Coach-Perspektive

 

Im Sommer 2017 berichtete ich an dieser Stelle über die B-Europameisterschaft der U20 Basketball Mädels in Israel. Das Team holte den Titel und erkämpfte sich somit die Qualifikation für die U20 Europameisterschaft in diesem Jahr in Ungarn. Bei dieser schaute ich, wenn ich irgendwie die Möglichkeit hatte, am Laptop zu.

Die jungen Damen bereiteten mir mit ihrer Art zu spielen viel Spaß und holten, aus meiner Sicht, mit Rang neun das Optimum heraus. An der Seitenlinie stand, lief und gestikulierte dabei als Coach – zu meiner ebenso großen Freude – kein Mann im Anzug und mit grau melierten Schläfen , sondern eine junge, sehr engagierte Frau, zwar auch in feinem Zwirn, gleichwohl aber vom Alter her den Eindruck erweckend, sie könne da fast noch mitspielen. Hanna Ballhaus.

 

Coole Moves auf dem Streetballplatz

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Hanna Ballhaus emotional

Hanna Ballhaus emotional

Als ich einige Wochen später mit ihr sprach und mich im Fachsimpeln über den Basketballsport versuchte, stellte ich fest (NICHT zu meinem Erstaunen), dass ich mit meinem Wissen, mit meiner Erfahrung, einem Fachgespräch gar nicht gewachsen bin. Und ich erlebte, wie sie einige meiner Fragen erstmal von links auf rechts drehen musste, bevor sie antwortete.

Angehen möchte ich die Geschichte nun aber von vorne. Hanna ist in den Basketballsport eher die Quereinsteigerin. „Mit 12… 13 Jahren zockte ich auf dem Streetballplatz. Es ging, auch später noch, um den Spaß mit Freundinnen, nicht um Leistungssport“, blickt sie zurück, „Kreativität, ein bisschen Show… Ich übte für mich selbst einige Moves, die ich dann später in Nachwuchsspielen anwandte“.

In das Nachwuchsteam geriet die Göttingerin, nachdem sie während eines Schulturniers aufgefallen war. Sie wurde gar Niedersachsen-Meisterin. „Einen wirklichen Übergang in den Erwachsenenbereich gab es nicht“, erinnert sie sich, „stattdesen trainierte ich dann die U12 Mädchen.“ Dabei, beim Coaching, blieb es bis heute. Was ihre einstigen Show-Ambitionen in der Sturm- und Drangzeit anbelangt, hat Hannah Ballhaus inzwischen – aus der Trainerinnen-Perspektive – eine ganz andere Sicht.

Als Coach sieht sie sich „emotional, leidenschaftlich“, kann sich „in bestimmte Situationen reinsteigern“. Taktische Vorarbeit und die Vorbereitung gemeinsam mit den Spielerinnen sind der akribischen Arbeiterin sehr wichtig. „Im Match muss ich die Abläufe lesen, reagieren, Intensität einfordern“, gibt sie einen kleinen Einblick, „damit wir am Ende als Siegerinnen vom Platz gehen.“

„Dabei setzen die Mädels oft um, was wir zusammen hart eingeübt haben“, schätzt Hanna ein. Und: „Es ist schwer, mit mir zu arbeiten, ich muss die Spielerinnen an Grenzen bringen, das ist manchmal hart. Um so schöner, wenn sie mir das Gefühl geben, jetzt haben sie es verstanden, jetzt merken sie, dass sie auf einer neuen Stufe sind.“

Als grundsätzliche Baustelle im Heute und Hier hat die Niedersächsin erkannt, dass der natürliche Instinkt, Körbe zu werfen, zumindest im weiblichen Bereich, einer sich entwickelten Defensive-Kultur gewichen ist. „Die Sicherheit in der Offensive geht verloren“, benennt sie die Folge, „die Spielerinnen trauen sich oft nicht zu werfen oder selbst direkt zum Korb zu ziehen“.

 

Nicht die ganz normale Zuschauerin

 

Hanna Ballhaus coachte die Mädels vom Club Baloncesto Aros León

Hanna Ballhaus coachte die Mädels vom Club Baloncesto Aros León

Die mittlerweile erfahrene Trainerin (u.a. Wolfpack Wolfenbüttel, MTV Treubund Lüneburg, Club Baloncesto Aros León, Deutscher Basketball Bund und ganz aktuell Eisvögel USC Freiburg) schaut sich Basketballspiele, auch die am Fernsehgerät von irgendwelchen Mannschaften, nicht so an wie beispielsweise ich, der Laie. „Ja richtig, als ganz normale Zuschauerin gucke ich mir Spiele nicht an“, bestätigt Hanna, „viel mehr als an Dunkings und anderen späktakulären Aktionen erfeue ich mich an Spielverständnis, richtigen Pass- und tollen Trainerentscheidungen.“ Und ich habe, während sie mir das erzählt, das Gefühl, dass die Fachfrau diesen Umstand gleichwohl richtig empfindet als auch ein bisschen schade… „Wenn fünf Leute miteinander spielen und kombinieren, wenn sie taktische kollektive Lösungen finden, neue Defensivkonzepte umsetzen, überraschende Systeme anbieten, das ist mein Basketball“, schwärmt Hanna Ballhaus munter weiter.

Während ihrer zwei Jahre in Spanien (2.Liga) lernte die 35jährige, was Basketball anbelangt, „eine andere Welt kennen“, die sie gleichwohl „weder besser noch schlechter“ sieht. „Die Zeit hat mir sehr geholfen“, schätzt Hanna ein, „ich habe gesehen, dass wir in Deutschland gar nicht sooo weit weg sind. Die Verantwortlichen dort haben in einigen Dingen eine andere Herangehensweise, machen manches cleverer. Durch die Erweiterung des Horizontes, den Blick durch eine andere Brille, die Verbindung beider Kulturen, ist mehr möglich.“

(Spanien/Frauen: 2014 Zweite bei der Weltmeisterschaft, 2016 Silber bei den Olympischen Spielen und 2017 zum dritten Mal Europameister).

Die Ekenntnisse nimmt die Trainerin sicherlich mit nach Deutschland in den Verband und jetzt erst mal in die erste Liga nach Freiburg. „Der USC ist einer der attraktivsten Standorte beziehungsweise Vereine in Deutschland“, freut sich Hanna Ballhaus auf ihre Arbeit im Breisgau, „deshalb wechsele ich genau dahin sehr gerne. Der sportliche Leiter Harald Janson hat richtig viel Ahnung von der Materie, führt sehr weitsichtig und setzt die vorhandenen Mittel sinnvoll und zweckgebunden ein.“

 

Spielerinnen entwickeln, Spiele gewinnen

 

„Ich bin erst ein paar Tage hier und habe selten so gute Trainingsmöglichkeiten erlebt. Über Nachwuchs,- Individual- und Fitnesscoaches bis zur Physiotherapie sind beste Voraussetzungen geschaffen“, zeigt sich die Trainerin begeistert, „hier können sich Spielerinnen entwickeln. Sehr viel Verantwortung werden deutsche Akteurinnen übernehmen. Wir setzen nur vier Ausländerinnen ein und die müssen passen!“ Im doppelten Wortsinn. Die Spielerinnen an sich ins menschliche und spielerische Mannschaftsgefüge – und den Ball passen. Darauf freut sich Hanna. Und: „Hoffentlich machen das immer mehr Vereine so.“

Hanna Ballhaus

Hanna gibt die Taktik vor

Wenn sie in den nächsten Tagen alle Mädels persönlich kennenlernt, das Training aufnimmt und später in die Spiele geht, wird sie einerseits die Hanna Ballhaus sein, die sie mit ihrer emotionalen Art, mit ihren zehn Jahren Erfahrung und „gewissen Ideen“ nun mal ist („bei Verteidigung und Rebound gibts keine Kompromisse“ z.B.) und gleichwohl wird sie „im Detail noch mal von vorne anfangen, jene Ideen an die Spielerinnen anpassen“.

 

Der internationale Vergleich

 

Zurück zum Beginn unserer kleinen Geschichte über das Mädchen auf dem Göttinger Streetballplatz mit den coolen Moves und den Showeinlagen, zurück zu ihrer veränderten Perspektive in der Funktion als Trainerin an der Seitenlinie. Und zurück zu ihrem Job für den Deutschen Basketball Bund, zurück zur U20 Europameisterschaft.

„Dieses Turnier hat mir viel Spaß gemacht“, geht sie zunächst mit mir d’ac­cord, um in Folge weiter zu gehen, in die Details: „Wir wollten wissen, wo die Mannschaft steht. Und natürlich haben wir uns einen gewissen Druck selbst gemacht. In einem sehr engagierten Team ging es unter anderem darum, ein offensives Selbstvertauen herzustellen. Die besondere Herausforderung für mich war, in der Kürze der Zeit mit den verschiedenen Spielertypen umzugehen. Dabei musste ich Zugeständnisse machen, die ich normalerweise (im Verein übers Jahr) nicht mache.“

Das Match gegen die Französinnen, das nach furiosem Start letztlich mit 66:68 verloren ging, benennt Hanna als Beispiel dafür, dass sie „mehr raus holen will als andere glauben“. In der Vorbereitung hatten unsere Mädels gegen die vom Nachbarland haushoch verloren. Und nun, im Turnier, als es um die Wurst ging, nur knapp mit zwei Pünktchen gegen die Favoritinnen. „Gut gemacht, geht doch…“, mag der geneigte Fan sagen und den Damen inklusive Trainerin aufmunternd auf die Schulter klopfen. „Da war mehr drin“, sagt die Frau an der Seitenlinie, die weiter möchte als dicht an der Überraschung vorbei.

Mädels mit Talent sieht Hanna in unserem Land allemal. Daran scheitert eine noch bessere Stellung des deutschen Basketball im europäischen oder gar interkontinentalen Vergleich nicht. „Es ist sehr viel Potenzial da“, bestätigt die Trainerin, „bis in die U16 Altersgruppe sind wir gleichauf mit den führenden Nationen. Was dann noch fehlt ist die Anschlussförderung im U18 bis U20 Bereich.“

 

kämpfen, arbeiten…

 

Hanna Ballhaus

Hanna Ballhaus (rechts)

„Wir müssen unsere Liga (Damen Basketball Bundesliga) professionalisieren“, benennt sie einen Weg, „oft spielen in Länder-Vergleichen deutsche Frauen, die in der ersten Liga die meiste Zeit auf der Bank sitzen, gegen Spielerinnen, die mit ihren Vereinen Euro-League Ensätze gewohnt sind. Die Situation, dass per Reglement in der ersten Liga deutsche Akteurinnen zwingend auf dem Feld stehen müssen, haben wir nun mal nicht mehr. Deshalb brauchen wir Frauen als Profi, die ihr Leben danach ausrichten, entsprechend trainieren, sich im Vergleich mit den Mannschaftskameradinnen aus USA oder von wo auch immer durchsetzen, kämpfen, sich Spielzeit erarbeiten.“

Als Einbahnstraße sieht Hanna Ballhaus das nicht: „Wir brauchen ebenso Vereine mit Trainern, die ein Interesse haben, deutsche Spielerinnen voran zu bringen. Auch in ihrer Mentalität.“ In Freiburg scheint sie diesbezüglich genau richtig.

JJ

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