Die 21 Jahre junge und 1,82 Meter große Anna Bajde wird in der deutschen Damen Volleyball Bundesligasaison 2016/2017 für die Zuspiele sorgen. Und zwar am Südhang des Thüringer Waldes, da wo sich die Flüsschen Lauter und Hasel gute Nacht sagen. In Suhl, beim VfB.
Hier und jetzt erzählt sie uns vom wunderschönen Kärntnerland, ihrer Heimat in Österreich, von Palatschinken, Landeiern, Großstadtpflanzen und ganz viel von ihrer Sportart. In Südthüringens Metropole ist sie erst wenige Tage, fühlt sich schon wohl und hat sportlich gesehen ein erstes gutes Gefühl.
„Haferflocken statt Mehl, drei Eier, eine Banane und ein bisschen Milch“
JJ: Du hast in meinen Ohren und Augen gleich zwei wunderschöne Vornamen, Anna und Maria. Wie nennst du dich selbst, was ist dir lieber, der Einfachheit halber nur Anna?
Anna Bajde: Dankeschön, ich werde es meinen Eltern weiterleiten, haha. Meine Freunde nennen mich ganz einfach Anna, und ich möchte auch so genannt werden. Als ich noch jünger war, wollte ich unbedingt Anna Maria genannt werden. Ich habe meinen Namen auch ursprünglich mit Bindestrich geschrieben, aber als ich einen genaueren Blick auf meine Geburtsurkunde warf, habe ich bemerkt, dass er ohne Bindestrich geschrieben wird.
Manche Lehrer in der Schule nannten mich Anna Maria. Der Name Maria stammt von meiner Großmutter, Anna ist der zweite Name meiner Mutter.
JJ: Bevor wir zum Volleyball kommen, und da ich dein Heimatland Österreich sehr mag, obwohl ich nur zwei Mal durchgefahren bin; aus welcher Gegend stammst du, kennst und magst du den Wiener Schmäh und was macht aus deiner ganz persönlichen Sicht den Charme deines Landes und der Menschen aus?
Anna Bajde: Ich komme aus dem wunderschönen Kärntnerland. Gemeinde Grafenstein, um genau zu sein. Das liegt im Süden Österreichs, in der Nähe von Klagenfurt. Ich habe bis auf letzte Saison immer dort Volleyball gespielt, erst dann bin ich nach Wien gewechselt. Vom Wiener Schmäh habe ich aber nicht viel mitbekommen.
Ich muss auch sagen, dass ich mich in einer Großstadt nicht so wohl fühle. Ich bin eher ein Landei, deshalb bin ich sehr froh, dass ich in Suhl gelandet bin. Die Menschen in einer Großstadt sind ganz anders als am Land, wo man viel offener miteinander umgeht.
JJ: Anna, ich kenne die österreichische Küche, die ja bis Bayern, Böhmen und Ungarn übergeschwappt ist, als eher deftig und kalorienfreudig sowie äußerst schmackhaft – Palatschinken, Sachertorte, Knödel… Wie hältst du bei diesen Versuchungen die perfekte Volleyballfigur; Training, Training, Training?
Anna Bajde: Das stimmt, die österreichische Küche ist wirklich eine Versuchung. Aber wenn man professionell eine Sportart ausüben möchte, dann muss man darauf verzichten können. Ich selbst ernähre mich hauptsächlich gesund, esse viel Fleisch, Fisch und Gemüse. Training alleine bringt gar nichts, wenn man sich nicht gut ernährt. Ich habe schon viele Berichte über Sportlerernährung gelesen und es ist unglaublich, wie sehr die Ernährung Einfluss auf das Training, bzw. auf die Spiele hat.
Beim Training will man sich wohlfühlen und immer 110 Prozent geben, das kann man mit überfülltem Magen leider nicht. Es gibt aber auch sehr gute Alternativen, zum Beispiel zur Palatschinke. Ich persönlich mach sie immer mit Haferflocken (anstatt Mehl), drei Eiern, einer Banane und ein bisschen Milch. Dazu gebe ich meistens 20g Proteinpulver mit Schokoladen-Geschmack – und ab in die Pfanne.
JJ: Und noch eine letzte Österreich-Frage bitte. Ich habe aus der Distanz das Gefühl, dass Ihr irgendwie entspannter seid als wir Deutschen, ist das so oder täuscht die coole österreichische Sprache das vor?
Anna Bajde: Das ist ganz unterschiedlich. Ich würde sagen, dass das von jeder einzelnen Person abhängt. Ich kenne solche und solche. Oft habe ich schon gehört, dass Österreicher als faul, langsam oder dumm bezeichnet werden. Meiner Meinung nach sind das aber nur Stereotypen und man sollte nicht alle in einen Topf werfen. Wie gesagt, es gibt solche und solche.
In Österreich gibt es mehrere Dialekte. Seitdem ich in Deutschland bin, wurde ich schon oft auf meinen Kärntner Dialekt angesprochen. Für die meisten klingt er recht angenehm und süß, auch wenn sie einige Wörter kaum verstehen.
„Ich glaube, es gibt kein schöneres Gefühl“
JJ: So, Anna, nun aber zum Thema. Wenn du einfach nur Zuschauerin bist, was fasziniert dich am Volleyball?
Anna Bajde: Zuschauerin bin ich sehr gerne, vor allem wenn richtig gute Teams gegeneinander spielen. Da kann man immer noch viel dazulernen. Da ich eine Zuspielerin bin, schaue ich primär auf die Zuspieler. Faszinierend für mich ist, wie lange ein Ballwechsel dauern kann. Wenn sich beide Mannschaften so stark präsentieren, dass der Ball nach 20 Netzüberquerungen noch immer nicht am Boden ist. Das ist ganz besonders zu sehen.
JJ: Und was fasziniert dich an der Sportart, wenn du mittendrin statt nur dabei bist?
Anna Bajde: Wenn ich persönlich am Spielfeld stehe, beeindruckt mich immer, wie sehr ein Team zusammenhalten kann. Nicht immer hat man gute Tage, aber wenn man merkt, dass dich eine Teamkollegin aufbaut bzw. motiviert, ist das schon ganz besonders. Deshalb würde ich auch nie einen Einzelsport ausüben, da es diese Teamdynamik einfach nicht gibt.
Des Weiteren fasziniert mich auch immer wieder das Gefühl, wenn man einen direkten Block-Punkt macht. Ich glaube, es gibt kein schöneres Gefühl!
JJ: Bei meinen Einsätzen als Urlaubs- und Strandvolleyballer hatte ich immer den Eindruck, dass bei dieser Sportart noch mehr als bei anderen ganz schnell ein Teamgedanke entsteht. Egal ob gewonnener oder verlorener Punkt, die Teammitglieder treffen sich im Kreis, um die Hände aufeinander zu legen, klatschen ab, pushen sich. Kennst du das auch so? Ist Madame Teamgeist die unsichtbare siebte Frau auf dem Feld?
Anna Bajde: Ja, wie ich bereits erwähnt habe, ist die Teamdynamik etwas ganz Besonderes im Volleyball. Auch wenn man einen Fehler macht, geht man in der Mitte zusammen (bei den Frauen eher als bei den Männern) und probiert somit, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der Fehler wird schnell vergessen und man kann sich sofort auf den nächsten Punkt fokussieren.
Ratschläge oder Hinweise werden dabei kurz ausgesprochen, damit der Angreifer oder Zuspieler weiß, wie man es beim nächsten Mal besser machen kann. Körpersprache ist bei dieser Sportart äußerst wichtig, die kann ein ganzes Team aufbauen oder auch in den Abgrund stürzen.
JJ: Ich möchte jetzt tatsächlich nicht schleimen, Anna, ich empfinde deine Position als Zuspielerin tatsächlich als besonders interessant. Vielleicht weil ich im Fußball selbst eine Art Zuspieler war. Warst du von Beginn an da zuhause, was magst du an diesem Wirkungsbereich, was prädestiniert dich dafür?
Anna Bajde: Als ich Volleyball spielen begonnen hatte, spielte ich in Grafenstein. Erst als ich im Alter von 13 Jahren nach Klagenfurt gewechselt bin, habe ich die Zuspieler-Position erlernt. Grund dafür war wohl, dass ich jeden Ball ins Out geschlagen habe, lol. Zu Beginn konnte ich mich mit dieser Position überhaupt nicht anfreunden. Es hat oft Tage gegeben, an denen ich weinend vom Training nach Hause gekommen bin, weil ich mich überhaupt nicht wohlgefühlt habe.
Aber mit der Zeit fing ich es an zu lieben. Als Zuspielerin hat man die größte Verantwortung, man ist sozusagen das zweite Gehirn vom Trainer. Ob man ein Spiel gewinnt oder verliert, hängt viel von der Zuspielerin ab. Selbstvertrauen, Führungsqualitäten und vieles mehr muss man als Zuspielerin besitzen.
Diese Position hat mir außerhalb von Volleyball, also im echten Leben sozusagen, viele gute Eigenschaften beigebracht. Als ich noch jünger war, hatte ich kein Selbstvertrauen, nur selten hätte ich eine Konversation begonnen. Heute ist das ganz anders. Viele Menschen beschreiben mich als selbstbewusst, offen, authentisch, witzig, etc…
„Auf eine volle Halle und eine gute Stimmung freue ich mich schon“
JJ: Ich bin Thüringer. Ich mag dieses Land, den Wechsel von Berg und Tal, die gastfreundlichen Menschen, die mit Schiefer beschlagenen Häuserfassaden… Alles. Was hast du bislang von Suhl und vom Thüringer Wald gesehen? Sind bei dir zuhause die Berge höher? Hattest du schon Zusammentreffen mit den Fans?
Anna Bajde: Bis jetzt habe ich noch nicht viel gesehen. Ich bin erst seit drei Tagen hier, und richtig schönes Wetter zum Spazieren gehen hat es bis jetzt noch nicht gegeben. Ich liebe es, in der Natur zu sein, da fühle ich mich viel wohler als in einer Großstadt. Die Berge faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Der höchste Berg Österreichs, der Großglockner, ist ein beliebtes Ausflugsziel von mir. Der ist schon etwas höher als die Berge in Thüringen 🙂
Fan habe ich noch keinen getroffen, nur auf den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram haben mich schon einige kontaktiert. In Deutschland ist das auch ganz anders, da gibt es mehr Volleyball-Interessierte. Wenn man in Österreich ein Spiel hat, kann man nur hoffen, dass die eigene Familie und Freunde vorbeikommen. Auf eine volle Halle und eine gute Stimmung freue ich mich schon.
JJ: Und wie fühlst du dich im Verein, der ja aus einer wirtschaftlich schwierigen und beinah ausweglosen Situation heraus fand? Alles entspannt, alles optimistisch?
Anna Bajde: Seitdem ich hier bin, fühle ich mich sehr wohl, alles ist viel professioneller als in Österreich. Es ist auch das erste Mal, dass ich ein Auto zur Verfügung gestellt bekomme. Die Teamkolleginnen sind alle sehr nett, wir haben viele Spielerinnen dabei, die nicht aus Deutschland sind. Eine Französin ist mit dabei, die mir hilft, diese Sprache wieder etwas aufzufrischen, mit den anderen wird hauptsächlich auf Englisch kommuniziert. Die Wohnung teile ich mit einer jungen Spielerin aus Tschechien.
JJ: Die Saison ist sehr, sehr jung, seriöse Prognosen sind noch nicht möglich. Deshalb: Wie ist dein Gefühl, Anna, hat sich ein schlagkräftiges, zueinander passendes Team zusammen gefunden?
Anna Bajde: Diese Frage ist schwer zu beantworten, da ich selber erst bei zwei Volleyball-Trainings dabei war. Jedoch kann ich sagen, dass es überraschend gut läuft, dafür dass wir erst so kurz zusammen trainieren. Kommunikation zwischen den Spielern ist immer wichtig, aber ganz besonders am Anfang, wo man sich noch kennenlernt. Mehr kann ich dazu erst im Laufe der Saison sagen, aber ich glaube, mit unserem Trainer wird es sicher eine gute Saison werden.
JJ: Was bedeutet dir die Nationalmannschaft? Ist das auch ein Freundinnentreff? Wie siehst du den österreichischen Volleyball im internationalen Vergleich?
Anna Bajde: Es ist für mich eine sehr große Ehre, für das österreichische Nationalteam spielen zu dürfen. Das erste Mal mit dabei war ich im Jahre 2011, als wir in Russland die Olympia-Qualifikation spielten. Seitdem hat sich viel verändert. Vor allem diesen Sommer, als eine neue Team-Trainerin angestellt worden ist.
Alles wurde viel organisierter und professioneller als es in den Jahren davor gewesen war. Wir konnten uns diesen Sommer leider nicht für die Europa-Meisterschaft 2017 qualifizieren, aber unser großes gemeinsames Ziel ist die Teilnahme an der Europa-Meisterschaft 2019. Dafür wird noch sehr viel harte Arbeit nötig sein, aber ich bin voll davon überzeugt, dass wir es schaffen können.
Wir sind europaweit auf Platz 25 und 24 Teams dürfen erstmals bei der EM teilnehmen. Der Zusammenhalt im Team ist super und es fühlt sich einfach gut an, mit so tollen Persönlichkeiten im Team trainieren zu können.
„Einfach nur zufällige Schnappschüsse“
JJ: Es gibt Fotos von dir, auf denen du wirkst wie ein professionelles Model. Wäre das was für dich, magst du die Kamera?
Anna Bajde: Dankeschön, die meisten Bilder sind zufällige Schnappschüsse, die von Freundinnen gemacht wurden. Ein richtig professionelles Fotoshooting hatte ich noch nie, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, öfters vor der Kamera zu stehen. Als Sportmodel zusätzlich ein bisschen Geld zu verdienen wäre sicher nicht schlecht.
Natürlichkeit sieht man heutzutage viel zu selten, ich finde es auch ganz schlimm, wie sehr die jungen Mädels von den heutigen „Schönheitsidealen“ manipuliert werden. Kaum gibt es noch Bilder, die nicht mit Filtern oder speziellen Programmen bearbeitet worden sind.
JJ: So, und zum Schluss gehen wir auf Anfang. Wie kamst du zum Volleyball. War es der Vater oder große Bruder, der dich mitnahm?
Anna Bajde: Eigentlich nur durch Zufall. Als ich acht Jahre alt war, wollte ich entweder Tennis oder Badminton spielen. Aber dafür gab es in meiner Gemeinde keine Möglichkeit. Freundinnen überredeten mich damals, sie zum Training zu begleiten. Von ihnen spielt heute niemand mehr, nur mein Ehrgeiz hat es mir nicht erlaubt aufzuhören. Simultan hatte ich auch begonnen Flöte zu spielen, jedoch musste ich nach sechs Jahren damit aufhören, weil es sonst mit Schule und Sport zu stressig geworden wäre. Gott sei Dank habe ich mich damals für den Sport entschieden, sonst wäre ich heute nicht hier in Suhl. Mein Vater und mein großer Bruder haben früher Fußball gespielt, aber nicht professionell. Meine Mutter stammt aus keiner Sportler-Familie.
JJ: Vielen Dank, Anna.
Foto Startseite: Peter Eichstädt