„Verlieren konnte ich noch nie“

 

Tennisspiele haben wir alle schon mal gesehen. Unvergessen natürlich die Matches der alten Haudegen wie Boris Becker, Michael Stich oder Steffi Graf. Auch heutzutage sieht es, was Siege bei großen Turnieren oder Ranglistenplatzierungen anbelangt, besonders bei den Damen – und besonders durch Angelique Kerber – ganz gut aus.

Doch was steckt dahinter? Gibt es für die Mädels so etwas wie eine Saison, eine Winter- oder Sommerpause, eine Trainingsphase? Oder powern sie das ganze Jahr durch.

Ich habe mal nachgefragt. Bei Vivian Heisen, aktuell in der deutschen Rangliste auf Position 21 geführt. Sie erklärt uns alles – und auch, was sie selbst für Ziele hat.

„In der Weltrangliste nach oben klettern“

 

JJ: Vivian, ich stelle mich, was meine Tenniskenntnisse anbelangt, jetzt mal dumm – und muss mich dabei nicht sehr verstellen. Wie sieht der sportliche Alltag einer Tennisspielerin aus? Gibt es sowas wie Ligaspiele, nur Turniere, irgendwelche anderen Meisterschaften? Und Training dann immer zwischendurch?

Vivian Heisen: Das Hauptziel als Tennisspielerin, die in der Weltspitze Fuß fassen möchte, ist es, an möglichst vielen internationalen Turnieren rund um den Globus teilnehmen zu können, das sind bei mir derzeit hauptsächlich 10.000$, 25.000$, 50.000$ Turniere. Natürlich ist auch mal das eine oder andere höhere Turnier bei auf der ITF Tour.

Der Mai und Juni in jedem Jahr sind für die Bundesliga-Punktspiele reserviert, wo man im Team gegen sieben andere Mannschaften antritt. Je nach Staffel variiert hier allerdings die Anzahl der Spiele. Mein großes Ziel ist es natürlich, in nächster Zeit auch die WTA Turniere auf meinem Turnierplan einplanen zu können. Das Training findet immer zwischen den Turnieren beziehungsweise Ligaspielen an meinem Heimatstützpunkt Oldenburg statt.

JJ: Sie spielen weltweit, sie spielen draußen und in der Halle. Theoretisch also das ganze Jahr. Gibt es dennoch etwas wie eine Saison, eine reine Vorbereitungszeit auf diese Saison?

Vivian Heisen

Vivian Heisen

Vivian Heisen: Im Tennis sind die Vorbereitungszeiten etwas anders getaktet als vielleicht in anderen Sportarten. Für mich und für die meisten auf der Tour ist es so, dass wir Ende November eine kleine zweiwöchige Pause einlegen und dann Anfang Dezember für einen Monat voll in die Vorbereitung starten. Wenn man merkt, dass man körperliche oder technische Feinheiten noch ausbessern kann, legt man auch manchmal mitten in der Saison einen dreiwöchigen Trainingsblock ein. Die Hochsaison an Turnieren ist für mich vor allem nach der Bundesliga Saison von Juni- August.

JJ: Wie sieht Ihr Training aus, nur Sie und der Coach, oder gibt es Sparringspartnerinnen? Findet auch Training im Kraftraum, Fitneßstudio oder auf dem Sportplatz statt?

Vivian Heisen: Ich trainiere meistens mit dem Bundesliga-Team in Oldenburg beim OTeV. Dort haben wir dann einen Trainer für uns alle. Hauptsächlich werde ich aber im Tennisbereich von meinem Vater trainiert .
Um Trainingsmatches zu spielen, habe ich natürlich immer einen Sparringspartner. Für den Fitnessbereich habe ich einen eigenen Trainer, Lauris Gruskevics, der ein Personalstudio in Oldenburg hat.

JJ: Gehen wir jetzt mal auf Anfang. War es bei Ihnen der Klassiker, dass also die kleine Vivi vom Vater, Onkel, Bruder mit zum Training genommen wurde?

Vivian Heisen: Der Klassiker war es, glaube ich, überhaupt nicht, ich habe als erstes Handball gespielt und durch meine neu zugezogene Nachbarin habe ich mit sieben Jahren auch mit dem Tennis angefangen. Im Handball war ich allerdings bis zu meinem 11. Lebensjahr deutlich erfolgreicher.

Da ich in dem Alter aber auch ins Stützpunkttraining im Tennis gekommen bin, musste ich mich entscheiden für eine Sportart. Denn Gymnasium, Landesauswahl Handball und Stützpunkttraining Tennis lies sich nicht mehr unter einen Hut bringen. Da ich es immer geliebt habe, meine eigenen Entscheidungen treffen zu können und eher immer alleine die Tore schmeißen wollte, entschied ich mich für Tennis, weil es mich damals schon mehr erfüllt hat. Meine Mitspieler waren zu oft sauer auf mich, dass ich den Ball nicht abgespielt habe 🙂 und verlieren konnte ich noch nie, da wollte ich lieber selber für meine Niederlagen verantwortlich sein….

JJ: Gab es irgendwann mal andere Sportarten für Sie?

Vivian Heisen: Neben dem Handball habe ich mit 13 Jahren noch einmal Fußball aktiv im Verein angefangen. Da ich dort allerdings auch gesichtet wurde, musste ich das Ganze wieder etwas ruhiger gestalten. Mit 17 habe ich dann aufgehört, in einer Mannschaft zu spielen, da das Verletzungsrisiko einfach zu hoch war.

JJ: Sind Sie derzeit voll auf Tennis fokusiert, oder basteln Sie parallel an einer anderen beruflichen Karriere?

Vivian Heisen: Natürlich ist Tennis mein Hauptaugenmerk, aber ich weiß natürlich auch, das man dies leider nicht sein Leben lang machen kann. Deswegen habe ich bereits ein Diplom zur Sportmarketingmanagerin absolviert und mache gerade meinen IHK Sportfachwirt.

JJ: Vivian, zur Glanzzeit des deutschen Tennis – Boris Becker, Steffi Graf, Michael Stich – waren Sie noch nicht geboren oder ein sehr kleines Kind. Mit welchen Idolen, vielleicht Vorbildern, sind Sie aufgewachsen?

Vivian Heisen: Lleyton Hewitt war mein absolutes Idol. Als ich neun Jahre alt war, hatte ich die Ehre, mit Ihm am Hamburger Rothenbaum ein paar Bälle zu schlagen, er war damals die Nummer eins der Welt. Seitdem fing ich dann an, die Cap immer falsch herum zu tragen. Mittlerweile bin ich allerdings auf Stirnband umgestiegen. Ein weiteres Idol war für mich aber auch noch Andy Roddick. Ich war völlig fasziniert von seinem Aufschlag und der Vorhand. Er hatte die Waffen, die für mich damals meine Lieblingsschläge waren.

JJ: Zurück zu den deutschen Tennisidolen, ich mochte Anke Huber sehr, weil sie den Ball oft riskant Volley nahm. Was für eine Tennisspielerin sind Sie – Grundlinie, am Netz, offensiv mit Risiko oder die Defensivstrategin?

Vivian Heisen: Ich spiele grundsätzlich alle Schläge sehr gerne und pflege einen variablen, offensiven Spielstil.

JJ: Was fasziniert Sie am Tennis, Vivian, einmal als Zuschauerin und als Spielerin?

Vivian Heisen: Als Spielerin fasziniert mich einfach, dass man für jeden Punkt, der gespielt wird, selber verantwortlich ist und das Spiel jederzeit zum positiven wenden kann. Beim Tennis ist es wirklich so, dass man erst verloren hat, wenn der letzte Punkt verloren wurde.

Vivian Heisen

Vivian Heisen

Als Zuschauerin bin ich vor allem in meinem Team immer aufgeregter als die Spielerin selber, vielleicht auch weil ich weiß, das Spiel kann jederzeit drehen. Die Ballwechsel, die man sich liefert, sind teilweise einfach unglaublich gespielt. Am interessantesten ist es allerdings oft, wie man Spieler von der mentalen Stärke her analysieren und beobachten kann. Da findet man viele interessante Dinge heraus…

JJ: Wenn Sie ins Stadion einlaufen oder dann gar mitten im Match sind, haben Sie noch einen Blick dafür, ob die Ränge gefüllt sind, es ein schönes Stadion ist, Freunde unter den Besuchern sind – oder sind Sie gefangen im Tunnel der Konzentration?

Vivian Heisen: Meistens habe ich für so etwas keinen Blick mehr, allerdings kommt es auch immer auf die Menge der Zuschauer an. Da ich noch nie vor mehr als 1500 Zuschauern gespielt habe, würde es mich das erste Mal mit Sicherheit sehr aufgeregt machen. Grundsätzlich versuche ich mich aber immer auf das Spiel zu fokussieren, das klappt manchmal mehr oder weniger gut. In solchen Fällen versuche ich dann, den Augenkontakt zu meinem Trainer oder der Person, die mich begleitet, zu erhaschen.

JJ: Was liegen in diesem Jahr noch für Höhepunkte an, haben Sie konkrete Ziele?

Vivian Heisen: Da ich am Anfang des Jahres durch eine Knie- Operation zurück geworfen wurde, musste ich erst einmal schauen, wie mir der Einstieg gelingt – und davon hängt dann auch immer ab, welche Turniere ich spielen kann. Ein Highlight dieses Jahr war bereits meine Australien Reise, die ich auch sehr erfolgreich gestaltet habe. Ich hoffe, dass ich bis zum Ende des Jahres auf einer Welt-Ranglistenposition um die 300 stehe.

JJ: Welches Interesse haben Sie an solchen Ranglisten?

Vivian Heisen: In der deutschen Rangliste werde ich bei den Damen auf Platz 21 geführt, das ist schön, spielt für meine Ziele aber keine Rolle. Die Weltrangliste ist da schon wichtiger, hier möchte ich mich natürlich mit guten Leistungen stetig verbessern und nach oben klettern.

JJ: Vielen Dank, Vivian, und viel Erfolg.

Foto Startseite: Vivian Heisen

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