Konzentriert auf den Moment

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Tina Susan Smidt, Foto Alexander Resch

Tina-Susan Smidt hat für zahlreiche Fernsehproduktionen vor der Kamera agiert (beispielsweise Katie Fforde, Der Lehrer, SoKo Wismar, Tatort) und wird auch in diesem Jahr unter anderem in einer Wilsberg-Folge zu sehen sein. Die aus Gelsenkirchen stammende und jetzt in Hamburg lebende Schauspielerin hält sich durch Coachings oder Trainings immer auf dem Laufenden.

Ihre Tierliebe ist außer theoretisch auch sehr praktisch und aktiv. Über all das und einiges mehr erzählt uns Tina-Susan. Hier und jetzt:

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„Ich mag ungeschönte Rollen“

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JJ: Tina-Susan, du sagst, dass du mir einfach nur vom Leben als Schauspielerin an sich berichten kannst. Leg mal los! Wie sieht eine Woche aus, in der du (fast) täglich Drehs hast; wie eine Woche, in der nichts anliegt und auch das Telefon schweigt?

Tina-Susan Smidt: Wenn ein Dreh ansteht, bin ich viel mit der Vorbereitung beschäftigt. Ich arbeite dafür gerne mit einem Coach zusammen, selbst, wenn es „nur“ eine Tagesrolle ist. Vorbereitung ist bei mir alles, da mutiere ich total zur Streberin und gehe meinem Umfeld auch schon mal ordentlich auf die Nerven.

Beispielsweise lebe ich gerne mal für einen Tag als meine Rolle und mache alles so, wie ich denke, dass sie es tun würde. Das finde ich sehr spannend – mein Mann, je nach Rolle, eher merkwürdig.

In der Zeit, in der mein Telefon schweigt, versuche ich, Selbiges zu ignorieren und mich nicht zu fragen warum es, verdammt noch mal, nicht klingelt. 😉 Wenn kein Dreh ansteht, habe ich noch einen zweiten Beruf, in dem ich als Freelancer arbeite.

Trotzdem beschäftige ich mich dann weiterhin viel mit Schauspiel, schreibe zum Beispiel meine eigenen Szenen oder Kurzfilme und setzte sie selber um. Ich netzwerke viel, schreibe Caster oder Regisseure an, oder tausche mich mit Schauspielkollegen aus.

Und dann sind da natürlich die Ecastings. Die gehören inzwischen zur Alltagsroutine.

JJ: Du hast mal als Werbetexterin gearbeitet. Was hat der Beruf der Schauspielerin, was der einer Werbetexterin nicht hat?

Tina-Susan: Also, ich arbeite auch weiterhin gerne als Freelance-Texterin. Sprache ist ein unglaublich schönes Werkzeug. Allerdings arbeiten Texter einfach sehr viel für den Papierkorb. Wenn eine Kampagne ansteht, dann wird viel ausgedacht und entwickelt.

Es gibt tolle, kreative Ideen – die dann aber leider auch schnell im Papierkorb landen, weil der Kunde lieber etwas Konventionelles möchte. Das ist auf Dauer sehr frustrierend.

TinaSusanSmidt
Tina Susan

Oft habe ich schon einen Werbespot im TV gesehen an dem ich mitgearbeitet habe und daran gedacht, was für tolle Ideen es dafür in der Anfangsphase gab. Und was dann letztlich draus geworden ist… da verpufft sehr viel Kreativität.

Beim Schauspiel kannst Du alles, was du hast, deine ganze Kreativität, deine Leidenschaft, in die Figur legen. Es gibt quasi keine kreative Grenze.

Die Person, die ich spiele, gibt es ja nicht wirklich, ich lasse sie erst entstehen und ich entscheide, wie sie ist. Wie würde sie ganz alltägliche Dinge tun? Lachen, weinen, wütend sein, einkaufen gehen. Das ist jedes mal einfach unglaublich inspirierend.

Ein weiterer Unterschied: Filme oder Serien schauen Leute sich gezielt an. Hingegen sind sie von TV-Spots oft genervt. Da fühlen sie sich gestört bei dem, was sie eigentlich sehen wollen, gehen aufs Klo oder holen sich Knabberzeug. Es ist lästig.

JJ: Die meisten deiner Kolleginnen oder Kollegen erzählten mir, dass sie nichts Speziellem nachjagen in ihrem Job. Keiner speziellen Rolle, keiner bestimmten Serie. Einfach nur spielen, spielen, spielen… Das habe ich früher im Fußball auch stets behauptet und wollte doch immer nur Libero spielen. Wie gehts dir; also wirklich, nicht offiziell?

Tina-Susan: Das ist bei mir anders, da gibt es eine Menge! Ich liebe die Sachen, die Fatih Akin macht. Dieses ungeschönte, echte und authentische, wie zum Beispiel bei „Gegen die Wand“. Darin ist er ein Meister wie kein anderer, das finde ich einfach mega.

Ich mag ungeschönte Rollen, in denen die Figuren nicht schon gestylt aus dem Bett aufstehen, sondern „echt“ sein dürfen, innerlich wie äußerlich. Also Figuren mit Charakter. Die an ihre Grenzen kommen und dann sehen müssen, wie sie damit umgehen.

Ein anderer Wunsch, den ich habe, sind auf jeden Fall historische Rollen. Ich finde es spannend, in einer völlig anderen Zeit zu spielen, mich da hinein zu denken und auch dementsprechend agieren zu müssen. Schließlich verhält sich eine Figur ja komplett anders, wenn sie nicht die Möglichkeit hat, mal eben Google zu fragen oder in die U-Bahn zu steigen.

Generell liebe ich Ärztinnen-Rollen. Und der Tatort steht auch auf meiner Wunschliste ganz oben, besonders die Teams aus Dortmund und Köln, aber natürlich auch Norddeutschland.

„Nord bei Nordwest“ finde ich toll oder die „Nachtschicht“. „Kroymann“ ist auch großartig. Und als Hamburgerin liebe ich das „Großstadtrevier“… Ach – da gibt es noch so Vieles! Du siehst, diese Liste ist lang – ich habe noch viel vor 😉

Ein großer Wunsch von meiner Liste hat sich im letzten Jahr bereits erfüllt, ich hatte eine kleine Rolle in meiner Lieblingsserie „Wilsberg“. Was nicht bedeutet, dass ich da nicht nochmal hin möchte, denn es war wirklich toll dort!

JJ: Wenn du spielst, die Kamera zeigt auf dich, das Mikro baumelt irgendwo über dir und der Regisseur sagt „… und bitte!“, was geht in dir vor in jenen Momenten, was denkst oder fühlst du, wer bist du?

Tina Susan Smidt
Tina Susan Smidt,
Foto Jennifer Mohr

Tina-Susan: Ach, in erster Linie bin ich einfach sehr konzentriert und im Moment. Die Arbeit an der Rolle passiert ja sehr viel früher und das ganze Drumherum am Drehtag blende ich zum größten Teil aus. Ich versuche, mich ganz auf meine Teampartner und die Arbeit am Set zu konzentrieren und das umzusetzen, was in dem Moment gefordert ist.

Klingt schnöde, ist aber so. Klar bin ich auch bei meiner Figur, mit all dem, was ich vorher vorbereitet habe. Aber das liegt eher so drunter, kommt dann ganz von alleine.

Meiner Meinung nach haben Dreharbeiten einfach viel mit Konzentration, Mitdenken und natürlich mit Fokus zu tun. Und mit Kaffee! Mit Kaffee geht einfach alles besser.

JJ: Beeinflussen dich die Kolleginnen oder Kollegen dabei, sind sie wichtig?

Tina-Susan: Na klar, das ist sehr wichtig, denn ich spiele ja im wahrsten Sinne des Wortes „mit“ ihnen. Jeder neue Spielpartner ist spannend und bringt eine ganz eigene Energie mit. Und ich arbeite dann mit dieser/seiner Energie, mit dem, was er/sie mir gibt.

Natürlich bereite ich jede Szene vorher ausgiebig vor, aber wie es dann am Set ausschaut, ist noch mal eine ganz andere Sache. Ich habe es zum Beispiel mal erlebt, dass ein Regisseur ein Bild spontan umgestellt hat. Andere Location, andere Situation, nichts war mehr so, wie es im Drehbuch stand.

Oder ein Schauspieler meinte plötzlich „Hey, ich hab mir was überlegt, wollen wir nicht dies und das lieber so und so machen…“ Wenn es gut läuft, entwickelt sich mit den Kollegen eine ganz eigene, starke Energie, die dich und dein Spiel total mitreißt. Alles andere tritt dann total in den Hintergrund, du bist „total drin“.

Das zu erleben ist jedes mal unglaublich faszinierend! Ohne Witz: das macht total süchtig.

JJ: Was macht die Tagesform mit dir, egal ob du gerade im Lotto gewonnen oder dein Fahrrad zu Schrott gefahren hast?

Tina-Susan: Ach, wenn ich drehe, habe ich eigentlich immer gute Laune. Klingt nach Standard- Floskel, ist aber so. Selbst das frühe Aufstehen, dass normalerweise so GAR NICHT mein Ding ist (ich hasse frühes Aufstehen!!), macht mir dann nichts aus.

Ich habe einfach Bock und will loslegen. Sicher sind Drehtage auch manchmal lang und anstrengend, aber ich mache den Job einfach viel zu gerne, um ihn mir selbst mit schlechter Laune zu verderben. Generell sollte man schlechte Laune nicht mit ans Set bringen. Das kann keiner brauchen.

JJ: Tina-Susan, als durch und durch Thüringer habe ich mal drei Jahre im Norden gelebt (Bremerhaven/Bremen). Ich sag mal so, ohne jemand weh zu tun: Ich bin mehr als gerne wieder heim. Du als Frau aus dem Ruhrpott lebst in Hamburg. Schöne Stadt?

Tina-Susan: Wunderschöne Stadt! Ich würde niemals aus Hamburg wegziehen. Die ganze Lebensart hier ist sehr offen. Es kommen Menschen aus ganz Deutschland zusammen, es gibt eine große Vielfalt und dieses „hanseatische“ mag ich sehr.

Trotzdem bin ich nun mal leidenschaftliches Kind des Ruhrpotts. Und das ist nicht immer so einfach im Norden. Ich bin sehr offen und direkt, sage oft geradeheraus was ich denke.

„Im Ruhrpott krisse die Meinung direkt ins Gesicht“, sagt man bei uns. Manchmal winken wir Ruhrpottler nicht mit dem Zaunpfahl – wir hauen dem Gesprächspartner auch schon mal direkt den ganzen Zaun auf den Kopf. Zwar meistens mit Herzlichkeit , aber ich habe das Gefühl, dass überfordert den Norddeutschen gelegentlich. Er übt sich ja oft eher in Zurückhaltung.

Meine Erfahrung: er/sie kann damit nicht immer umgehen. Aber ich mag das sehr, beide Welten haben ihren ganz eigenen Charme und in beiden Welten fühle ich mich pudelwohl. Es passt auch besser zusammen als man denkt, mein Mann beispielsweise ist ein richtig typischer Norddeutscher.

JJ: Nochmal gehe ich von mir aus. Seit 2009 esse ich kein Fleisch (und so weiter) mehr. Unter anderem, weil ich das unter den Bedingungen der Massentierhaltung mit meinem Gewissen nicht verantworten kann. Ich habe mich schon öfter sehr gerne um Kater oder Hunde gekümmert. Als Tierfreund bezeichne ich mich indes nicht. Ich bezeichne es als selbstverständlich, normal. Warum engagierst du dich im Tierschutz – und wie?

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Tina Susan Smidt, Foto Alexander Resch

Tina-Susan: Das, was Du da beschreibst, bezeichne ich auch als selbstverständlich. Für viele Menschen ist es das aber leider nicht. Deshalb brauchen Tiere Menschen, die sich für sie stark machen und ihnen eine Stimme geben. Ich sehe das nicht als Tierschutz, ich sehe das eher als Achtung vor dem Leben.

Das, was mit Tieren geschieht, sei es in in der Nutztierhaltung, der Pelzindustrie, bei Tierversuchen oder wo auch immer, ist einfach unfassbar grausam! Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er das unterstützen will, oder nicht. Bei mir heißt die Antwort ganz klar „Nein“. Seit der Grundschule bin ich konsequente Vegetarierin und seit fünf Jahren Veganerin.

Als Texterin habe ich unter anderem für PETA gearbeitet und auf diesem Weg versucht, mich für Tiere zu engagieren. Ich unterstütze verschiedene Tierschutzorganisationen. Unter anderem einen Bauernhof für ausgediente „Nutztiere“, eine spanische und eine türkische Rettungsstation für Straßentiere, die Organisation „Rettet das Huhn“ und eine Organisation, die sich für Stadttauben stark macht.

Unterstützen heißt für mich aber nicht nur zu spenden, sondern auch aktiv mitzuarbeiten. Also verletzte Tiere einsammeln und aufpäppeln, Öffentlichkeitsarbeit machen, informieren und ein Bewußtsein für die Probleme schaffen. Oft entsteht viel Tierleid nämlich auch durch Unwissenheit.

Mein nächstes Ziel ist es, sobald das mit Corona alles wieder einfacher wird, eine spanische Tierschutzorganisation auch vor Ort zu unterstützen. Konkret heißt das: verletzte Tiere einfangen, Tiere versorgen, Zäune bauen, die ganze Anlage weiter ausbauen, Gehege reinigen – aber auch vor Ort Aufklärungsarbeit leisten. Letztlich sind das alles natürlich Tropfen auf den heißen Stein. Aber ich muss einfach etwas tun. Ich kann nicht tatenlos ansehen, was passiert. Es ist mir eine absolute Herzensangelegenheit und hätte ich einen Wunsch frei, dann würde ich mir wünschen, es gäbe gar keinen Tierschutz.

Einfach, weil er nicht mehr notwendig ist. Aber es ist schwer, diese Frage in ein paar Sätzen zu beantworten. Dazu müsste man eigentlich ein eigenes Interview machen, so umfangreich, komplex und wichtig ist das Thema.

JJ: Zurück zum Schauspiel. Du hast dich umfassend und kontinuierlich weitergebildet. Warum?

Tina-Susan: Ich bin ja nicht den klassischen Ausbildungsweg gegangen und habe auch keine namenhafte staatliche Schauspielschule in meiner Vita, mit der ich glänzen kann. Um so wichtiger ist es mir, mein Handwerk wirklich zu beherrschen. Davon abgesehen bin ich sehr neugierig und bleibe gerne in Bewegung.

Schauspiel hat meiner Meinung nach auch viel mit Training zu tun. Es ist interessant, neue Schauspieltechniken auszuprobieren, sich selbst generell immer wieder neu auszuprobieren. Abgesehen davon macht es mir einfach Spaß. Es ist nicht mein Wunsch, berühmt zu sein – sondern einfach nur eine echt gute Schauspielerin.

JJ: Nehmen wir mal an, Tina-Susan, unsere Rhön-Wunschfee hier bietet dir die Tatortkommissarin Gelsenkirchen an. Du kannst aussuchen, wie die Rolle angelegt ist. Bist du die im Schlabber-Trenchcoat und mit dem klapprigen Peugeot wie einst Colombo oder eher Lady Extravagant?

Tina-Susan: Oh ja, Tatort Gelsenkirchen! Wie geil wäre das denn! Ich bin als Kind mit Schimanski aufgewachsen und das hat mich sehr geprägt. Daher wäre meine Tatort-Kommissarin wohl auch eher direkt, ruppig und wenig elegant- dafür aber mit einem großen Herzen.

Vielleicht sogar jemand, der auch genauso gut auf der anderen, kriminellen Seite hätte landen können. Aber immer versucht, das seiner Meinung nach Richtige zu tun. Was nicht zwangsläufig auch immer das Richtige im Sinne des Gesetzes sein muss… Und: meine Kommissarin würde wahrscheinlich ständig Kaffee trinken.

JJ: Ich sage mal Michelle Pfeiffer und Jack Nicholson oder auch Lisa Wagner und Axel Milberg. Welche Namen fallen dir ein, wenn du ins Schwärmen über Schauspieler/innen kommst?

Tina-Susan: Da muss ich keine Sekunde nachdenken: Anna Schudt, Catrin Striebek, Ulrich Noethen und Murathan Muslu. Alle vier sind großartige Schauspiele*innen, deren Arbeit ich sehr bewundere und mit denen ich wahnsinnig gerne einmal arbeiten würde. Davon abgesehen war ich schon immer großer Fan von Götz George und Birol Ünel.

Was für zwei besondere Typen und ganz spezielle Schauspieler! Beide haben mich immer so gefesselt mit dem, was sie vor der Kamera gemacht haben. Und leider sind beide viel zu früh gestorben.

JJ: Was liegt beruflich an demnächst?

Tina Susan Smidt,
Tina Susan Smidt, Foto Thomas Leidig

Tina-Susan: In diesem Jahr werde ich ein Regiepraktikum machen. Das interessiert mich schon lange, ich möchte mehr Einblick in dieses Handwerk bekommen und auch meine eigenen Sachen umsetzen. Jetzt habe ich glücklicherweise die Möglichkeit, bei einem sehr spannenden Filmprojekt eines Hamburger Regisseurs dabei sein zu können. Gedreht wird mit einem tollen Cast in Hamburg und der Türkei – ich freue mich schon mega!

Dann bin ich in diesem Jahr in der Vor-Jury für den Deutschen Schauspielpreis. Das heißt aktuell: jede Menge Filme und Serien sichten. Und dabei habe ich bereits ein paar sehr interessante Formate kennengelernt, die ich vorher noch gar nicht so auf dem Zettel hatte!

Das ein oder andere davon ist toller Stoff für meine Schauspiel-Wunschliste. Apropros Wunschliste: Seit vorgestern steht eine Anfrage für eine Rolle von genau dieser Wunschliste im Raum – Ich kann also den ein oder anderen gedrückten Daumen gebrauchen!

JJ: Danke. Viel Erfolg dabei, mehr Spaß und noch mehr Gesundheit.

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Weitere Informationen: https://www.filmmakers.de/tina-susan-smidt

Foto Startseite: Jennifer Mohr

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