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Auf die Schauspielerin Nicola Tiggeler wurde ich aufmerksam, als sie vor einigen Jahren die Rolle der Barbara von Heidenberg in der ARD Serie „Sturm der Liebe“ verkörperte. Eine – auf den ersten Blick – intrigante Frau, die vor nichts zurückschreckt um ihre Ziele zu erreichen, nicht mal vor Mord. Auf den zweiten Blick offenbart das scheinbare 100-Prozent-Monster indes auch sensible Seiten. Sie ist in ihren Gefühlen verletzbar und liebt ihren Sohn Ben.
Das zu spielen erfordert wohl einen recht breiten Spagat. Ein und die selbe Person – eineinhalb Gesichter. Und das dann noch glaubwürdig. Zumal im späteren Serienverlauf die Figur der Sylvia Wielander dazu kam, ein komplett gegensetzlicher Charakter – auch hinter dem verbarg sich die Barbara.
Das war mal eben Grund genug für mich nachzufragen. Ist das die Faszination des Schauspielerinnenberufes? Resultiert aus dem Darstellen solcher Kontraste und Extreme der Spaß am Ganzen? Sind solche Jobs dankbar?
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Schauspielfutter
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„Ich mochte schon immer im Märchen die Hexe“, erzählt Nicola Tiggeler, „und es gibt kaum Dankbereres in dem Beruf, als eine Figur zu spielen, die mütterliche Ehefrau, Geliebte und Mörderin gleichzeitig ist. Ich verteidige die Barbara von Heidenberg gegen Angriffe. Sie ist vielschichtig. Und so eine Rolle ist bestes Schauspielfutter!“
Die 1,75 Meter große Frau mit den grün-braunen Augen bestätigt zudem, dass ihr das Verkörpern jener Hexe des 21. Jahrhunderts mehr Freude bereitet hat als die weniger facettenreiche, eher liebe Sylvia Wielander. „Die Sylvia zu spielen war schön. Danach habe ich mich wieder auf die Barbara gefreut.“
Nicola sang als Tochter eines Opernregisseurs und einer Geigerin bereits als Achtjährige an der Staatsoper Hannover. Später studierte sie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg („Ich sammelte da viel Praxis; wusste, dass ich auf die Bühne will und dahin gehöre!“), wirkte bei den Eutiner Festspielen in der Oper „Der Freischütz“ mit und diplomierte als Opernsängerin und Gesangslehrerin.
So richtig professionell debütierte die mittlerweile erfahrene Künstlerin an der Staatsoper Hannover – in einer Inszenierung der Oper „Die Hochzeit des Figaro“. Es folgten zahlreiche Bühnenengagements an Theatern im ganzen Land. 1993 gab Nicola Tiggeler in der Krimiserie „Der Fahnder“ ihren Fernseh-Einstand.
„Was die Arbeit vor der Kamera anbelangt, war das damals Learning by Doing“, erinnert sich Nicola Tiggeler gerne, „es herrschen andere Gesetze als auf der Bühne und ich habe während der Fahnder-Zeit viel gelernt. Theatererfahrung hatte ich ja schon.“ Danach sollten die 90er für sie im Film- und Fernsehbereich „fette Jahre“ werden: „Ein Einsatz kam nach dem anderen!“ Vielleicht noch viel wichtiger: „Das für mich neue Medium ohne direkte Rückmeldung vom Publikum hat großen Spaß gemacht. Das eröffnete eine neue Facette.“
Egal indes, ob auf den Theaterbrettern oder vor der Kamera, die Faszination, von der die Schauspielerin ergriffen ist, besteht in der Wandlung. „Charakter, die ich nie ausleben würde, kann ich zum Leben erwecken“, erläutert sie, „durch fremde Körpersprache, andere Stimmlage… Ich habe die unterschiedlichsten Möglichkeiten zu arbeiten.“
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Begeistern und begeistern lassen
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Auch wenn die mittlerweile Münchnerin anderen zuschaut, fühlt und leidet sie mit. „Ich lasse mich gerne auf Geschichten ein“, freut sie sich, wenn dann auch noch passiert, dass sie „im besten Fall vorm Fernseher, im Kino oder im Zuschauerraum nicht nach dem Handwerk der Kollegen“ schaut, sich „einfach nur mitnehmen, gerne verführen oder mit Freude begeistern“ lässt.
Schreitet Nicola Tiggeler am Set vor die Kamera oder im Theater auf die Bühne, ist sie bestens vorbereitet. „Wir haben probiert, die Szenen eingeübt und Verabredungen getroffen, fühlen uns in die Abläufe und die Technik drumherum ein“, schildert sie die entscheidenden Momente, „mich fasziniert im Spiel der Perspektivwechsel. Ich stehe gleichzeitig einerseits beobachtend und führend neben mir und bin andererseits ohne Distanz in der Rolle. Dies jedoch ohne ausgeliefert zu sein. Ich bestimme selbst!“ Und die Schauspielerin ergänzt: „Diese Zweigleisigkeit liebe ich.“
Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen schildert sie als Glücksfall: „Wenn sich bestes Handwerk, eine ähnliche Stimmung und der Spaß am Spiel treffen, entsteht ein richtig schöner Flow, wir reiten miteinander eine Welle und sind wahrhaftig in der Rolle.“
So geschehen offenbar im Stück „Eine Stunde Ruhe!“ um die Jahreswende herum im Stadttheater Amberg (unter anderem mit Timothy Peach und Saskia Valencia). Eine der ersten Aufführungen kommentierte Nicola mit einem Wort: „Wahnsinn“. „Der Jazz-Liebhaber Michel setzt sich eine Stunde hin, um in Ruhe eine Schallplatte zu hören“, skizziert sie den Beginn der Komödie, „doch dann kommt alles Mögliche dazwischen. Das entstehende Chaos zu spielen macht einen Riesenspaß. Schnelligkeit und Virtuosität sind gefragt, Schauspielhandwerk, um die Situation überhöht und als Farce mit Pointen auf den Punkt gebracht sowie mit Witz und Aberwitz darzustellen.“
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Sprache… Stimme…
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Nicht nur in ihrem Berufsfeld erachtet Nicola Tiggeler „die Akustik als die halbe Miete“. „Wer nur Texte abliest, egal ob im Schauspiel oder als Redner/in auf einem Kongress oder im Meeting, kann gleich wieder gehen“, macht sie deutlich, „eine gute Sprechweise dagegen wirkt überzeugend, angenehm und authentisch.“
Die Trainerin für Stimme, Sprechen und Persönlichkeit weiß aus ihrer Erfahrung, dass Wahrnehmung oder Ausdruck mithilfe von Techniken und der erforderlichen Bereitschaft schulbar sind. Und das ohne die Kontrolle zu verlieren. „Wir müssen, um gute Redner zu sein, nicht extrovertiert sein“, stellt sie fest. Wenn Menschen, egal ob aus der Unterhaltungsbranche, aus Politik oder Wirtschaft, zu ihr kommen, um sich diesbezüglich zu entwickeln, freut sich die Lehrerin, wenn sie immer wieder deutliche Fortschritte feststellt und nebenbei spannende Persönlichkeiten kennenlernt.
„Die Begeisterung für Stimmen hat mich immer begleitet, ob an der Oper, im Theater, vor der Kamera oder generell im Leben“, schaut die vielseitige Frau zurück, „und ich habe immer auch unterrichtet.“ Schon geraume Zeit ist Nicola Tiggeler durch diese verschiedenen und gleichwohl durch einen Aspekt vereinten Berufsfelder unabhängig. „Ich entscheide, was ich mache“, sagt sie.
So nimmt es nicht wunder, dass die Sängerin, Schauspielerin und Lehrerin zwar noch diese oder jene Rolle gerne ausfüllen möchte, sich noch einiges vorstellen kann, aber gleichwohl nichts davon sein muss. „Ich bin, so wie es ist, sehr glücklich“, erklärt sie.
Als ich mich für ein Gespräch mit Nicola Tiggeler verabredete, wusste ich wohl, dass ich mit einer Persönlichkeit reden werde, die als Mensch viel facettenreicher ist als die facettenreiche Rolle der Barbara von Heidenberg und viel facettenreicher auch als alle anderen Rollen, die sie mit Leben füllte, zusammen. Klar! Und so kam es dann auch.
Zudem wusste ich, dass ich mit einer Frau reden werde, der Sprache wichtig ist und die sich ebenso überzeugend, angenehm und authentisch auszudrücken weiß, wie sie das anderen lehrt. Klar! Und auch so kam es.
Was ich nicht wusste, was mich indes als bekennender Träumer interessierte, sind ihre offenen Traumrollen, die sie ja sooo deutlich formuliert nicht vor sich her trägt („Ich bin so wie es ist sehr glücklich“). Nicola verrät mir nichtsdestotrotz, dass ihr einige Klassiker wie „Der Besuch der alten Dame“ oder die „Lady Macbeth“ ganz recht kämen. Auch eine entsprechende Tournee. Oder die Möglichkeit, „eine Figur über einen längeren Zeitraum zu prägen, wie beispielweise eine Tatortkommissarin“. Und auch wenn es aus ihrer Sicht nicht sein muss, ich freue mich darauf.
JJ
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Weitere Informationen: Nicola Tiggeler auf der Webseite ihrer Agentur oder
Nicola Tiggelers „Stimme und Sprechen“ Webseite
Foto Startseite: Michael Leis