Ehrlich spielt am besten

 

Romina Küper studiert Philosophie an der Freien Universität Berlin und agiert als Schauspielerin vor Kameras und auf der Bühne. Einmal führte Gevatter Zufall beide Aktivitäten zusammen. Die Studentin suchte ein WG-Zimmer und fand eine Schauspielagentur. Doch lassen wir sie diese und viele andere Geschichten selbst erzählen:

 

„Ich wollte nie nur die eine sein“

 

JJ: Romina, erzähle doch zunächst mal bitte, wie das war mit dem WG-Zimmer, der Agentur und Herrn Zufall. War das nur der letzte Anstoß – und die Schauspielerin hatte von frühester Kindheit an schon in dir gesteckt, oder kam der Schauspielwunsch von jetzt auf gleich aus dem Nichts?

Romina Küper: Also die Schauspielerei hat mich eigentlich, wenn ich mal drüber nachdenke, immer begleitet… Und irgendwie war auch allen um mich herum klar, dass das der richtige Beruf ist, nur mir selbst nicht.

Fotografiert von Stefan Klüter

Fotografiert von Stefan Klüter

Das mit dem WG-Zimmer war dann tatsächlich großer Zufall. Ich suchte vor zweieinhalb Jahren dringend ein Zimmer in Berlin und bei der Bewerbung bekam  ich anstelle eines Zimmers eine Agentur, das war zunächst mal verrückt, da ich ja die klare Absicht hatte, in Berlin mein Studium weiterzuführen. Ganz schnell war aber klar – mit den Erfolgen und Misserfolgen bei Castings und ersten Dreherfahrungen – dass es Schauspiel sein muss und nichts anderes.

JJ: Wie nimmst du die Schauspielausbildung/Qualifizierung wahr, beispielsweise in der „Tankstelle“? Ist es dir wichtig, macht es Spaß, ist es manchmal verrückt?

Romina Küper: Ich habe keine Schauspielausbildung gemacht, was ich aber gemacht habe (und immer noch mache), sind verschiedene Seminare und ganz viele Bücher lesen, um mir einen Überblick über die unterschiedlichen Ideen von Schauspiel zu verschaffen, denn hinter jeder Art Lehre steckt ja auch eine Vorstellung davon, was Schauspiel ist und sein kann und eine Idee, was der Mensch an sich ist. Ich finde es spannend, da ganz unterschiedliche Quellen und Herangehensweisen zu testen, um daraus dann mein eigenes System oder Handwerk zusammen zu bauen.

Und ja, mir ist das Fortbilden unglaublich wichtig – und das bezieht sich nicht nur auf Schauspieltechnik, sondern auf alles, was mich als Mensch ausmacht. Verrückt finde ich daran eigentlich nichts, ich finde eher verrückt, wenn man davon ausgeht, dass man nicht Lernen braucht.

JJ: Beschreibe mal bitte, was für dich ganz persönlich die Faszination Schauspiel ist, Romina.

Romina Küper: Ich bin absolut unfähig, so etwas wie einen Alltag oder Rhythmus langfristig in meinem Leben zu etablieren und mich selbst auf gewisse Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu beschränken. Ich habe mir viele Lebensentwürfe für mich überlegt. Da gab es mal Modedesignerin, Floristin, Kulturmanagerin (was auch immer das sein soll), Polizistin… und ich mochte immer die Vorstellung von mir als diese Frau, die das tut, aber ich wollte nie nur die eine sein.

Und als Schauspielerin löst sich dieses Problem gut auf. Ich kann immer jemand Neues sein und habe keinen Alltag, zudem muss ich diese Fähigkeiten (die die Figuren haben) nicht alle wirklich haben, sondern muss in der Lage sein, diese zu spielen.

Fotografiert von Nina Reichmann während einer Drehpause

Fotografiert von Nina Reichmann während einer Drehpause

Da kommt noch etwas anderes hinzu, denn ich bin nur in Dingen wirklich gut, wenn sie mich auch wirklich interessieren und da steht Schauspiel an erster Stelle. Also fasziniert bin ich nicht vom Spielen, ich liebe Spielen; fasziniert bin ich davon, dass es diesen perfekten Beruf für mich gibt, obwohl ich lange, lange dachte, es gibt nichts, was ich richtig gut kann und auch will.

JJ: Wann ist für dich eine Schauspielerin eine gute und wann eine sehr, sehr gute Schauspielerin, was macht den Unterschied? Hast du ein Beispiel?

Romina Küper: Diese Bewertung in „gut“ und „sehr gut“ finde ich extrem schwierig. Ich würde da eher zwischen ehrlich und unehrlich unterscheiden. Das kann man ganz gut herausfinden, wenn man die Augen schließt und sich anhört, wie jemand spricht. Wie klingt das Gesprochene? Hat das Gesprochene zum Beispiel keinen Adressaten? Oder ist das Gesprochene  von der Art, wie es gesprochen wird, an eine Öffentlichkeit gerichtet, obwohl wir gerade eine intime Liebesszene sehen? Gibt es Pausen, die sich zu lang oder zu kurz anfühlen? usw… usw…

Sandra Hüller, Susanne Lothar,  Gena Rowlands  sind/waren sehr gute Beispiele für diese gnadenlose Ehrlichkeit im Spiel. Was anderes interessiert mich auch gar nicht, oder schafft es nicht, meine Aufmerksamkeit zu bannen. Ich muss da jemand leben sehen in dieser puren, schmerzvollen, zarten Wahrhaftigkeit, das macht das Leben aus. Gut ist vielleicht ein Schauspieler, der technisch alles richtig setzt und betont, aber unfähig ist zu leiden oder sich wirklich zu investieren.

JJ: Was passiert in dir, wenn du spielst, genau in dem Moment, nachdem der Regisseur „Bitte“ sagte und an der Kamera das rote Licht leuchtet?

Romina Küper: Ich fange schon vor dem „Bitte“ an zu spielen, damit ich nicht plötzlich in diese andere Realität reinfalle, sondern schon mit drinnen bin. Das „Bitte“ nehme ich dann eher als körperlichen Reiz wahr, als Aufforderung jetzt zu handeln. Ich begreife es also bewusst nicht rational, damit ich nicht wieder Romina werde.

JJ: Wie beeinflussen dich – gehen wir mal vom Idealfall aus – bestens aufgelegte Schauspielkollegen?

Romina Küper: Natürlich enorm. Bestenfalls spielt man alles zusammen und es gibt nur uns zwei dann in diesem Moment, man vertraut sich, man geht über Grenzen und eröffnet gemeinsam neue Dimensionen der Figuren. Also mein Idealspiel geht nur gemeinsam. Wenn der Partner zu ist und immer sein eignes Zeug macht, was er sich da zurechtgelegt hat, kann keine ehrliche Szene entstehen. Trotzdem kann sie technisch funktionieren.

JJ: Erzähle mal bitte ein bisschen zum Thema Traumrolle, Romina.

Fotografiert von Stefan Klüter

Fotografiert von Stefan Klüter

Romina Küper: Traumrolle? Gute Frage, hab ich mir noch gar nicht überlegt… Ich will alles spielen, was man mir zutraut. Reale und zudem bekannte Personen zu spielen ist – glaube ich – eine besondere Herausforderung. So wie Philipp Seymour Hoffman Truman Capote gespielt hat. Das finde ich schon richtig krass!

JJ: Ich habe mal einen total langweiligen Film gesehen und gespannt und fasziniert bis zur letzten Sekunde zugeschaut – weil eine gewisse Michelle Pfeiffer trotz allem einfach faszinierend war. Kennst du das, gibt es solche Schauspielrinnen oder Schauspieler auch für dich – die alles rausreißen?

Romina Küper: Mhmm, ich glaub das hatte ich früher mehr. Ich habe früher nur Filme geguckt, weil da gewisse Schauspielerinnen mitspielten. Für Schauspieler hab ich mich nie so wirklich interessiert, außer sie heißen Helmut Berger und Alain Delon. Ich finde zum Beispiel Penélope Cruz unfassbar schön und auch sehr talentiert. Ihr liebe ich es zuzuschauen. Auch wenn ich zum Beispiel Woody Allen irgendwie ein bisschen piefig finde, kann ich mir „Vicky Christina Barcelona“ immer wieder angucken…

JJ: Romina, ohne dass das jetzt zur Doktorarbeit wird, was fasziniert dich an Philosophie, wo liegt für dich ihr Alltagsnutzen?

Romina Küper: Ja, also bei der Philosophie trifft es Faszination schon eher. Ich kann mit der Philosophie Sachen denken, die ich vorher niemals für möglich gehalten hätte, denken zu können. Diese eigene Überschreitung im Denken hilft mir, Dinge mit einem offenen Blick zu betrachten. Die Gedanken von beispielsweise Foucault oder Karl Jaspers haben mich darin bestätigt, dass es genau richtig ist, mit diesem Nicht-Abgeschlossen-Sein die Welt zu sehen und außerdem macht es mir Spaß, mit der Sprache spielerisch präzise Begriffe und Gedanken zu veröffentlichen.

JJ: Danke.

Weitere Informationen: Romina auf der Webseite ihrer Agentur

Foto Startseite: Fotografiert von Nina Reichmann (das Bild ist während einer Pause fürs Licht beim einem Dreh entstanden)

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