Spirit, Schweiß und Spaß

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Karla Görlitz; Scheere Photos Jena

Karla Görlitz;
Scheere Photos Jena

Karla Görlitz spielt seit 2019 für den FF USV Jena in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga Fußball. Die 1,70 Meter große Abwehrspielerin stammt aus Magdeburg. Darüber, und über viel mehr, erzählt sie uns. Hier und jetzt:

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„Positive Menschen gefallen mir. Ich glaube, ich bin auch einer“

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JJ: Karla, wenn du in der Saison 2019/2020 (als Abwehrspielerin) Tore geschossen hast, dann waren es die Ehrentreffer. War das der Plan oder war es Zufall?

Karla Görlitz: Obwohl ich in der Abwehr spiele, habe ich auch gute Offensivqualitäten. Durch meine Schnelligkeit und meine Schusstechnik bin ich durchaus torgefährlich. Schöner wäre es natürlich, einen Siegtreffer zu erzielen als einen Ehrentreffer. Aber leider spielte da die Schiedsrichterin nicht mit, sonst wäre es gegen den 1. FC Köln so weit gewesen.

JJ: Beim 1:6 gegen Hoffenheim wurde dein Tor gar von den MDR Zuschauern mit deutlicher Mehrheit zum „Volltreffer“ gewählt (eine Art Tor des Monats für Mitteldeutschland). Wie war das für dich, ein schwacher Trost… Glück im Unglück?

Karla: Es war schon etwas ganz Besonderes, da es mein erstes Bundesligator im ersten Spiel der Frauen-Bundesliga war. Ich war erst fünf Minuten im Spiel, bin über den halben Platz gelaufen und habe nach einem Doppelpass mit Jalila abgezogen. Dass mein Tor in die MDR-Auswahl kam und so vielen Zuschauern gefallen hat, hat mich schon ein wenig stolz gemacht. Natürlich war die deutliche Niederlage gegen Hoffenheim im ersten Spiel für uns alle sehr bitter.

JJ: In der aktuellen Saison steht Ihr am Tabellenende, habt einige Schlappen einstecken müssen, aber auch achtbare Ergebnisse erzielt. Ich bin gerne positiv, Karla, versuche du es bitte bei der Beantwortung meiner Frage ebenfalls. Was macht dir Mut, wenn du auf die letzten Monate sportlich zurückblickst?

Karla Görlitz; Scheere Photos Jena

Karla Görlitz;
Scheere Photos Jena

Karla: Positive Menschen gefallen mir. Ich glaube, ich bin auch einer. Wir haben in einer Reihe von Spielen gezeigt, dass wir mehr können als es unser aktueller Tabellenplatz vermuten lässt.

So haben wir im Rückspiel in Hoffenheim ein sehr gutes Spiel gemacht und waren dort aus meiner Sicht auf Augenhöhe mit dem Gegner. Auch in den Spielen gegen Frankfurt, Köln oder Duisburg waren wir mindestens gleichwertig.

Wir sind ein junges Team und haben weiteres Entwicklungspotential. Der Rückstand ist jedoch schon groß, weshalb wir die nächsten Spiele gewinnen müssen, wenn wir die Klasse halten wollen. Ich glaube daran, dass wir das schaffen.

JJ: Jetzt spielst du für den FF USV Jena, vorher warst du für den Magdeburger FFC aktiv. Beide Städte waren im Männerbereich mal Spitze, auch wenn das lange her ist. Erste Liga in der DDR. Ist das für dich uninteressant und Schnee von gestern oder weißt du davon; hast du beispielsweise von Harald Irmscher oder Peter Ducke, von Achim Streich oder Jürgen Sparwasser gehört?

Karla: Ich habe vor vielen Jahren beim 1. FC Magdeburg mit dem Fußballspielen bei den Jungs begonnen. Dann bin ich zum TuS Magdeburg gewechselt und habe dort bis zu den B-Junioren in der Verbandsliga gespielt. Beim Magdeburger FFC hatte ich ein Zweitspielrecht, über das ich dann zusätzlich in der B-Juniorinnen Bundesliga gespielt habe. Manchmal habe ich am selben Wochenende samstags bei den Jungs und sonntags bei den Mädels gespielt oder umgekehrt.

Von den alten Zeiten und dem Sieg im Europapokal vor über 40 Jahren schwärmen noch heute viele Magdeburger. Die Namen Sparwasser und Streich kenne ich als Magdeburgerin. Das waren damals Top-Spieler, die auch in der Nationalmannschaft gespielt haben. Vom Jenaer Männerfußball weiß ich weniger. Peter Ducke muss wohl ein guter Fußballer gewesen sein. Nach ihm ist ein Weg am Stadion benannt.

JJ: Zurück in die Gegenwart, gibt es Spielerinnen oder Spieler, denen du gerne zuschaust? Oder Mannschaften? Gab es mal Vorbilder?

Karla: Ja, ich bin Fan von Bayern München. Sportlich fand und finde ich Thomas Müller gut, auch seine coole und lockere Art gefällt mir.

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„Fußball ist Leidenschaft und Emotion“

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JJ: Was fasziniert dich am Fußballsport; wenn du selber spielst, wenn du anderen Teams zuschaust?

Karla: Fußball ist Leidenschaft und Emotion. Das Spiel mit dem Ball hat mich schon als kleines Mädchen begeistert. Und als ich gemerkt habe, dass ich in den Jungenmannschaften mithalten konnte und mich dort zur Stammspielerin in den höheren Juniorenligen entwickelt habe, hat mich der Ehrgeiz nicht mehr losgelassen. Außerdem hat es immer viel Spaß gemacht, als einziges Mädchen mit den Jungs zu spielen. Einen solchen Weg kann ich jeder Fußballerin nur empfehlen, wenn sie das entsprechende Talent und die körperlichen Voraussetzungen mitbringt.

Beim Fußball sind viele Fertigkeiten gefragt. Kampf, Technik, Ausdauer, Schnelligkeit, Sprungkraft und ein gutes Spielverständnis sind individuelle Fähigkeiten, die aber nur über ein gutes Miteinander im Team zum Erfolg führen. Fußball ist ein Mannschaftssport und da muss man sich aufeinander verlassen können. Mir gefallen Mannschaften gut, die einen technisch guten und kreativen Fußball spielen und die daraus dann auch viele Tore machen. Ja, und so bin ich wohl auch Bayern-Fan geworden. 😉

Karla Görlitz; Scheere Photos Jena

Karla Görlitz;
Scheere Photos Jena

JJ: Gab es in deiner Entwicklung den Moment, in dem du dir vorgenommen hast, mal so richtig ernsthaft in den obersten Ligen oder intenational zu spielen? 0der war das eine langsame Entwicklung?

Karla: Nein, es gab nicht den einen Moment. Es war eher eine stetige Entwicklung. Ich habe immer viel Spaß am Fußball gehabt, aber auch fleißig trainiert. Sicher wollte ich auch erfolgreich sein; mein Ehrgeiz bezog sich auf unser jeweiliges Spiel am Wochenende. Das wollte ich mit meiner Mannschaft gewinnen und selbst einen guten Teil dazu beitragen.

Über die Landesauswahlspiele der U 14 bis zur U 18-Mannschaften der Mädchen von Sachsen-Anhalt habe ich dann auch an den Länderpokalspielen in Duisburg teilgenommen. Und über diesen Weg haben mich dann viele Einladungen zu DFB-Lehrgängen erreicht. Der Höhepunkt waren die Einsätze in der deutschen U 17 beziehungsweise U 19-Nationalmannschaft der Frauen, zuletzt in La Manga in Spanien im März dieses Jahres.

Die ersten richtigen Gedanken über meinen weiteren fußballerischen Weg habe ich mir gemacht, als feststand, dass es im Jungenfußball altersbedingt nicht weitergeht und gleichzeitig meine Schulzeit mit dem Abitur endete. So ist letztlich der Plan gereift, professionell weiter Fußball in einer Frauenmannschaft zu spielen und gleichzeitig ein Jurastudium aufzunehmen. Das passte in Jena gut zusammen.

JJ: Beschreibe mal bitte deine (Lieblings) Position auf dem Platz. Wie nennst du sie, welche Fähigkeiten musst du haben, welche hast du, was macht Spaß an genau dieser Postion? (Was macht Spaß am Verteidigen?)

Karla: Naja, ich habe mich mit der Position der linken Verteidigerin mittlerweile gut angefreundet. Ich bin aber auch weiter vorne gut einsetzbar. Ich habe schon häufig sowohl im linken Mittelfeld als auch links vorne gespielt und dabei früher viele Tore geschossen. Aber irgendwann hat mein Trainer in der Landesauswahl gesagt, dass ich auf der linken Verteidigerposition für ihn am wertvollsten sei. Damit war mein Schicksal besiegelt. 😉

Als Verteidigerin ist es natürlich zwingend notwendig, in die Zweikämpfe zu gehen. Ich nehme Zweikämpfe an und habe keine Angst davor. Das ist sicher eine Grundvoraussetzung für diese Position. Mein Kopfballspiel ist ebenfalls gut. Meine Schnelligkeit hilft zudem, gegen schnelle Stürmerinnen in der Bundesliga zu bestehen. Außerdem mag ich es, das Spiel vor mir zu haben und von hinten heraus eröffnen zu können.

Karla Görlitz; Scheere Photos Jena

Karla Görlitz (in Weiß, vorne);
Scheere Photos Jena

Und wenn ich mit nach vorne gehe, schlage ich auch gute Flanken für unsere Stürmerinnen oder schieße manchmal auch Tore. Insgesamt kann und muss man auf dieser Position sehr flexibel spielen und ist nicht nur auf das Verteidigen beschränkt.

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„Schienbeinschoner sollten sowieso immer oberste Qualität haben“

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JJ: Karla, bist du eher die Verteidigerin, bei der die Stürmerinnen besser Schienbeinschoner der obersten Qualität tragen sollten – oder eher – die den Ball sauber erobert und genauso sauber hinten raus spielt?

Karla: Es ist wohl eine Mischung aus Beidem. Ich sehe es so, dass ich meistens mit fairen Mitteln versuche, die Gegnerinnen zu stoppen. Fouls lassen sich dabei nicht immer vermeiden. Und Schienbeinschoner sollten sowieso immer oberste Qualität haben. Das saubere und ruhige Herausspielen ist aus meiner Sicht eine Stärke in meinem Spiel.

JJ: Was gefällt dir an der Stadt Jena, wie sind die Fans drauf?

Karla: Ich fühle mich in Jena sehr wohl und habe dort viele Freunde und Freundinnen gefunden. Jena ist übersichtlich und hat trotzdem Vieles zu bieten. Ich mag Städte an Flüssen und finde die Umgebung mit viel Grün und den Hügeln drum herum sehr schön.

Die Fans in Jena sind einmalig. Für mich war das neu. Es ist eine kleine Fangemeinde, die bei jedem Heimspiel mit anpackt, einen Fanstand aufbaut und Fanartikel verkauft, die sogar eine eigene Fanzeitung herausgibt und zusätzlich in jedem Spiel mit vollem Einsatz hinter uns steht. Ich bin sehr dankbar, dass sie uns auch bei weiten Auswärtsfahrten, beispielsweise nach Freiburg, Hoffenheim oder Köln, begleiten und mit ihren Trommeln anfeuern. Das ist bei unseren Ergebnissen in dieser Saison nicht selbstverständlich.

JJ: Wie familiär, wie professionell ist der Verein aufgestellt?

Karla: Es fühlt sich sehr familiär an. Der Verein kümmert sich um seine Spielerinnen und unterstützt bei Problemen. Es gibt einen guten Kontakt zu den Fans. Frauenfußball hat in Jena Tradition und die vielen Jahre in der ersten Bundesliga zeigen, dass der Verein auf hohem Niveau arbeitet. Auch im Nachwuchs wird mit Sportschule und Bundesligafußball gute Arbeit geleistet.

Professionalität hat aber auch etwas mit finanziellen Möglichkeiten zu tun. Und da unser Verein im Vergleich zu anderen Mannschaften wohl eher ein kleines Budget hat, müssen wir uns an manchen Stellen im Vergleich zu anderen Teams eben einschränken.

JJ: Jetzt mal abgesehen vom eingangs erwähnten Tabellenstand, was für ein Team hatte sich da für die Saison 2019/2020 zusammen gefunden, spielerisch und menschlich?

Karla: Der Teamspirit stimmt. Ich bin als junge Spielerin sehr gut aufgenommen worden. Im Training fließt nicht nur Schweiß, sondern wir haben Spaß und lachen auch viel miteinander.

Sportlich hatte ich mir das anders vorgestellt. Dass die Saison schwer werden würde, ahnten wahrscheinlich alle. Wir hatten zu Beginn der Saison viele neue, junge Spielerinnen – zu denen ich ja auch gehöre – zu integrieren. Das brauchte Zeit. Und dann fehlte uns an einigen Stellen auch ein wenig das Glück, um mehr Punkte zu holen und von den Abstiegsrängen weg zu kommen.

Karla Görlitz; Scheere Photos Jena

Karla Görlitz;
Scheere Photos Jena

JJ: Karla, hast du bei allem Realismus einen Fußballerinnentraum? Mal einen Titel holen, eine Weltmeisterschaft spielen…?

Karla: Mein Ziel ist es, weiter in der ersten Bundesliga zu spielen. Außerdem hoffe ich, weitere Einsätze in der Nationalmannschaft zu bekommen. Mein Traum wäre es in der Tat, einmal in einem vollen Stadion in einem großen Finale zu stehen und zu gewinnen. Noch schöner wäre es, wenn unser Frauenfußball in der Gesellschaft eine höhere Akzeptanz finden würde und wir auch in Jena mal ein volles Stadion beim Spiel hätten.

JJ: Vielen Dank. Viel Erfolg, mehr Spaß und noch mehr Gesundheit!

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Weitere Informationen: Karlas Team auf der Vereins-Webseite

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