susan coacht Juliette Binoche, Michael Haneke, Liv Tyler und viele Größen. Dass ich ​von ihr persönlich ein Stipendium erhielt​, hat mich sehr geehrt. Drei Monate ​lang ​durfte ich ​diese strenge, harte Schule durchlaufen,​ wurde von Hollywood-Casterin Judy Hendersen gecastet und habe neben Stars gelernt und gespielt​. Das war schon traumhaft.“

So weit, so gut, liebe Yvonne. Händelst du deinen Moderatorinnenjob ähnlich? Spielst du, bist du…? Was macht das Publikum mit dir, was machst du mit den Leuten?

Yvonne Ernicke; Foto Quelle ten4you

Yvonne Ernicke;
Foto: Alexander Rentsch

„Als Moderatorin bin ich stets ich selbst​ und schlüpfe eigentlich in​ keine Rolle. Natürlich muss ich je nach Publikum anders moderieren,​ mich der Situation anpassen,​ mehr oder weniger witzig ​oder kritisch ​sein​. Aber hier geht es nicht um mich oder meine Persönlichkeit. ​Ich mache ​in der Moderation ​die Bühne frei für ​andere ​Leute“, rückt ​sie ​die Relationen zurecht.​ „Man kann viel über Menschen erfahren und Neues lernen, wenn man anderen die Bühne überlässt.“​

Gibt’s ihn auch, den Moderatorinnentraum, hake ich nach:

„​Nicht wirklich. ​Einfach machen, Spaß haben​, Neues entdecken​“, blickt Yvonne nach vorne, „​ok, ich habe ​natürlich ​was geplant​ und i​n Arbeit, ein Konzept…“.​ Und dann​ doch ein wenig träumerisch ergänzt sie: „​Ich möchte so gerne ​Menschen​ ​verschiedener Länder vorstellen, ihre Kunst, ihr Leben​, am liebsten​ im Rahmen einer Expedition​ zu den entlegensten Winkeln der Erde…“

Auf die Frage, ob sie eine Entdeckerin ist, muss Yvonne laut lachen:

„​Klar! Dafür muss ich aber nicht ans Ende der Welt. ​Ich bin ein sehr sensitiver, sensueller Mensch und staune viel über die Schönheit im Alltag. Wenn ich einen schönen Duft wahrnehme, ein besonders ​malerisches Licht oder einen ​schönen Moment… Beispielsweise wenn in der U-Bahn eine Mutter ihr Kind nach einem Streit umarmt, mache ich ein innerliches Foto davon und bin dankbar, dass ich das erleben darf.“ ​

Das klingt sehr poetisch. Bemühst du dich, auf diese, auf deine Art, den Alltag schöner zu gestalten?

„Ich versuche es, „sagt die Schauspielerin plötzlich sehr ernst, „ich versuche weniger zu urteilen, Menschen und Dinge nicht über einen Kamm zu scheren. Positivität, Respekt und Dankbarkeit sind mir sehr wichtig. Kennst du ‚RAK – Random Act of Kindness‘? Das heißt; einfach mal was Gutes tun im Alltag; einem voll bepackten Studenten zwei riesige Müllsäcke Bierflaschen abnehmen und mit ihm zum Pfand bringen oder ’ner Oma, die ratlos am Bahnhof steht, einfach Hilfe anbieten. Das mache ich.

Ach ja, und ich bin Mitglied bei den ‚Stinknormalen Superhelden‘. Die ​begeistern ​Kids im trashigen Superhelden Kostüm​ ​für Natur und Umweltbewusstsein. Unser Boss ist ein viereinhalbjähriges Mädchen und deshalb gibt’s nur Sachen, die ​helfen und ​Spaß machen. Letztens haben wir im Tierheim Berlin Spenden abgeliefert und mit einsamen Katzen geschmust. Mein Superhelden​-​alter​-​Ego ‚Kitty KaOs‘ hat laut geschnurrt.“

Auf mich wirkt Yvonne Ernicke voller Leben, Agilität, mit breit gefächertem Spektrum. Sie ist seriös, schick, ​tiefgründig – und im nächsten Moment ausgelassen, witzig und albern. Beruflich tanzt sie auf mehreren Sälen, ​ist ​vielseitig aktiv​ und immer in Bewegung​.

​Woher nimmt sie diese Power? Muss sie sich bei dem ganzen Trubel nicht auch mal erholen? Sie verrä​t​ es uns:

„​Natürlich brauche ich auch mal Momente zum runterfahren, schalte Handy und Computer aus und gehe lange spazieren. ​​Manchmal ​bin ich ​ein bisschen verrückt, spontan und impulsiv​. D​ann wache ich zum Beispiel morgens auf und muss unbedingt ans Meer fahren, sofort. Wer da mitzieht, erlebt ganz magische Momente​. Ja, ich liebe das Meer​! Da ​muss ​ich ​mindestens zwei Mal im Jahr hin -​ ​ob Warnemünde, Polen, Thailand, New York – das ist Ankommen. ​Und klar,“ kichert die Berlinerin mit funkelnden Augen, „ich liebe gutes Essen, ​exotisch und frisch. Ich ​koche ​sehr ​​oft und esse eigentlich ​fast ​immer – überall – ​​und ​habe immer was zum Knuspern in der Tasche.​​“

Yvonne Ernicke; Foto Quelle ten4you

Yvonne Ernicke;
Foto: Alexander Rentsch

​Und dann schließt si​ch​ de​r ​Kreis unserer kleinen Geschichte über die Frau, die zunächst mit Strenge und Distanz und dann mit fröhlichem Geträller ​überrascht:

„Wenn ich in der Stimmung bin, singe ich laut – ob auf dem Fahrrad oder beim Spaziergang an der Spree… Ich fühle mich dann frei… In New York hat das niemanden gestört, hier halten mich ​Einige für verrückt – ​andere laufen mir nach und lauschen…“

Wir sind die, die lauschen 😉

JJ

Weitere Informationen: Webseite von Yvonne und Yvonne auf der Webseite ihrer Agentur

Quelle Foto Startseite:  Alexander Rentsch http://www.alexanderrentsch.com

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