Mut zum Kontrollverlust

 

Elisabeth Kanettis hat Klavier studiert, eine Tanzausbildung absolviert und ist diplomierte Schauspielerin. Kreative, leidenschaftliche Künstlerin also durch und durch.

Die in den USA geborene Italienerin (Südtirol) lebt in Wien, ist also gut rum gekommen. Nun aber weg vom „also“ und hin zu dem, was uns Elisabeth erzählt. Darüber beispielsweise, was ihr bisher einmal – und was ihr öfter passiert ist:

 

„Ein Flow, der sich schwer beschreiben oder fassen lässt, aber irrsinnig beflügelt“

 

Elisabeth Kanettis, Foto Annemone Taake

Elisabeth Kanettis, Foto Annemone Taake

JJ: Elisabeth, erzähle bitte zunächst mal ein bisschen über deine Zeit in den USA, wo du ja auch geboren bist. Ist das – schauspielerisch wie im Allgemeinen – eine andere Welt, oder nur ein bisschen anders?

Elisabeth Kanettis: Puh, ich würde schon sagen, es ist eine eigene Welt – für mich privat und beruflich. In New York herrscht ein ganz anderes Tempo, in das ich mich immer wieder erst einfühlen muss, obwohl ich mich dort auch zuhause fühle.

Aber ich mag die Art, wie die Leute dort arbeiten sehr – direkt zwischen die Augen, das ist manchmal hart, aber wenn man vertrauenswürdige Kollegen hat, kann/muss man sich zu 100% einlassen, Risikos eingehen und folglich auch Riesenspass an der Arbeit entwickeln.

JJ: Einige deiner Kolleginnen und Kollegen haben mir von Wien vorgeschwärmt – Weinberge in der Stadt, gemütliche Kaffeehäuser… schwärmst du mit?

Elisabeth: Eine witzige Frage, da ich tatsächlich Jahre gebraucht habe, um mich in Wien überhaupt zuhause zu fühlen, geschweige denn davon zu schwärmen. Aber mittlerweile ja, die Stadt entwickelt sich und wird lebendiger, und ich in ihr auch! Kaffeehäuser und kleine versteckte Ecken zu entdecken gehört fast zu meinem (Arbeits-)Alltag 🙂

JJ: Erzähle doch mal, wie fühlst du dich am Klavier und wie auf einer Tanzfläche?

Elisabeth: Oh, am Klavier (gerade bin ich wiedermal in Tirol und somit auch beim Flügel meiner Mama) blühe ich auf. Ich liebe und lebe Musik, nur leider kämpfe ich mit meinen Fingern, die natürlich ohne regelmäßiges Üben an Fertigkeit verlieren.

Elisabeth Kanettis; Foto Annemone Taake

Elisabeth Kanettis; Foto Annemone Taake

Selbes beim Tanz. Aber mit meinem letzten Tanz- (und Seelen)partner verbinde ich eine Freiheit/einen Flow, die ich nur von dieser Art der Bewegung kenne. Tanz ist für mich sozusagen die Körperlichkeit und (zwischenmenschliche) Zweisamkeit, die mir beim Klavier gefehlt haben.

JJ: Und worin besteht deine ganz persönliche Faszination Schauspiel?

Elisabeth: Das Schauspiel hat mich letztlich durch die dritte Komponente neben Musik und Körper bereichert – Sprache und Stimme. Für mich, die ich mit drei Sprachen aufgewachsen bin und irrsinnigen Spaß daran habe, mir fremde Dialekte/Akzente anzueignen, ermöglicht Schauspiel eine unendliche Bandbreite, mich ausdrücken zu können.

Beim Zusehen ist es meist auch die Kombination dieser drei Dinge, weswegen mich wohl Künstlerbiografien vor Begeisterung oft umhauen in ihrer Wucht der Ganzheitlichkeit! (Beispiel: Marion Cotillard in LA VIE EN ROSE!!)

JJ: Was machen, egal ob auf der Bühne oder vor der Kamera, Schauspielpartner/innen mit dir, mit deinem Spiel, Elisabeth, wie beeinflussen sie dich?

Elisabeth: Sie beeinflussen mich sehr! Zum Glück, denn Schauspielpartner sind (neben der Rollenarbeit) mein Motor in einer Szene. Sie verändern, überraschen und beeindrucken mich, und ich arbeite natürlich darauf hin, selbe Qualitäten im Augenblick auch zurückgeben zu können.

JJ: Stelle dir bitte mal vor, du bist Drehbuchautorin, Produzentin, Casterin, Regisseurin und Hauptdarstellerin in einem, welche Rolle in welchem Genre spielst du?

Elisabeth: Ui, ziemlich sicher spiele ich dann eine Person, die es tatsächlich mal gegeben hat! Also ein Historienfilm oder Biopic! Werde schon kribbelig wenn ich nur an die Recherchearbeit denke…

JJ: Wenn du am Set stehst und die Kamera zeigt auf dich, der Regisseur sagt „Bitte“, was fühlst, denkst, spürst du in jenen entscheidenden Momenten?

Elisabeth Kanettis, fotografiert von Annemone Taake

Elisabeth Kanettis, fotografiert von Annemone Taake

Elisabeth: Das ist wohl von Moment zu Moment und Rolle zu Rolle anders. Aber je klarer und genauer ich im Vorfeld gearbeitet habe, desto besser kann ich mich auf Moment/Partner und Situation einlassen. Dann passiert etwas ähnliches wie beim Tanzen mit meinem Partner damals – ein Flow, der sich schwer beschreiben oder fassen lässt, aber irrsinnig beflügelt!

JJ: Ich musste mich, gemeinsam mit einem guten Freund, nach einem Kinobesuch (Einer flog über das Kuckucksnest) mal eine Weile draußen hinsetzen, um wieder zur Besinnung zu kommen. Wie muss ein Film (oder ein Theaterstück) sein, um dich emotional komplett zu packen?

Elisabeth: Für mich sind es meist die Schauspieler, die mich packen. Natürlich sind Buch, Geschichte und Inszenierung wichtig, aber wenn ich in einem Film oder Theaterstück ein Schicksal/einen Menschen in seiner Intensität zu spüren bekomme als wäre ich dabei (obwohl ich nur zusehe), dann brauche ich auch einige Zeit, um wieder zur Besinnung zu kommen. 🙂

JJ: Du hast 2016 am Berliner Kindertheater in „Pippi Langstrumpf“ mitgespielt. Gehst du in eine Kindervorstellung automatisch mit einem Schuss Freude mehr, mit einem Grinsen im Gesicht? Spielst du anders, musst du anders spielen?

Elisabeth: Tolle Kinderstücke zu machen und spielen ist eine große Herausforderung. Und die kann man, glaube ich, nur mit eben diesem extra Schuss (kindlicher und unvoreingenommener) Freude bewältigen und erleben.

Beim Spielen ist das natürlich auch so, da gibt’s ne ganz andere Energie und es kommt (wenn ich gut bin) enorm viel zurück von den Kids. Das ist dann ein Wahnsinnsgefühl!

JJ: Was macht für dich den Unterschied zwischen einem Schauspieler/einer Schauspielerin und einem sehr, sehr, sehr guten Schauspieler (Schauspielerin)?

Elisabeth, Foto von Annemone Taake

Elisabeth, Foto von Annemone Taake

Elisabeth: Das ist wohl der Mut zum Kontrollverlust! Ich glaube, wenn ein Schauspieler darauf hinarbeitet und dann „loslässt“, entstehen genau die Momente, die den Zuschauer inspirieren und berühren, als steckte er mitten in der Situation, als würde er den Menschen, den der Schauspieler verkörpert, kennen.

Ich traue mich zu sagen, dass mir das in meiner Arbeit bisher einmal „passiert“ ist… Mal sehen, ich hoffe natürlich, dass es in einer ähnlichen Resonanz zurückkommt 🙂

JJ: Schauen wir zu guter Letzt nochmal einige Jahre zurück, Elisabeth, war schon in früher Kindheit bei dir klar, dass die Reise Richtung Bühne und Kamera geht? Wann war dir klar, dass das, was die da im Fernseher machen, ein Beruf ist – und wann wusstest du, das ist dein Beruf?

Elisabeth: Ich bin in einer Musikerfamilie aufgewachsen, weswegen mir die Bühne von klein auf sehr vertraut war. Fasziniert hat mich Schauspiel (egal ob Bühne oder Kamera) schon als kleines Mädl, nur war für mich – vor allem das Spiel vor der Kamera – immer eher eine Traumwelt, als ein Beruf.

Doch nach und nach, durch das Klavier, den Tanz und die Schauspielarbeit in Wien und New York, wusste ich mit ungefähr 20, dass Schauspiel in seinen vielen Formen mein Beruf sein würde.

JJ: Danke.

Elisabeth: Danke auch 🙂

Weitere Informationen: Webseite von Elisabeth oder facebook Seite von Elisabeth

Foto Startseite: Annemone Taake

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