Glücklich im Ziel

 

Kennt Ihr das aus eurer Schulzeit? Runden um den Sportplatz laufen, oder mit ein bisschen Glück durch die Botanik? 1000 Meter, 3000 Meter… Und während Ihr keucht, euch speiübel ist und die Ziellinie einfach nicht näher kommt, laufen zwei, drei Jungs oder Mädels entspannt vorne weg… Weit vorne. Sie überrunden euch sogar, wirken munter und frisch und beinah als hätten sie Spaß?

Foto by Makus Herkert

Foto by Makus Herkert

Nico Sonnenberg kennt das nicht. Nicht aus diesem Blickwinkel jedenfalls. Er ist einer von den Coolen, die vorbei und davon gezogen sind. Dennoch hat auch er zunächst mit Fußball begonnen und dennoch läuft auch er „alleine bei Regen durch den Wald mit wenig Spaß“, vielmehr sieht der Leichtathlet die ganz persönliche Triebfeder „im direkten Vergleich Mann gegen Mann – und dann als Erster über die Linie.“

Emotionen

„Das persönliche Empfinden, die Emotionen machen mich genau in dem Moment zum glücklichsten Menschen“, beschreibt Nico. Doch bleiben wir erstmal wenigstens ein bisschen in der Chronologie der Ereignisse. Irgendwann in der Schul- und Fußballzeit des mittlerweile 24jährigen Hessen, da war er 16 oder 17, bestritt er erfolgreich einen 5000 Meter Lauf („noch in Fußballschuhen“), trainierte dann zielgerichtet die längeren Laufdisziplinen, zunächst „als Ergänzung zum Fußball gedacht“, wechselte wegen der zügigen Fortschritte genauso zügig nach Frankfurt und wurde 2009 Deutscher U18 Meister im 1500 Meter Lauf.

U23 Meisterschaften 2012 über 5000m, Nico siegt überlegen

U23 Meisterschaften 2012 über 5000m, Nico siegt überlegen

Vielleicht war das alles zu schnell, wie auch immer, ein Ermüdungsbruch setzte Nico Sonnenberg alles in allem für zwei Jahre außer Gefecht. In der Zeit machte er das Abitur, weil Langzeitverletztsein nicht den ganz großen Spaß macht, hörte er 2011 auf mit der Leichtathletik, zog wieder heim auf’s Land, jagte dem runden Leder nach… und merkte etwas…

Wettkampf

„Der Wettkampf, die Ziele fehlten mir“, erinnert sich Nico, dachte ‚das kann es doch nicht sein‘ und kehrte zum Laufsport und in die Hessenmetropole zurück. Mit ihm die Erfolge. Schon nach einem halben Jahr lief er eine 5000 Meter Bestleistung (13:55.65 min – 2012) und wurde 2013, als bislang größter Erfolg, bei den U23 Europameisterschaften Vierter über diese Strecke.

Training

15 bis 18 Trainingseinheiten absolviert der ehrgeizige Leichtathlet und bis zu fünf Mal pro Jahr gehts ins Trainingslager, beispielsweise nach Kenia in 2500 Meter Höhe. „Dauerläufe müssen sein“, erkennt Nico, auch wenn er die nicht wirklich mag, „und nach Tempoläufen bin ich erst mal fertig und geschafft, alles tut weh.“ Doch danach, wenn Ziele erreicht, Verbesserungen messbar sind, ist es wieder da, das Gefühl des glücklichen Menschen, auch im Training.

Hindernis

Weil sich der Langstreckenläufer Chancen auf der 3000 Meter Hindernisstrecke ausrechnete, stieg er zunächst versuchsweise 2014 um. „Das hatte ich mir anders vorgestellt“, konstatiert er, „bei jedem Hindernis geht mehr Kraft verloren, damit der Rhythmus. Ich muss mich auf alle 35 von ihnen konzentrieren, das ist eine mentale Sache. Die Dinger fallen nicht um, wenn, dann ich, und das tut weh. Das ist eine fiese Sache!“

Rückschläge und schwächere Phasen sind da vorprogrammiert. „Tiefen, auch extreme, gehören dazu“, relativiert Nico, „auch die habe ich schätzen gelernt.“ Da er nicht nur sehr ehrgeizig, sondern gleichwohl sein härtester Kritiker ist, kommt es bei ihm durchaus mal zu einer gewissen Unzufriedenheit und der Frage: „Was habe ich falsch gemacht?“ Manchmal bis hin zur Sinnfrage. So richtig zählt für Nico Sonnenberg nur der erste Platz, „das kann zum Verkrampfen führen“, weiß er, und mahnt sich selbst eine realistische Denkweise und mit ihr die erforderliche Lockerheit an. Dabei hilft dem Sportler sein Trainer Wolfgang Heinig: „Wenn er kritisiert, war ich wirklich schlecht!“

Michael Wilms

Nico in schwarzer Hose und rotem Hemd; Foto by Michael Wilms

Rio

Wenn vom 5. bis zum 21. August 2016 in Rio de Janeiro die Olympischen Sommerspiele 2016 stattfinden werden, will Nico dabei sein, besser mittendrin. Dafür hat er seinen Start im Halbmarathon bei der Europameisterschaft in Amsterdam sausen lassen. „Mein Ziel ist, nach der Sommersaison als bester deutscher Hindernisläufer in Rio am Start gewesen zu sein. Mit dem Vorhaben bin ich in das Wettkampfjahr 2016 gegangen“, bestätigt er selbstbewusst und risikobereit gleichwohl, „es gibt noch mehrere Möglichkeiten, die Olympianorm zu schaffen!“

Wenngleich der Mann aus Hessen weiß, dass „die internationale Spitze weit weg ist und Medaillenchancen deshalb unrealistisch sind“, schwingt in seiner Stimme, während er das sagt, mehr als der Gedanke ‚Dabei sein ist alles‘ mit. Irgendwie klingt es, als wolle er auch da, im Kampf der Giganten – Mann gegen Mann – vorne mitkämpfen, mitfighten und zumindest vor möglichst vielen anderen Läufern ins Ziel kommen. Vielleicht ist Nico auch dann als Nicht-Erster glücklich.

JJ

Foto Startseite: Makus Herkert

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