Khadra und ihr tägliches Dankeschön

 

Wenn Ihr auf der Couch sitzt, während Ihr das lest, liebe Freunde, dann lest gerne fertig, lest sehr gerne auch noch einen weiteren Artikel. Dann aber, so wirklich auf Dauer, ist das Sitz- und Liegemöbel kein guter Platz. Zu viele Dinge da draußen wollen gesehen, gehört, gespürt oder gerochen werden, zu viele Dinge harren auf Klärung oder Besserung und zu viele Dinge habt Ihr, haben wir, noch mit dem eigenen Leben vor.

Energie in Bewegung

 

„Bleib nicht sitzen, egal ob in guten oder schlechten Zeiten; frage dich, wo der nächste Freudenpunkt ist“, verriet mir Khadra Sufi im Gespräch einen ihrer Gedanken, beinahe schon Lebensphilosophien und Antriebsfedern, „Energie muss in Bewegung bleiben, dabei sind die kleinen Schritte wichtig.“ Und die junge Frau hat viele solcher kleinen Schritte hinter sich, in viele Richtungen, nördlich, südlich und wieder nördlich, nach unten und wieder nach oben. Und gerade mal Mitte 30 hat sie dadurch eine Menge Lebenserfahrung im Gepäck.

Khadra Sufi; fotografiert von MJ-Photography

Khadra wurde in Somalia geboren, lebte in ihrer Kindheit in der ehemaligen DDR als Diplomatentochter, bevor es wieder in die Heimat ging, die dann aber durch die Wirren und Grausamkeiten des Bürgerkrieges wenig heimatliches mehr an sich hatte. Aufständische verfolgten die Familie durchs Land, trieben sie über Kenia nach Ägypten und ein Jahr später endete die Odyssee zunächst in einem Asylantenheim bei Bonn.

Diese Kurzfassung der Ereignisse kann indes nicht beschreiben, was es mit dem Seelenleben eines Mädchens macht, in Gewehrläufe zu schauen, Tote zu sehen, von der Hand im Mund zu leben und morgens genauso wenig zu wissen, was der Abend bringt, wie abends, wo und wie es am Folgetag weiter geht. Was kann aus einer 16jährigen alles werden, die mittellos in einer umgebauten Garage wohnt und die von einem Rückschlag nach dem anderen gejagt wird…

100 Prozent und nicht anders

 

Als ich beschließe, Khadra um ein Gespräch zu bitten, sind 20 Jahre ins Land gegangen. Eine schöne, junge Frau voller Lebensfreude und chic gekleidet schwirrt durch das Studio des Fernsehkanals QVC und präsentiert gemeinsam mit einer Kollegin Kipling Taschen. Ich sitze vorm Fernsehgerät und spüre ihre Leidenschaft, habe das Gefühl, eine Nachbarin oder gute Bekannte zeigt ihre Lieblingshandtasche und schwärmt ehrlichen Herzens davon.

Khadra; fotografiert von Claudia Tejeda

„Anders kann ich garnicht“, bestätigt Khadra, „ich muss 100 Prozent brennen, für das, was ich mache. Alles, was ich bei QVC präsentiere, interessiert mich!“ Mehrere Tausend Live-Stunden habe sie für den Sender in neun Jahren absolviert, „alles aus der Situation, der Intuition heraus, das geht nur mit Liebe“.

Die Moderatorin gestaltet, ob bei Events oder im Studio, „zirka 80 Prozent intuitiv und 20 Prozent geplant, vorbereitet“. So entstehen „Fingerabdrücke der Situation“.

„Gott sei Dank“, beschwört die Wahlhamburgerin, „habe ich (fast) immer Jobs, bei denen meine Stärke, das intiutive Handeln, zur Geltung kommt. Ich möchte Raum für Ungeplantes – und damit die Leichtigkeit – lassen.“

Außer live im Studio steht Khadra Sufi mit dem Mikrofon auf den Bühnen dieser Welt. Firmen- oder Musikevents oder auch vor 15.000 Leuten in Las Vegas oder Wien beispielsweise, alles hat sie im Repertoire. „Es geht um Kommunikation, um Spaß… und darum, mit Menschen zu tun zu haben“, beschreibt sie, was ihr wichtig ist, „in anderen Jobs kann ich es nicht lange aushalten, ich brauche den Kontakt.“

Die Frage erstmal auf rechts gedreht

 

Wenn die Moderatorin vor die Kamera oder auf die Bühne schreitet, könne sie sich immer darauf verlassen, dass sie auf den Punkt funktioniert. „Das Licht geht an und ich bin da“, beschreibt sie die Situation, „ich freue mich auf den Energieaustausch mit dem Publikum, das Kribbeln…“

Khadra Sufi, wenn das Licht an geht, ist sie da; fotografiert von Dennis Reher

Bei Studiojobs sind Khadra deshalb die Kollegen besonders wichtig. Alle, ob vor oder hinter der Kamera: „Ich versuche mich darauf zu fokusieren, eine schöne Sendung zu machen, ein gutes Gefühl dabei zu haben. Je unterschiedlicher die Leute, die Persönlichkeiten, um so größer ist die Herausforderung! Wie bei einem Tanz.“

Immer wenn ich Moderatorinnen oder Moderatoren bei der Arbeit sehe, frage ich mich, ob sie gerne das ganz große Ding drehen würden – die Samstagabendshow, die eigene Sendung, das beliebte Quiz… Als ich Khadra danach frage, dreht sie meinen Gedankengang auf rechts:

„Ich stelle mir die Frage“, antwortet sie, „was die Essenz ist aus dem, wonach ich strebe. Es ist das Grundgefühl, die Menschen unterhalten zu wollen, ihnen Freude zu bereiten. Ich mache also jetzt schon, was ich will. Egal ob im Fernsehen oder draußen bei Events, egal vor wie vielen Leuten, egal welches Format. Viel wichtiger ist, wie ich es mache, wie ich die Zuschauer erreiche.“

Viele Menschen erreichte die Autorin Khadra Sufi ab dem Jahr 2010 mit ihrem Buch „Das Mädchen, das nicht weinen durfte“, welches zum Spiegel Bestseller avancierte. Und sie erreichte und erreicht die Leserinnen und Leser mitten im Herzen. „Jeden Tag bekomme ich Feedback von ganz vielen Frauen, denen ich Mut machen konnte“, freut sie sich, „da ist etwas Nachhaltiges entstanden.“

Stark sein, um nicht einzuknicken

 

Khadra erzählt in dem Werk ihre Lebensgeschichte und dabei auch von den dunklen Seiten, die sie durchmachte. „Ich musste stark sein, obwohl ich es nicht aufbringen konnte“, erklärt sie, warum sie als Kind und Jugendliche nicht weinen durfte, „es lag viel Gewicht auf meinen Schultern und ich durfte nicht einknicken.“

Khadra Sufis Buch „Das Mädchen, das nicht weinen durfte“ (privat)

Die Erinnerungen an jene dunklen Seiten, die Spuren, die sie hinterlassen haben, sind bei allen Erfolgen, die Khadra mittlerweile zu verzeichnen hat, bei allem Schönen, was sie erlebte und sich erarbeitete, nicht gänzlich verflogen. Vielleicht auch bewusst nicht.

„Ich spüre ein Gefühl der Dankbarkeit“, gewährt sie Einblicke, „würdige auch die Kleinigkeiten und scheinbaren Selbstverständlichkeiten des Lebens – wie die Sicherheit und Ordnung in Deutschland. Ich führe seit Jahren ein Dankbarkeitsbuch – mittlerweile sind es viele – in das ich täglich schreibe, was schön war. Und jeden Tag, egal ob in den guten oder den schlechten Zeiten, war etwas schön.“

Ich mag starke Frauen. Frauen, die wissen, was sie wollen, die ihren Weg gehen. Ihren eigenen. Die sich nicht anhängen, sondern ziehen. Vorneweg.

Khadra Sufi sieht sich da nicht wirklich in der Ausnahmestellung. „Jeder Mensch bringt Kraft auf“, befindet sie, „in Extremsituationen heben Mütter, beispielsweise um ihr Kind zu retten, Zentnerlasten. In den Überlebensmodus können wir alle schalten, da schaffen wir unverhältnismäßige Dinge. Alles was nach unten geht, geht auch nach oben, das ist das Fazit aus meinen Erlebnissen. Ich bin nicht stärker als andere!“

Khadra Sufi; fotografiert von Claudia Tejeda

Will Khadra etwas erreichen, träumt und redet sie nicht viel davon, sie geht es an. Step by Step. Als sie sich beispielsweise Gedanken um passende, schöne Bühnenoutfits machte und nicht fündig wurde, entwarf sie ihre eigene Kollektion – QUEEN OF SABA.

Sie möchte permanent ihr Betätigungsfeld erweitern, neue Projekte angehen. „ich bin an mehreren Buchprojekten beteiligt, arbeite an einem weiteren eigenen Buch und Konzepten, bei denen Handwerk stattfindet“, blickt die Moderatorin und Autorin nach vorne. Sie weiß, dass das Energie kostet. Und sie weiß auch: „Jede investierte Energie kommt zurück. Manchmal an anderer Stelle.“

Auf der Couch eher nicht. Außer Ihr lest nach diesem noch einen weiteren Artikel. Und dann aber raus ins Leben 😉

JJ

Foto Startseite: Dennis Reher

Weitere Informationen: Khadras Webseite – da gibt es auch handsignierte Bücher; und: www.queenofsaba.de

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