Alles loslassen und auf Null schalten

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Jessy Moravec; Foto copyright www.petite-machine.net

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Die in Berlin lebende Schweizer Schauspielerin Jessy Moravec ist gerne mal sportlich unterwegs (Kung fu, Kickboxen, Ballett, Poledance). Die 1,63m Frau mit den grün/braunen Augen läuft dieser Tage mit ihrem Mann den spanischen Jakobsweg, den Küstenweg Camino del Norte. „Ich muss immer mal wieder raus aus der Stadt in die Natur“, erzählt sie, „der ganze Weg ist eine aktivere Art der Meditation. Bis jetzt macht es Spaß. Hätte man mir vor ein paar Jahren gesagt, dass ich meine Freizeit nutzen würde, um jeden Tag stundenlag zu wandern und in Pilgerherbergen zu übernachten, hätte ich ihn ausgelacht… daran merke ich auf jeden Fall, dass ich älter geworden bin.“

Vorher räumte sie mal eben den Schweizer Filmpreis „Beste Darstellung in einer Nebenrolle“ für den Kinofilm „Mario“ ab. In ihrer Dankesrede bewies sie, dass es möglich ist, in kürzester Zeit viel zu sagen. Jessy anerkannte Weggefährten, die „offen und ehrlich miteinander umgehen, nicht ausbeuten, ihre Macht nicht ausnutzen und auf ihr Gefühl vertrauen, ohne auf Hautfarbe oder Bekanntheitsgrad zu achten“, die ungeachtet von Gerüchten Schauspieler/innen besetzen, „die noch keine Chance hatten sich zu beweisen und befürchten müssen, keine Jobs mehr zu bekommen.“

Dankenswerterweise beantwortete Jessy mir unter anderem dazu einige Fragen. Hier und jetzt:

 

„Am Schönsten ist es, wenn die Chemie stimmt mit dem Spielpartner“

 

 

JJ: Jessy, was fasziniert dich an deinem Beruf? Warum bist du Schauspielerin geworden, gab es mal Plan B?

Jessy Moravec: Sagen wir es mal so… ich habe meine Pubertät sehr intensiv ausgelebt. Ich hatte lange viele Emotionen in mir drin, für die ich ein Ventil gesucht habe. Da hat sich das Schauspiel angeboten. Da kann ich rumheulen und werde bestenfalls dafür bezahlt. (lacht)

Jessy Moravec; Foto copyright www.petite-machine.net

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JJ: Hat sich das schon in frühester Kindheit abgezeichnet, warst du da schon auf allen Bühnen, einschließlich Omas Küchentisch, zuhause?

Jessy: Mein Onkel Christof Oswald ist Schauspieler. Ich war oft bei ihm im Theater und im Kino. Er hat mir auch geholfen, mich vorzubereiten. Ich komme allgemein aus einer Künstlerfamilie, mein Vater ist Künstler, meine Mutter Lebenskünstlern.

In der Schule war ich nicht gut. Es war klar, dass ich nicht studieren und oder Banker werde. Wir hatten nie viel Geld, aber ich wurde immer unterstützt in meinem Vorhaben. Im Abschluss-Schultheater hatte ich die Hauptrolle gespielt. Da habe ich gemerkt, dass es mir Spaß macht.

JJ: Wann war dir klar, Schauspielerin ist EIN Beruf, wann wusstest du, Schauspielerin ist DEIN Beruf?

Jessy: Das Schauspielerei ein Beruf ist, war mir schon länger klar. Ebenso die damit verbundenen Schwierigkeiten. Auch das liebe ich daran. Es bleibt immer spannend. Sobald man lernt loszulassen, kann man genießen.

JJ: Hattest du an deinen ersten Tagen an der European Film Actor School das Gefühl: Genau hier bin ich richtig!? (Ich frage vor dem Hintergrund, dass ich mal neben einer Schauspielschule arbeitete und oft seltsame Geräusche hörte und seltsame Übungen sah)

Jessy: Die Schauspielschule war schon interessant. Ich hatte das Glück, viel zu drehen von Anfang an. Da habe ich auf jeden Fall sehr viel gelernt. Die lustigste Erfahrung in der Schauspielschule war, vier Stunden lang eine Taube zu sein.

JJ: Du stehst am Set, Jessy, die Kamera zeigt auf dich, das Mikrofon baumelt vor deiner Nase; du musst/willst/sollst in eine Rolle schlüpfen. Was geht exakt in diesen Momenten in dir vor und wer bist du dann?

Jessy: In diesem Moment geht es nur darum, alles loszulassen, auf Null zu schalten und die Situation das erste Mal zu erleben und zu reagieren. Natürlich musst du dir gleichzeitig alles merken und wiederholen können.

Jessy Moravec; Foto copyright www.petite-machine.net

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Das ist dann der schwierige Part. Bei welchem Satz hab ich die Nuss gegessen? (lacht)

JJ: Wann beginnt der Prozess des in die Rolle Schlüpfens? (Gibt es Phasen vom ersten Drehbuch lesen bis zum „Bitte“ des Regisseurs?)

Jessy: Beim Drehbuch lesen kriege ich ein erstes Gefühl zu der Rolle. Dann mache ich mir ein paar Gedanken und höre Musik. Je nach Rolle. Der Rest ergibt sich mit den Schauspielkollegen, Regisseur, Maske , Kostüm etc..

JJ: Und: Was machen in jenen Momenten deine Schauspielpartner/innen mit dir? (gut aufgelegte, kreative, professionelle, leidenschaftliche Kollegen)

Jessy: Am Schönsten ist es, wenn die Chemie stimmt mit deinem Spielpartner. Zum Beispiel mit Max Hubacher ist es super easy. Wir haben uns von Anfang an verstanden.

JJ: Du hast den Schweizer Filmpreis „Beste Darstellung in einer Nebenrolle“ für den Kinofilm „Mario“ bekommen, Jessy. Ich als Zuschauer weiß um die Wichtigkeit von Nebenrollen. Erzähle du bitte mal, was eine Nebenrolle für dich als Schauspielerin ist.

Jessy:  Nebenrollen finde ich oft fast spannender, weil sie extremer sein können. Die Hauptfigur hat natürlich mehr Entwicklung, aber man muss sie auch einen ganzen Film lang aushalten. Deshalb sind sie oft weniger extrem als Nebenrollen oder Gegenspieler.

Zumindest wenn ich selbst schreibe, finde ich Nebenrollen interessanter zu schreiben. Beim Spielen kommt es dann doch ganz einfach darauf an, ob die Figur interessant ist oder nicht und nicht ob es Haupt- oder Nebenrolle ist.

JJ: In deiner Dankesrede hast du durch hintergründige, klare, fast politische Worte die Würze in die Kürze gebracht. Erzähle bitte einfach mal: wieso, weshalb, warum; was war dir wichtig?

Jessy: Meine Rede bezog sich vor allem auf verschiedene Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe und gerade mit dem Harvey Weinstein Thema ist es sehr aktuell. Es geht nicht nur um Frauenrechte.

Es geht im allgemeinen darum… wenn man einer Person zu viel Macht gibt und nicht offen über Dinge redet, besteht eine sehr große Gefahr, dass viele darunter leiden. Die meisten Menschen können schlecht mit Erfolg und Macht umgehen. Deswegen großen Respekt vor jedem, der es schafft, auf dem Boden zu bleiben und sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren.

Jessy Moravec; Foto copyright www.petite-machine.net

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JJ: Sind dir Auszeichnungen wichtig, was bedeuten sie dir?

Jessy:  Ich habe mich natürlich sehr über den Preis gefreut. Preise sind eine tolle Ehrung und Anerkennung für meine Arbeit, aber am Ende des Tages ist es nicht das, wovon mein Glück abhängt. Und am glücklichsten bin ich, dass ich das gelernt habe, bevor ich ihn gewonnen habe.

JJ: Danke.

 

Weitere Informationen: Webseite von Jessy oder Jessy auf der Webseite ihrer Agentur

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