Vielfältig und komplex

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Michelle Petter; Foto Amelie Jehmlich, art-n-photo

Michelle Petter;
Foto Amelie Jehmlich, art-n-photo

Michelle Petter spielt in der 1. Volleyball Bundesliga der Frauen die Position der Libera. Die geborene Dresdenerin kehrte nach zwei Jahren beim „VfB Suhl Lotto Thüringen“ im Jahr 2017 wieder zurück an die Elbe zum „Dresdner SC 1898“.

Ihr Coach Alexander Waibl nennt die 1,76 Meter Frau „eine große Kämpferin“. Michelle selbst sieht diese Eigenschaft indes als völlig normal. Warum, das erzählt sie uns. Hier und jetzt – und noch mehr:

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„In meinen Augen muss jeder kämpfen, der irgendwann mal oben ankommen möchte. Und ich möchte das, also muss ich kämpfen“

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JJ: Michelle, da du waschechte Dresdnerin bist, muss ich, bevor wir in medias res gehen, eine Dresden-Frage stellen, und weil ich waschechter Thüringer bin, eine Thüringen-Frage: Was liebst du an deiner Heimatstadt, die in meiner die-schönsten-Städte-Liste ganz, ganz oben steht? Und: Wie hat es dir von 2015 bis 2017 in meinem Thüringen gefallen?

Michelle Petter: Auch ich finde, Dresden ist eine der schönsten Städte in Deutschland. Das nehme ich als Dresdnerin leider nicht so oft wahr, aber immer wenn ich an der Elbe spazieren gehe und auf die schöne Innenstadt mit der Frauenkirche schaue, wird mir wieder bewusst, wie schön diese Stadt ist.

Die Jahre in Thüringen haben mir sehr gut gefallen, leider habe ich nicht so viele Ecken des Landes gesehen. Ich habe in der kleinen – aber doch schönen – Stadt Suhl gelebt und war ab und an auch mal Erfurt besuchen. Jedoch hat mir mein Dresden schon etwas gefehlt.

Michelle Petter

Michelle in ihrem Dresden

JJ: Nun aber zum Volleyball. Was fasziniert dich genau an dieser Sportart?

Michelle: Mich fasziniert am Volleyball, dass der Sport so vielfältig und komplex ist. Es wird nie im Spiel eine Situation geben, in der ich als Gegner zu 100 Prozent weiß, was die andere Mannschaft jetzt spielt. Das heißt, ich muss auf alles gefasst sein und mich im Vorfeld gut und intensiv mit den Kontrahenten beschäftigen.

Deshalb machen wir auch vor jedem Match eine gründliche Analyse. Unser Training ist nicht einseitig und wird dadurch nie langweilig. Neben dem Training am Ball und den Krafteinheiten machen wir in der Vorbereitung auf die neue Saison viel Athletiktraining.

Also alles in allem: Wir können zwar unsere Technik und Taktik trainieren und uns auf den Gegner einstellen, aber im Spiel kann alles ganz anders kommen.

JJ: Ich weiß aus eigener (Hobby) Erfahrung, dass im Volleyball der wichtigste Mitspieler der Teamgeist ist. Plaudere bitte mal aus deiner Erfahrung, warum das so ist – und hat er einem deiner Teams schon mal den … Sieg gerettet?

Michelle: Im Volleyball ist es super wichtig, eine Mannschaft zu bilden, die einen gewissen Teamgeist hat. Das ist sicher nicht immer ganz einfach, und ich hatte in meiner Laufbahn schon das eine oder andere Team, in dem der Teamgeist nicht so sehr ausgeprägt war, wie es vielleicht hätte sein sollen. Aber wenn der Teamgeist stimmt, dann merkt man das vor allem an sehr knappen und umkämpften Spielen.

Wir müssen als Mannschaft noch enger zusammenrücken und am gleichen Strang ziehen, wir müssen alle den gleichen Willen haben und es zusammen anpacken. Wir müssen uns auf und neben dem Feld alle unterstützen und helfen, weil wir nur so das umkämpfte Spiel gewinnen.

JJ: Wie eben schon erwähnt, habe ich nur als Hobby, im Urlaub zum Beispiel, Volleyball gespielt – und es war zudem im letzten Jahrtausend ;-). Damals gab es den Libero oder die Libera im Volleyball noch nicht. Deshalb ist Teil zwei meiner nächsten Frage für dich als Fachfrau eine doofe Frage, Michelle. Teil eins: Welche Aufgaben hat im Spiel die Libera und wieso nimmst du diese Position ein? Teil zwei (der doofe Teil): Ist die Angriffsstärke eines Teams nicht höher ohne Libero oder Libera?

Michelle: Die Libera ist im Volleyball meist die körperlich kleinste Spielerin, wie auch in meinem Fall. Ich komme immer rein, wenn die Mittelblocker vom Netz noch hinten rotieren. Und habe dann die Aufgabe, den sogenannten Annahmeriegel zu organisieren und die Annahme zu verstärken.

Michelle (links) und Rica Maase, Foto Dirk Michen

Michelle (links) und Rica Maase, Foto Dirk Michen

Das bedeutet, ich muss sagen, welche Art von Aufschlag die gegnerische Spielerin jetzt machen wird (das weiß ich durch die Videoanalyse im Vorfeld), was die Spielerin vielleicht besonders gut kann (wie zum Beispiel der Ball fallen kann, die Spielerin kann gut kurze und lange Aufschläge variieren, sie kann gut an die Seitenlinie aufschlagen…) und ich teile ein, wieviel Feld jede der drei Annahmespielerinnen nimmt.

Auch bei der Abwehr muss ich schauen, dass der Block richtig steht, damit wir im Hinterfeld gut den Ball abwehren können. Ansonsten muss ich versuchen, dass die Gegnerinnen keinen Ball auf unserer Feldseite auf den Boden bekommen – von hartgeschlagenen Bällen über Rollshots und Tipp-Bällen, aber auch Block Abpraller muss ich versuchen zu verteidigen.

Natürlich ist es so, dass ich mit keinem Ball angreifen darf, aber Volleyball hat sich so sehr entwickelt, dass wir immer vier Optionen haben, die den Ball angreifen können. Wir trainieren Tag für Tag unsere Spielzüge, da kann man so einiges machen. Also nein, ich würde nicht sagen, dass es wegen der Libera an Angriffsstärke fehlt.

JJ: Du hast im Nachwuchsbereich im Nationalteam gespielt. Mit speziellen oder besonderen Gefühlen? Wie stand zu dem Zeitpunkt in der Altersklasse der deutsche Volleyball im internationalen beziehungsweise europäischen Vergleich da?

Michelle: Ja, ich habe im Nachwuchsbereich in der Nationalmannschaft gespielt. Ich habe mich immer super gefreut, wenn ich endlich die E-Mail vom Verband hatte, mit der ich eingeladen wurde. Es ist natürlich etwas Besonderes, mit dem Adler auf der Brust aufzulaufen und mit den besten Spielerinnen des Jahrgangs zu trainieren und zu spielen. Die Zeit bei der Nationalmannschaft war immer sehr hart und anstrengend, aber ich konnte immer viel davon mit zurück nach Dresden nehmen.

Michelle Petter in Aktion; Foto Dirk Michen

Michelle in Aktion; Foto Dirk Michen

Ich war bei einer Europameisterschaft dabei, da sind wir Siebte geworden und haben uns für die Olympischen Spiele der Jugend (EYOF) qualifiziert, doch leider hätten wir Sechste werden müssen, um uns für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Das Erlebnis EYOF werde ich niemals vergessen. Es war super schön und interessant. Am Ende sind wir Vierte geworden und haben somit ganz knapp die Medaille verpasst.

JJ: Wenn ich Nachrichten lese, in denen es um dich geht, taucht sehr oft das Wort „Kämpferin“ auf. Wie siehst du das selbst, kämpfst du ganz bewusst besonders – oder bist du einfach so, ist das Michi wie sie leibt und lebt?

Michelle: Mir ist ehrlich gesagt gar nicht bewusst, dass ich oft so beschrieben werde. Ich würde auch nicht sagen, dass ich unnormal viel mehr kämpfe als andere, aber in meinen Augen muss jeder kämpfen, der irgendwann mal oben ankommen möchte. Und ich möchte das, also muss ich kämpfen.

JJ: Michelle, die Saison 2018/2019 ist ganz, ganz frisch, deshalb frage ich nach dem ersten Gefühl. Was für ein Team hat sich da in Elbflorenz zusammengefunden, menschlich wie spielerisch, wie sind die Mädels drauf?

Michelle: Ja genau, die Saison hat noch gar nicht richtig gestartet, aber wir haben unsere ersten Vorbereitungsturniere hinter uns und dort konnten wir deutlich sehen, was für ein Potenzial in unserer neuen Mannschaft steckt. Ich denke, wir sind jetzt schon ein super Team mit großem Teamgeist. Und ich bin mir sicher, dass wir das über die Saison noch ausbauen können. Ich freue mich riesig, dass es bald los geht.

JJ: Und: Hast du dir ein persönliches Ziel gesetzt (welches)?

Michelle: Mein Ziel ist es natürlich, so viel wie möglich zu spielen. Dazu gehört, dass ich mich weiter entwickle und mein Können stabilisiere.

Das ist jetzt meine vierte Saison in der 1. Bundesliga und ich bin trotzdem erst 21 Jahre jung und gehöre somit zu dem Kreis der Jungen und noch nicht so erfahrenen Spielerinnen, gerade auf meiner Position braucht man da sehr viel Geduld.

JJ: Jetzt nochmal eben auf Anfang. War es bei dir der Klassiker, du bist als Kind mit deinem Vater, Onkel oder Bruder zum Volleyballtraining und gleich dort geblieben – oder ganz anders?

Michelle: Nein, bei mir war es nicht ganz der Klassiker. Ich habe mich, als ich ganz kein war, beim Eiskunstlaufen versucht, aber die Ballettstunden waren dann doch nicht meins, also haben meine Eltern und ich weitergesucht.

In der Zeit bin ich mit meinem älteren Bruder immer mal wieder zum Fußball gegangen, das hat mir eigentlich auch sehr viel Spaß gemacht. Ich wollte trotzdem noch mehr probieren, also war ich beim Leichtathletik-Probetraining, das mir ebenso so viel Freude machte, sodass ich dort den Eignungstest für die Sportschule gemacht habe.

Michelle Petter

Michelle beim Training

Ich hatte ihn bestanden, aber… zur gleichen Zeit, als ich zum Leichtathletik-Probetraining war, war ich auch beim Probetraining vom Volleyball. Und auch da hat es mir super gefallen, also habe ich zirka drei Jahre Volleyball und Leichtathletik parallel gemacht – bis zur Einschulung auf die Sportschule.

Weil ich auch vom Volleyball empfohlen wurde, musste ich mich dann entscheiden. Alle haben mir geraten, bei der Leichtathletik zu bleiben, da ich dort zu diesem Zeitpunkt auch ziemlich erfolgreich war. Sie haben immer alle gesagt, dass ich viel zu klein bin und es eh nicht schaffen werde, alle haben versucht, mich zu überreden, aber ich wollte Volleyball spielen. Also habe ich mit Leichtathletik aufgehört und bin mit der 5. Klasse auf die Sportschule.

JJ: Danke.

Weitere Informationen: Michelle auf der Webseite ihres Vereins

Foto Startseite: Dirk Michen

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