Björn Harmsen war 2007 im Alter von gerade mal 25 Jahren der jüngste Basketball-Bundesligatrainer. Mit dem Jenaer Profiteam war er in die BBL aufgestiegen. Zwischenzeitlich coachte er den Mitteldeutschen Basketball Club und die Gießen 46ers.
Zur Saison 2013/2014 übernahm der aus Göttingen stammende Trainer wieder die Geschicke von Science City Jena, zunächst in der Pro A (2.Liga), nach dem Aufstieg geht’s nun wieder ganz oben auf Korbjagd. Ich fragte ihn, was ihm als Coach am Basketballsport Spaß macht, nach Taktik und Mannschaftsführung und einem Ausblick auf die Saison 2016/2017.
„Das einzig Wichtige ist der Charakter“
JJ: Björn, mal ganz allgemein, was fasziniert dich am Basketballsport? (einfach nur als Zuschauer)
Björn Harmsen: Wenn der Ball durch Passen schnell bewegt und nicht so viel rumgedribbelt wird…
JJ: Ich habe schon viele Spieler gefragt, was interessant, spannend, faszinierend ist, wenn sie selbst auf dem Feld stehen und spielen. Wie ist das für dich als Coach, der draußen steht?
Björn Harmsen:
– Eine Mannschaft zu formen.
– Stärken und Schwächen eines Gegners auszuarbeiten, im Training dann vorzubereiten und im Spiel zu reagieren.
– Der Adrenalinanstieg vor und bei Spielen und dann danach die große Freude bei Siegen oder aber auch manchmal die Melancholie nach Niederlagen.
JJ: Was außer dem Sieg macht dir Spaß am Basketball?
Björn Harmsen:
– Das tagtägliche Training.
– Das Spiel an sich.
– Das Publikum beim Basketball.
JJ: Ich habe dich um 2010 herum mal in Bremerhaven erlebt, damals mit den Wölfen. Noch heute ist mir in Erinnerung, wie außergewöhnlich häufig du durchgewechselt hattest. Das kann den Vorteil haben, dass dein Team immer frisch ist und mit hoher Intensität agieren kann, es kann auch den Gegner verwirren. Aber es kann auch, denke ich, die eigene Mannschaft verwirren. Sind diese häufigen Wechsel typisch Björn Harmsen, und wenn ja, braucht es dazu taktisch intelligente Spieler und viel spezielles Training?
Björn Harmsen: Nein, das ist nicht typisch und kommt immer auf die jeweilige Mannschaft an. Als Trainer muss man sich meiner Meinung nach auf die Stärken und Schwächen der eigenen Mannschaft anpassen. Damals hatten wir ein tiefes, aber sehr junges Team. Da wollten wir viel Druck machen und den Druck auch halten. Das ging aufgrund der Tiefe und der Jugendlichkeit des Kaders. Und am Ende hat es sich mit 16 Siegen und dem zehnten Platz ausgezahlt.
JJ: Du hast in Spanien bei Trainer Sergio Scariolo hospitiert, auch Dirk Bauermann über die Schultern geschaut, Björn. Nahmst du konkrete Trainings- oder Coachingmethoden mit in deinen Alltag, oder bleiben dabei eher allgemeine Eindrücke haften?
Björn Harmsen: Ich schaue mir gerne andere Trainer an und ich kann immer dazu lernen. Diese beiden Trainer und auch Svetislav Pesic, dem ich mal eine Woche in Valencia beim Training zuschauen durfte, haben mich aber insbesondere geprägt.
JJ: Wenn du ein Team übernimmst, sind da primär deine Art, wie du eine Gruppe führst und deine Taktiken, Spielzüge, deine Spielweise – und daraufhin holst du dir die Spieler beziehungsweise trainierst diese entsprechend; oder schaust du nach dem Ist-Zustand und passt dein eigenes Wissen und Können, deine Erfahrungen und deine Art an?
Björn Harmsen: Da ich bisher bei Teams mit kleinen Budgets Trainer war, versuche ich immer den bestmöglichen Spieler zu bekommen. Das einzig Wichtige ist der Charakter! Dann passe ich mich und mein Konzept auf die Spieler an. Trotzdem gibt es immer bestimmte Grundlagen, an die ich glaube: Kommunikation auf dem Feld und außerhalb, aggressive Verteidigung mit viel Druck am Ball, Raumaufteilung im Angriff, Ballbewegung durch Passen und eine sehr anstrengende und intensive Vorbereitung, um die bestmögliche Kondition als Grundlage zu haben.
JJ: Björn, könnte der der Leitspruch und Schlachtruf „Defense, Defense“ von dir stammen? Was ist dran, dass im Basketball die Abwehrarbeit letztlich das Spiel oder die Meisterschaft entscheidet?
Björn Harmsen: Definitiv! Wenn die Verteidigung funktioniert, dann kann man sich auf sie verlassen und dann gewinnt man ohne Risiko Spiele. Da es aber eine Mannschaftssportart ist, bedeutet es, dass alle mitziehen müssen und in der Verteidigung ihr Bestes geben. Die Herausforderung ist es, alle Spieler für Verteidigung zu begeistern. Und das ist die Schwierigkeit: Alle Spieler dahin zu bekommen, dass sie sich in der Verteidigung aufopfern. Es will ja jeder mit dem Ball im Angriff spielen. Schließlich fängt ja kein Kind mit Basketball an, weil es gerne verteidigen möchte, sondern um auf den Korb zu werfen…
JJ: Du bist mit Jena (zum zweiten Mal) in die BBL aufgestiegen. War das der Plan? Oder die Überraschung?
Björn Harmsen: Das war schon geplant, kam aber auch sehr früh. Wir hatten einen Dreijahresplan aufgestellt mit dem Ziel, im dritten Jahr um den Aufstieg mitzuspielen. Das Hauptziel war es, dass wir als Programm wachsen, von Jahr zu Jahr professioneller werden und im Klub BBL-Bedingungen schaffen. Das ist uns gelungen.
JJ: Ich denke mal, jetzt, da die Saison noch sehr jung ist, sind seriöse Prognosen schwierig. Deshalb meine Frage: Wie ist dein Gefühl für die Saison 2016/2017? Stimmt es im Team, spielerisch wie menschlich?
Björn Harmsen: Ein gutes Gefühl, auch wenn die Vorbereitung sehr holprig verlief. Wir haben kein einziges Testspiel als komplette Mannschaft bestritten. Aber ich weiß, dass wir die Qualität haben, um die Klasse zu halten. Andersherum wäre es schlecht, also wenn wir das Team komplett gehabt hätten, aber die Qualität fehlen würde…
Menschlich passt es total. Spielerisch dauert es noch ein wenig, da die sich die Mannschaft erst noch finden muss.
JJ: Björn, welchen Basketballspielern, welchen Teams, siehst du gerne zu, den üblichen Verdächtigen aus der NBA?
Björn Harmsen: Euroleague und ACB (erste spanische Liga), weil der Ball mehr durch Passen bewegt wird als durch Dribbeln…
JJ: Und zu guter Letzt: In Jena habe ich noch kein Spiel gesehen. Deshalb erzähle mir bitte mal, wie da die Stimmung ist, was ich verpasst habe. Bekommst du als Coach das mit, macht es was mit dir?
Björn Harmsen: Das Basketballpublikum in Jena wächst immer weiter. Unser erstes Heimspiel gegen ALBA war innerhalb von zehn Minuten ausverkauft. Wir haben ein angenehmes Publikum aus allen Altersschichten. Die Stimmung wird von Jahr zu Jahr besser, sie ist immer angenehm und freundlich, nie aber aggressiv oder zu laut.
JJ: Vielen Dank, Björn, viel Erfolg und vor allem viel Spaß und Gesundheit.
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