Ab durch die Mitte!

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Paul Henning; Foto Ralph Kunze

Paul Henning;
Foto Ralph Kunze

Immer, wenn ich mit Volleyballspielerinnen oder Volleyballspielern rede, krame ich die alten Erinnerungen hervor. Die, die ich unaufgefordert schon 100 Mal erzählt habe: Als ich noch jung, schlank und fit war, spielte ich gelegentlich, meist im Urlaub an irgendeinem Strand, Volleyball. Mit völlig fremden Menschen im eigenen Team und jenseits des Netzes.

 

Der Teamgeist und sein Kreis

 

Diese völlig fremden Menschen (über Ländergrenzen und Sprachbarrieren hinweg) der eigenen Mannschaft fanden sich, und das war immer so, nach jedem Punktgewinn und jedem Punktverlust in der Mitte des Feldes zusammen, legten die Hände aufeinander und freuten oder motivierten sich mit irgendeinem Schlachtruf. Der Teamgeist in dieser Sportart scheint besonders lebendig.

Warum die alte Kamelle während meines Gespräches mit Paul Henning auf einmal doch hochaktuell und passend wurde? „Bei mir hat es genau so am Strand angefangen“, blickt der inzwischen Bundesligaspieler zurück in seine Kindheit, „an der Ostsee beim Familienurlaub, wo ich mir mein erstes Ballgefühl holte. Auch ich spürte schnell, dass das Kollektiv an erster Stelle steht. In keiner anderen Sportart klatschen sich die Leute nach jeder Szene ab.“

Der 2,02 Meter Mann spürte später, beispielsweise als er mit den Nachwuchsnationalmannschaften auf internationalem Parkett unterwegs war, dass „Einzelspieler gegen ein Team keine Chance haben!“ Bei der U18 Europameisterschaft in der Türkei war das so. „Da wurden wir Vierter, überraschend“, erzählt er, „und hauptsächlich über den Zusammenhalt. Wir sind gemeinsam gewachsen, die Euphorie trug uns so weit. Teamgeist schlägt Technik! Ein alter Volleyballerspruch.“

Paul Henning (Nr.8), Foto KGH

Paul Henning (Nr.8),
Foto KGH

Darin besteht für Paul unter anderem die Faszination seiner Sportart. „Zudem an der Abwechslung“, ergänzt er, „viele Aspekte wirken mit – Technik, Athletik, Timing, es wird nie einseitig. Im Training gehts um die unterschiedlichsten Sachen: Block, Abwehr, Zuspiel… 1000 andere… es wird nie langweilig.“

An der Stelle konfrontiere ich den 20jährigen mit einer weiteren alten Kamelle, dem Spruch, dass für den Zuschauer, im Gegensatz zu anderen Mannschaftssportarten, der Frauenvolleyball auf Grund der längeren Ballwechsel attraktiver sein soll, als der der Männer. Paul kennt das. Er kann diese Sicht der Dinge ein bisschen nachvollziehen. Gleichwohl weiß er: „Bei uns sind es die harten Schläge, überraschende Zuspiele, der getimte schnelle Block… und in der Crunchtime gibts auch mal längere Ballwechsel ;-)“ Und für den Fachmann/die Fachfrau, von denen viele im Publikum sitzen, ist es eh interessant und damit attraktiv. Spannend allemal!

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Der Mittelblocker und die Zehntelsekunden

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Pauls Platz in diesem bunten, teamorientierten, schnellen Gewusel ist zentral am Netz. „Ich bin schon ewig Mittelblocker“, informiert er, „hauptsächlich auf Grund meiner Größe. Ich muss mich mit den einzelnen Gegenspielern auskennen, deren Optionen kennen. Wenn es dann darum geht, unseren Block zu stellen, nehme ich die Zügel in die Hand – auf wen konzentrieren wir uns, wo stellen wir den Einer,- wo den Zweierblock…“

Zweierblock mit Paul (Nr.8), Foto KGH

Zweierblock mit Paul (Nr.8), Foto KGH

„Im Angriff geht es dann um Zehntelsekunden“, fährt der Thüringer mit seiner Stellenbeschreibung fort, „im selben Moment, in dem mein Zuspieler passt (pritscht), muss ich schon springen, da die Distanzen sehr kurz sind!“ Schnell sein ist die Devise. Hellwach also, umsichtig. Und Erfahrung kann nicht schaden.

Paul Henning war ein bisschen ein Spätstarter, war in Erfurt auf dem Sportgymnasium, betrieb zunächst hauptsächlich Leichtathletik, spielte Fußball. Als die Erfolge (Leichtathletik) irgendwann ausblieben und ein Volleyballcoach ihn ansprach, nahmen die Dinge ihren Lauf. „Toll, mit was für fantastischen Spielern ich da für den VC Gotha nach einem Jahr schon auf dem Feld stand“, zeigt er sich heute noch begeistert.

Die nächste Station war das Volleyballinternat in Frankfurt (Main), wo Paul auch sein Abi machte. „Da habe ich mich sehr wohl gefühlt“, denkt der Sportler gerne zurück, „und die United Volleys aus der Stadt Frankfurt spielen in Deutschland vorne in der ersten Liga mit und bieten die Möglichkeit, international in der Champions League zu spielen.“

Weil die Hessen vor der abgelaufenen Saison 2017/2018 auf der Mittelblocker-Position sehr gut (und erfahren) besetzt waren, verschlug es ihn zwischenzeitlich ins Ländle an den Neckar – zum TV Rottenburg. „Da hatte ich sehr viel Spielzeit“, schildert Paul Henning erstmal den sachlichen und sportlichen Aspekt des Intermezzos, „das hat mich vorwärts gebracht!“

Ähnlich formulierte es TVR-Manager Philipp Vollmer im Reutlinger General-Anzeiger: „Paul hat ein sehr gutes Jahr bei uns gespielt und sich super entwickelt, er hat sich nun für einen anderen Weg entschieden und das akzeptieren wir. Wir wünschen ihm für seine Zukunft nur das Beste.“

 

Wechsel mit lachendem und weinendem Auge

 

Paul Henning, Foto Ralph Kunze

„Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund“,
Foto Ralph Kunze

Als es dann um den emotionalen Aspekt der Geschichte geht, verrät die Stimme des Mittelblockers, dass da wirklich mal – wie in Goethes Faust – zwei Herzen, ach, in einer Brust schlagen. „In Rottenburg geht es sehr familiär zu, die ganze Stadt steht hinter dem Projekt“, verrät er, „hauptsächlich deutsche Spieler sind unter Vertrag, der Kontakt zum Publikum ist intensiv und in der Halle mit im Schnitt 2200 Zuschauern (hinter Berlin die zweitmeisten in der Liga) auch räumlich sehr nah.“

Der Geschäftsführer Henning Wegter der United Volleys in Frankfurt, zu denen der Spieler wechselt, empfängt ihn so: „Paul hat während seiner Internatszeit häufiger bei uns mittrainiert und einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Insofern hatten wir immer ein Auge auf ihn und sind überzeugt, dass er in der neuen Saison bei uns einen weiteren Schritt nach vorn machen kann.“ (Webseite United Volleys) Für Paul Henning schließt sich ein Kreis: auf hohem Niveau in angenehmer Atmosphäre spielen, mit Topspielern trainieren, die Chance auf internationale Einsätze haben…

Wenn der Erfurter demnächst also in der Hessenmetropole Frankfurt aufs Feld läuft und sich Richtung Netzmitte orientiert, wird er nicht nur wachen Auges den Gegner analysieren, munter blocken und energisch schmettern, er wird auch auf Zuschauer treffen, die sich, wie er sagt „mit uns identifizieren und wir uns mit ihnen“. Er wird „während der Ballwechsel im Tunnel sein“, um dann, nach Punktgewinn, „mit dem Publikum zu jubeln und daraus zusätzliche Kraft schöpfen“.

Paul Henning, Foto Ralph Kunze

Schneller, höher, weiter; Foto Ralph Kunze

Darauf freut sich der Sportler. Garantiert auch da sein wird der Teamgeist. Er wird die Jungs öfter mal in der Spielfeldmitte zusammen rufen und dafür sorgen, dass die Geschlossenheit der Mannschaft die Technik der Einzelnen besiegt. So geht Volleyball…

JJ

Foto Startseite: Ralph Kunze

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