In der Nähe des Tores

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Leonie Kreil; Foto Hannes Seifert

Leonie Kreil in Weiß/Blau;
Foto: Hannes Seifert

Die 1,68 m große Offensivspielerin Leonie Kreil brachte im Sommer Erfahrungen aus der U17 des FC Bayern München, vom ETSV Würzburg (33 Spiele in der zweiten Liga) und dem College Team der West Florida Argonauts mit nach Thüringen zum FF USV Jena.

Nach zwei Auslandsjahren in Pensacola, USA, wo sie an der University of West Florida studierte, kehrte sie nun nicht nur in den deutschen Fußball zurück, sondern lernte auch die Universitäts- und Wirtschaftsmetropole Ostthüringens kennen. Und schätzen. Das – und vieles mehr – erzählt Leonie uns hier und jetzt:

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„Der Fanclub ist keine Selbstverständlichkeit. Diese Unterstützung ist große Klasse und beutet uns Spielerinnen außergewöhnlich viel“

 

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JJ: Leonie, erzähle bitte zunächst mal ein bisschen von deiner College Zeit in Florida/USA; über Land und Leute, das College, dein Team dort – und den Stellenwert von Fußball (Soccer), beispielsweise im Vergleich zum Basketball.

Leonie Kreil: Nach meinem Abitur erhielt ich ein Stipendium-Angebot von der University of West Florida. Dies ermöglichte mir, neben dem Studium meiner Leidenschaft, dem Fußballspielen, nachzugehen. Um beides unter einem Hut zu bekommen, war ein geregelter Tagesablauf unvermeidlich. Täglich, um sechs Uhr in der Früh, war ein Kraft- oder Athletiktraining angesetzt. Eine weitere zweistündige Trainingseinheit stand um die Mittagszeit auf dem Plan und dazwischen ist jeder seinen Pflichten des Studiums nachgegangen.

Im Vergleich zu Deutschland ist der Fußball sehr athletisch ausgerichtet und hat bei Weitem nicht so einen großen Stellenwert wie Football und Basketball. Trotzdem würde ich behaupten, dass insbesondere der Frauen-Fußball immer mehr an Attraktivität gewinnt. Außerdem erstreckt sich die Saison, nicht so wie wir es kennen, über das ganze Jahr, sondern geht nur über die Herbst- und Wintermonate. Auf Grund dessen war es nicht ungewöhnlich, zwei bis drei Spiele pro Woche zu haben.

Einfach war es somit nicht immer, vor allem, wenn Familie und Freunde nur telefonisch erreichbar waren. Kampfgeist und Ausdauer waren zwei der größten Disziplinen, Einsamkeit jedoch ein Fremdwort. Die amerikanische Mentalität gefällt mir daher sehr gut: Die Leute sind freundlich, offen für Neues und gehen aus sich raus. Mitspielerinnen wurden zu Freundinnen und die Mannschaft zu einer zweiten großen Familie.

Leonie Kreil, Foto Hannes Seifert

Leonie Kreil im blauen Trikot,
Foto: Hannes Seifert

Ich habe tolle Erfahrungen gemacht, sowohl negative als auch positive, die mich persönlich reifen ließen. Der Auslandsaufenthalt in Amerika war eine meiner besten Entscheidungen und das kann ich jedem nur weiterempfehlen. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit an der University of West Florida.

JJ: War dein Weg zum Fußballsport als Mädchen der Klassiker –  mit dem Vater, Onkel oder großen Bruder, die dich zum Training mitnahmen, oder ganz anders?

Leonie: Ganz klassisch. Meine zwei älteren Brüder haben im Dorfverein Fußball gespielt. Die beiden kamen öfters mit tollen Erzählungen vom Fußballtraining nach Hause, so dass sie mich neugierig machten und ich unbedingt zu dem Training wollte. Letztendlich nahmen sie mich mit und von diesem Tag an war Fußball für mich nicht mehr wegzudenken.

JJ: Was hat dich damals als Kind am Ball gehalten?

Leonie: Seit ich vier Jahre alt bin, spiele ich jetzt schon Fußball. Als ich kleiner war, habe ich sehr viele Sportarten wie Leichtathletik, Tennis und Tanzen ausgeübt. Trotzdem habe ich keine Sportart so gerne gemacht wie das Fußballspielen. Für mich war es auch überhaupt kein Problem, als einziges Mädchen auf dem Fußballplatz zu stehen.

Wichtig war nur, ich hatte einen Ball an meinen Füßen. Spaß und Leidenschaft brachten mich stetig zu den zahlreichen Trainingseinheiten. Schlussfolgernd kam durch Ausdauer auch der Erfolg dazu. Gewonnene Medaillen und Meisterschaften waren die Belohnung der Arbeit und auch die Motivation, weiterhin am Ball zu bleiben.

JJ: Worin besteht (jetzt) deine ganz persönliche Faszination Fußball, sowohl wenn du selbst spielst als auch wenn du Zuschauerin bist, Leonie?

Leonie: Im Allgemeinen liebe ich, dass Fußball zu einer der Mannschaftssportarten zählt. Sowohl auf als auch neben dem Platz wachsen Individuen zu einer Einheit zusammen. Ein Beispiel ist die Fußball-Weltmeisterschaft. Dieses Turnier bringt Menschen zusammen und verbindet verschiedene Kulturen auf der ganzen Welt. Es sind die pure Lebensfreude und der Spaß am Zusammensein.

Persönlich fasziniert mich, dass vor jedem Fußballspiel, egal ob ich spiele oder nicht, sich eine euphorische Stimmung in mir breitmacht. Bei Fußball rollt nicht nur der Ball zwischen zwei Toren auf einem Rasen, sondern es erweckt auch jede Menge Emotionen. Das macht diese Sportart so unglaublich attraktiv.

JJ: Beschreibe bitte mal deine Lieblingsposition auf dem Platz. Was musst du können speziell für diese Position und welche Talente und Fähigkeiten bringst du mit?

Leonie: Eine spezielle Lieblingsposition gibt es für mich nicht, es muss nur in der Nähe des gegnerischen Tores sein. Meiner Meinung nach sind Schnelligkeit, die Beherrschung mit dem Ball, Übersicht und die gewisse Coolness vor dem Tor die wichtigsten Talente und Fähigkeiten, die ein Offensivspieler mit sich bringen sollte.

JJ: Leonie, ich war (auf unterstem Niveau) weder Stürmer noch Vollstrecker, eher Vorbereiter – und hatte daran Spaß. Wie sieht es bei dir aus, ist das Tor in (fast) jeder Spielsituation dein Ziel?

Leonie Kreil (in Blau) , Foto: Hannes Seifert

Leonie Kreil (in Blau),
Foto: Hannes Seifert

Leonie: Natürlich. Für einen Stürmer gibt es nichts Schöneres als sich während des Spiels mit einem Tor zu belohnen. Allerdings spiele ich den Ball auch gerne ab, wenn ich das Gefühl habe, dass eine Mitspielerin in einer besseren Schussposition ist als ich. Bei mir steht der Teamgedanke mehr im Vordergrund als der individuelle Erfolg.

JJ: Gehst du gerne dahin, wo es weh tut (Strafraum mit knallharten Abwehrspielerinnen)?

Leonie: Ich zähle mich zu den schlanken und zierlichen Fußballspielerinnen und versuche daher, mit meiner Technik und Schnelligkeit knallharten Abwehrspielerinnen auszuweichen. Ich mag es nämlich nicht, wenn ich von Gegenspielerinnen gefoult werde, da dies das Risiko für Verletzungen fördert und erhöht.

JJ: Wenn ich dann doch mal vorm Tor war und eine 100-prozentige Chance vergeben habe, stellte ich fest, dass es gar nicht mal an fehlender Technik lag, sondern daran, dass ich innerlich schon jubelte, bevor ich vollstrecken konnte und dadurch die nötige letzte Konzentration verlor. Kennst du das – oder bist du cooler und abgeklärter als ich zu meiner Zeit?

Leonie: Nicht immer, aber ab und zu kommt es doch schon mal vor. Ich denke aber, dass diese Anspannung zum Sport dazu gehört. Denn selbst den weltbesten Spielern ist dies schon passiert, obwohl sie täglich auf dem Fußballplatz stehen und dafür trainieren. Genauso spiele ich schon seit 16 Jahren Fußball, und trotzdem spüre ich vor jedem Spiel eine gewisse Nervosität in mir und somit auch vor dem Tor.

JJ: Leonie, ich bin ein beinahe schon romantisch-naiver Freund von schönem Fußball – Hacke….Spitze….1,2,3… Fallrückzieher, Flugkopfball, Fritz Walter Hackentrick… ungeahnte Steilpässe… Wie sieht es bei dir aus?

Leonie: Ich liebes es, Spieler(innen), die ausgezeichnet mit dem Ball umgehen können, zuzuschauen. Es sieht einfach super cool aus. Deswegen bin ich auch so ein großer Fan vom brasilianischen Fußball. Allerdings bin ich nicht der Spielertyp. Meine Devise ist, einfach zu bleiben, denn das Hauptziel sollte ein Sieg sein, und nicht wer die meisten und besten Tricks auf dem Platz vorführen kann.

JJ: Immer wenn ich Fußballspielerinnen oder auch Basketballspielerinnen nach Kolleginnen oder Kollegen frage, die sie gerne in Aktion sehen, nennen sie Männer – und meist die üblichen Verdächtigen (Ronaldo, Messi). Wem schaust du gerne zu, auch einer Alexandra Popp zum Beispiel?

Leonie Kreil (in Blau) , Foto: Hannes Seifert

Leonie Kreil (in Weiß/Blau),
Foto: Hannes Seifert

Leonie: Ich zähle mich auch dazu, aber ganz ausschließen will ich den Frauenfußball natürlich nicht. Ich bin sehr interessiert, den Fußballstars der Frauen, wie Alexander Popp, zu zuschauen und sie auch anzufeuern. Logischerweise kann ich meine Leistung eher mit den Frauen als mit den Männern vergleichen und mich somit daran messen.

JJ: So, zu guter Letzt zu Jena: Wie gefällt dir die Stadt, hattest du Gelegenheit, das Umland kennenzulernen? Ist der Verein eine Mixtur aus familiär und professionell, wie sind die Fans drauf?

Leonie: Ich bin von der Stadt Jena sehr positiv überrascht. Wenn ich ehrlich bin, hat es mich zuvor nicht nach Jena gezogen, da mich die Plattenbauten an der Autobahn sehr abgeschreckt hatten. Aber ich muss zugeben, seitdem ich Anfang August in Jena wohne, hat sich meine Ansicht schnell geändert. Am besten gefällt mir, dass Jena eine perfekte Größe hat und zu einer der Universitätsstädte in Deutschland gehört.

Es ist nicht zu klein und nicht zu groß, doch bietet alles, was das Herz begehrt. Die Entfernungen sind sowohl zu Fuß als auch mit dem Fahrrad sehr bequem zu erreichen, was Jena zu einer sportlichen und jungen Stadt macht. Dies gibt ein gewisses Flair.

Abgesehen von meiner neuen Umgebung fühle ich mich auch in der Mannschaft sehr wohl und untergekommen. Meine Mannschaftskameradinnen sind offen und freundlich, und bei Fragen sehr hilfsbereit. Doch nicht nur das, auch sehr professionelle Zusammenarbeit wird hier geboten. Trotz des Abstiegs in die 2. Frauen-Bundesliga ist der Verein USV Jena weiterhin in vielen Bereichen im Erstliganiveau aufgestellt.

Außerdem zähle ich den Fanclub zu keiner Selbstverständlichkeit. Diese Unterstützung ist große Klasse und beutet uns Spielerinnen außergewöhnlich viel. Daher vielen Dank für den allzeit bedingungslosen Rückhalt!

JJ: Und: Bist du guter Dinge, dass der wenig optimale Start deines Teams nur ein temporärer Zustand ist beziehungsweise war, Leonie?

Leonie Kreil, Foto Hannes Seifert

Leonie Kreil (blaues Trikot),
Foto: Hannes Seifert

Leonie: Trotz unseres miserablen Startes in die 2. Frauen-Bundesliga bin ich stets guter Dinge. Auf jeder Position zeigen wir individuelle Klasse. Doch dadurch, dass die Mannschaft aus einem neu zusammen gewürfelten Haufen aus vielen jungen und älteren Spielerinnen besteht, müssen wir noch zu einem Team heranwachsen. Dies braucht Zeit und Geduld. Dennoch habe ich die Hoffnung und das Vertrauen an meine Mannschaft noch nicht verloren und sehe den unglücklichen Saisonauftakt als temporären Zustand.

JJ: Vielen Dank, viel Erfolg, mehr Spaß und noch mehr Gesundheit wünsche ich dabei.

 

Weitere Informationen: Teamseite des Vereins

Foto Startseite: Hannes Seifert

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