Magische Momente

 

Julia Klawonn war bislang an Theatern im ganzen Land, vom äußersten Norden bis in den Süden, von West bis Ost, engagiert. Mehrere Jahre arbeitete sie fest am Mittelsächsischen Theater Freiberg.

Julia Klawonn, Foto von Chris Gonz

Julia Klawonn,
Foto von Chris Gonz

Sie spielte Rollen unter anderem in Klassikern von Gotthold Ephraim Lessing, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller oder auch Agatha Christie. Auf Grund ihrer Gesangsausbildung war Julia in Freiberg zudem mehrfach im Musiktheater besetzt.

Die Schauspielerin ist indes nicht nur im ernsten Fach zuhause, auch an der Comödie Dresden mischte sie kräftig mit. Außerdem in mehreren Filmen, für die Werbung und im Hörfunk.

Die im geschichtsträchtigen Weimar geborene 1,60 m große Frau mit den blau-grünen Augen gab sich mit all dem nicht zufrieden, absolvierte darüber hinaus zahlreiche Lesungen. Heute lesen wir. Ein Interview mit ihr:

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„So wie ein Maler oder Dichter nachts aufsteht, weil er seine Vision unbedingt zu Papier bringen muss, muss ich mich eben unbedingt auf der Bühne ausdrücken“

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JJ: Julia, du hast – aus meiner Sicht – absolute Traumrollen an Theatern gespielt, unter vielen anderen die Lady Milford in „Kabale und Liebe“, das Gretchen im „Faust“, das Schneeweißchen in „Schneeweißchen und Rosenrot“ oder die Julia in „Romeo und Julia“. Wie viel Traum war oder ist das für dich, sind das auch sowas wie die schönsten Rollen, oder klingt das nur für den Durchschnitts-Zuschauer wie mich so?

Julia Klawonn: Ja stimmt. Das war das Schöne am Festengagement an einem kleinen Stadttheater, wie Freiberg. Ich konnte sehr viele, sehr unterschiedliche Rollen spielen und mich nach Herzenslust in allen Genres ausprobieren und austoben.

Julia Klawonn, Foto von Chris Gonz

Julia Klawonn,
Foto von Chris Gonz

Meine absolute Lieblingsrolle dort war „Ich, Grete Beier, Mörderin“ ein Stück über die letzte Frau, die in Sachsen hingerichtet worden ist. Eine sehr vielschichtige, tiefgründige und leidenschaftliche Rolle. Eine Kämpferin. Es war nach vielen heiteren Blondinen- und Prinzessinen-Rollen meine erste wirkliche Charakterrolle und ein großer Wendepunkt.

Und natürlich ist das Gretchen für viele junge Schauspielerinnen eine absolute Traumrolle. Für mich, als Weimarer Kind, auch noch einmal ganz besonders. Wenn man in Weimar aufwächst, hat man schon eine sehr enge Bindung zu Goethe. Ich bin sehr froh, dass ich diese Rolle spielen durfte und auch froh, dass sie in unserer Inszenierung nicht naiv sein musste, sondern Faust auf Augenhöhe begegnen konnte.

Die Lady Milford war auch so ein Wendepunkt. Es war das erste Mal, dass ich kein Mädchen gespielt habe, sondern eine erwachsene, taffe Frau. Sie ist eine sehr starke, kluge, schillernde Persönlichkeit. Ich habe diese Rolle sehr gemocht, unglaublich viel von ihr gelernt und versucht, mir eine Scheibe von ihr abzuschneiden.

JJ: In Vorbereitung auf unser kleines Interview habe ich gelesen, dass du Ensemblemitglied an „Hoppes Hoftheater Dresden“ bist. Als ehemaliger DDR Bürger und „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ Fan hat mich das natürlich gleich hellhörig gemacht. Rolf Hoppe ist für mich seit Jahrzehnten ein genialer Schauspieler. Plaudere bitte mal aus dem Nähkästchen, welche Rollen hast du gespielt, wie ist die Atmosphäre, hast du den Meister höchstpersönlich kennengelernt?

Julia: Das Hoftheater hat eigentlich kein festes Ensemble. Die Schauspieler werden dort pro Stück engagiert. Ich habe da bis jetzt ein Stück gespielt, und zwar „Besuch bei Wilhelm Busch“. Ein Stück über den alternden Wilhelm Busch und seine Begegnung mit einer jungen Frau, die Geheimnisse aus seiner Vergangenheit aufdeckt.

Der Regisseur Helfried Schöbel, der das Hoftheater zusammen mit Rolf Hoppe gegründet hat, war mein Lehrer an der Schauspielschule. Rolf Hoppe selber habe ich noch gar nicht kennengelernt. Er dreht ja viel und ist selten da.

Seine Tochter Josephine und ihr Mann leiten das Theater inzwischen. Es ist dort immer eine herzliche, familäre Atmosphäre und die Schmalzbrote sind Kult.

JJ: Wie gerne stehst du vor der Kamera?

Julia: Bis jetzt habe ich hauptsächlich Theater gespielt und noch nicht wirklich viel Kameraerfahrung sammeln können. Aber ich würde wahnsinnig gerne mehr vor der Kamera stehen. Wie sagte neulich ein Kollege zu diesem Thema: „Das Glück kommt zu dem, der warten kann…“

JJ: Sind, egal ob Film, Fernsehen oder Bühne, noch Träume offen; welche, warum?

Julia: Oh ja, da gibt es noch einige Träume. Eine ganz große Traumrolle wäre die Eliza in „My Fair Lady“. Eine sehr facettenreiche Rolle mit einer großen Entwicklung. Von der trotzigen frechen Göre zur selbstbewussten Lady und dabei sowohl anrührend als auch sehr lustig.

Julia Klawonn, Foto von Chris Gonz

Julia Klawonn,
Foto von Chris Gonz

Ich würde sehr gerne eine Rolle spielen, in der ich fechten muss. Und für die gute Sache kämpfen… Ein weiblicher Musketier… oder eine Jeanne dÁrc…

Ich habe ja in den letzten drei Jahren hauptsächlich Komödien gespielt. Das hat großen Spaß gemacht und ich habe viel dabei gelernt. Nun würde ich aber gerne mal wieder eine ernsthafte, tiefgründige, berührende Charakterrolle spielen. Oder einen richtigen Klassiker.

JJ: Während du so da stehst, sitzt, gehst, gestikulierst und sprichst, dabei das Schneeweißchen oder eine Ärztin bist, wie viel Julia bist du in den Momenten, was fühlst und spürst du, was macht das mit dir?

Julia: Das kommt ganz auf die Rolle an. Auf manchen Rollen liegt man vom Typ her voll drauf und hat gleich einen Zugang. Mit anderen fremdelt man erst einmal.

In der Grete Beier zum Beispiel lag ganz, ganz viel von mir. Da habe ich mein ganzes Herzblut reingesteckt. Auch im Lämmchen aus „Kleiner Mann, was nun?“ steckt ganz viel von mir. So eine stille Kraft.

Es ist auch ein Glücksfall, wenn man Überzeugungen, die man selber im Leben hat und die man aber nie so formulieren könnte, plötzlich im Schutz einer Rolle sagen darf. Oder Wahrheiten aussprechen darf, die man sich im wahren Leben nie getrauen würde auszusprechen.

Das sind dann ganz magische Momente. So wie ein Maler oder Dichter nachts aufsteht, weil er seine Vision unbedingt zu Papier bringen muss, so muss ich mich eben unbedingt auf der Bühne ausdrücken und verströmen.

Es gibt auch Rollen, die einem gar nicht liegen, oder von denen man innerlich meilenweit entfernt ist. Neulich musste ich zum Beispiel eine sehr viel ältere, frustrierte, brave Hausfrau und Mutti spielen. Da gab es wirklich null Schnittmengen mit der privaten Julia. Da konnte ich erst einmal nur übers reine Handwerk ganz technisch herangehen. Erst in dem Moment, als ich die Perücke aufsetzte und das Kostüm anhatte, fing die Figur plötzlich doch an zu leben. Und ich hatte dann noch große Freude daran, jemanden zu spielen, der so völlig anders ist als ich.

JJ: Und was machen, nehmen wir mal als Beispiel eine Rolle in einer locker flockigen Komödie, gut aufgelegte Kolleginnen und Kollegen mit dir?

Julia: Ich bin ein Teamplayer und mir sind eine offene, herzliche Atmosphäre im Ensemble und gegenseitiger Respekt sehr wichtig. Je besser die Arbeitsatmosphäre, desto mehr kann man sich fallen lassen oder total aufblühen. Ein Regisseur, der seine Schauspieler liebt und ihnen vertraut, ihr Talent erkennt und sie fordert, ist wirklich ein Geschenk.

Julia Klawonn, Foto von Chris Gonz

Julia Klawonn,
Foto von Chris Gonz

Mit richtig guten und gut aufgelegten, fröhlichen Kollegen macht die Arbeit natürlich großen Spaß und man kann sich gegenseitig zu Höchstleistungen anstacheln. Da kann sich eine Vorstellung manchmal zu einem unglaublichen magischen Erlebnis hochschaukeln.

JJ: Was macht dir Spaß an Lesungen, Julia?

Julia: Das Schöne an Lesungen ist, dass es aufs Wesentliche konzentriert ist und man alles mit der Stimme ausdrücken muss. Aber mir machen Lesungen nur Spaß, wenn es ein richtig guter, spannender oder besonders lustiger Text ist.

JJ: Ich habe bei „Einer flog über das Kuckucksnest“ mit Jack Nicholson im Kino gelacht, fast geweint und musste danach erstmal ein viertel Stündchen draußen sitzen, um mich zu sammeln, bei „Dangerous Minds“ mit Michelle Pfeiffer saß ich regungslos gebannt die volle Zeit vorm Fernseher wie das Kaninchen vor der Schlange. Welche Schauspieler/innen schaffen das in welchen Filmen oder Bühnenstücken mit dir?

Julia: Nach dem Film „Gegen die Wand“ von Fatih Akin konnte ich mich damals nur schwer wieder beruhigen. Der war so intensiv und zornig und ging mir sehr nah. Im Theater ging mir das so bei „Der geteilte Himmel“ am Staatsschauspiel Dresden. Das war sehr berührend und ergreifend.

Ich mag Schauspieler, die sich weg schmeißen für eine Rolle. Im Kino finde ich Eddie Redmeyne in „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ oder Cate Blanchet in „Elisabeth“ oder Penelope Cruz in allen Almodovar Filmen faszinierend. Aber Meryl Streep ist auch immer grandios. Und Geoffrey Rush bewundere ich sehr.

Auf der Bühne beeindrucken mich die Berliner Schauspielerinnen Dagmar Manzel, Katharine Mehrling und Anika Mauer. Alle drei haben Charme, Humor und Tiefe und dazu eine unglaubliche und sehr komödiantische Bühnenpräsenz.

JJ: Julia, ich bin selten mit mir zufrieden, denke immer, das kann ich besser und will kein Lob, sondern wissen, was besser geht. Wie zufrieden, selbstkritisch, selbstbewusst bist du?

Julia: Ja, mir geht es genauso. Ich bin sehr selbstkritisch und nie zufrieden mit mir. Für mich ist eine Rolle nie fertig. Auch nach der Premiere und sogar nach der zwanzigsten Vorstellung arbeite ich noch dran. Naja, aber über Lob freue ich mich natürlich trotzdem.

JJ: Erzähle mal bitte zu guter Letzt von der kleinen Julia. Warst du schon als Kind schauspielerisch aktiv?

Julia: Als Kind war ich ein verträumter kleiner Clown. Ich hatte eine Truhe mit Kostümen, habe mich gerne verkleidet und habe mir Geschichten ausgedacht und gespielt.

So mit elf Jahren habe ich dann alte Hollywoodschinken nachgespielt (wie gesagt, ich war ein schrulliges Kind) und dachte, das wär vielleicht ein schöner Beruf. Als ich dann das erste Mal im Weimarer Theater war, hatte ich so ein Kribbeln im Bauch, so ein Gefühl von: „Da will ich hin“.

Julia Klawonn, Foto von Chris Gonz

Julia Klawonn,
Foto von Chris Gonz

In der Pubertät war ich aber leider extrem schüchtern und habe mich nicht in Theatergruppen getraut. Der Knoten ist erst geplatzt, als ich auf der Schauspielschule die „Franziska“ in Minna von Barnhelm gespielt habe. Da merkte ich: Das fühlt sich toll an. Das ist meine Bestimmung.

JJ: Danke.

Weitere Informationen: Julias Webseite oder Julias facebook Seite

Foto Startseite: Chris Gonz

2 Kommentare:

  1. Ein sehr aussagekräftiges Interview. Und prima Fotos.

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