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Philipp Kleinfelders Schauspielkarriere begann nicht – wie so oft – schon im Schultheater oder zuhause vorm Familienpublikum. Als Kind spielte er lieber Fußball. Und wurde Fan. Allerdings nicht – wie die meisten um ihn herum – von Bayern München, sondern von Werder Bremen.
Seine Berufung, in Rollen schlüpfend auf die „Achterbahnfahrt zwischen herzhaftem Humor und Tragik“ zu gehen, erwischte den Berliner erst als Mittzwanziger, auf dem Weg zum Kühlschrank. Das erzählt er uns gleich, zudem ein bisschen von seinen Erfahrungen in anderen Jobs und auf anderen Kontinenten.
Hier und jetzt mal eben:
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„Früher war ich von Schauspiel weit entfernt. Ich habe immer nur Fußball gespielt“
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JJ: Philipp, lass‘ uns doch mal verrückt sein; nicht chronologisch von vorne beginnen und auch nicht gleich in medias res gehen. Wir fangen mal eben mit der Frage an, die ich meist zum Schluss stelle: Was ist dein Schauspielertraum; was, wen, mit wem, wo, in welchem Genre möchtest du gerne mal spielen?
Philipp Kleinfelder: Da sehe ich mich mit Emma Thompson über eine menschenleere Brücke inmitten der Wildnis gehen. Die Sonne scheint, ein Brise weht. Alles könnte in Ordnung sein im Leben, ist es aber nicht. Alle wissen es, aber niemand kann es aussprechen.
Genre? Familiendrama? Beziehungsdrama?
Ich mag es, wenn sich das wahre Leben in solchen Geschichten verdichtet. Eine Achterbahn zwischen herzhaftem Humor und der Tragik, dem Aua, der menschlichen Existenz. Natürlich weltweit ausgewertet, es sollen mich ja alle sehen können.
JJ: Was für Filme oder Theateraufführungen siehst du selber gerne, welche fesseln dich im oder werfen dich aus dem Sessel – und warum?
Philipp: Habe ich die Frage schon mit meiner vorherigen Antwort erledigt? Wie auch immer, es muss wahrhaftig sein für mich. Die Figuren streicheln mich mit Federn und kitzeln mich in ihre Geschichte und ich kann nicht widerstehen mitzugehen.
Am besten habe ich übrigens keine Ahnung, wo es hingeht. Wenn ich spüre, es löst sich was zwischen den Akteuren, mit jedem Satz ein klein wenig mehr, dann habe ich große Freude. Der Thriller „Das Programm“ von Till Endemann hat mich von Minute eins bis Minute 175 so gefesselt.
JJ: Was macht dir Spaß am Schauspiel? Mit welchem Anspruch gehst du ran und fühlst du dich gar in einer Mission unterwegs?
Philipp: Spaß macht einiges. Die Vorbereitung zum Beispiel, ein Buch bekommen, mich in die Geschichte und meine Figur reinfühlen – ein großartiger Moment. Genauso wie das weitere Herantasten an die Umstände der Figuren. Im Spiel sein mit den Partnern, das macht Spaß.
Ich möchte in jedem Spielmoment wahrhaftig sein, unerwartete Momente schaffen, genauso wie überraschende Figuren. Das braucht eine gewissen Zeit in der Vorbereitung, die oft nicht vorhanden ist, aber nun gut, so ist das Geschäft, vor allem in Fernsehproduktionen.
Schauspiel muss Spaß machen; es muss, bei allem Drama, auch ein Vergnügen sein zu zusehen. Ich habe Kevin Spacey in House of Cards zum Beispiel sehr genossen und gleichzeitg seine Figur verdammt.
JJ: Genau in den Momenten, auf die es letztlich ankommt, wenn der Regisseur „und bitte“ sagt, wenn du in die Rolle musst; was geht in dir vor, was denkst, fühlst, spürst du, wer bist du, Philipp?
Philipp: Wegen dieses Moments arbeite ich so gerne vor der Kamera. Der kann so widersprüchlich sein. Ein Filmset platzt vor Anspannung und in der kommenden Szene soll entspannt gekuschelt werden. Ich bin dann so viel Philipp wie möglich und so wenig wie nötig.
JJ: Was machen in jenen Momenten die Schauspielkolleginnen oder Kollegen mit dir, wie beeinflussen sie dich?
Philipp: Meine Wahrnehmung läuft auf Hochtouren. Am besten gefällt mir, wenn mich meine Spielpartner überraschen.
JJ: Wann schlüpfst du in die Figur, wann wieder raus?
Philipp: Da habe ich, ehrlich gesagt, kein Rezept. Ich habe schon oft die Empfehlung gehört, bewusst zu entscheiden, wann es in die Figur geht und wann wieder aus. Aber ich bin so mit den Umstände meiner Figur beschäftigt, dass ich immer vergesse, eine bewusste Entscheidung zu treffen.
JJ: War der kleine Philipp schon auf den Schultheaterbühnen oder auf Omas Küchentisch als Bühne zuhause? Wann wusstest du, dass Schauspieler EIN Beruf ist, wann wusstest du, dass Schauspieler DEIN Beruf ist?
Philipp: Früher war ich von Schauspiel weit entfernt. Ich habe immer nur Fußball gespielt. Mitte zwanzig habe ich langsam gemerkt, dass die Bühne ein Wunsch, ein Antrieb für mich ist. Irgendwann kam der Moment, als ich auf dem Weg von Wohnzimmer zu Kühlschrank merkte: Philipp, Du bist doch auch so’n Clown.
Das öffnete mir die Tür zu einer anderen Welt: Darstellende Kunst, Performance, Schauspiel – in diesen Räumen soll sich mein Beruf bewegen, dachte ich. Und das soll auch möglich sein. Eher zufällig bin ich für einen Kinofilm vor der Kamera gelandet und hey, es war ein bisschen wie Liebe auf den ersten Blick: Filmschauspiel, das ist es!
JJ: Was macht dir speziell an Drehs für Werbefilme Spaß? Gibt es Unterschiede zu Aufnahmen für Spielfilme/Serienfolgen?
Philipp: Für die Werbung sollen wir Schauspieler vor allem zwei Dinge transportieren: Freude und Humor. Da ich diese Lebensaspekte sehr schätze, fällt es mir leicht, dort hinein zu gehen. Werbeprojekte sind meist auf ein bis zwei Drehtage ausgelegt. Ich freue mich immer darauf, diese Zeit in einer Freude-Humor-Blase zu verbringen. Mein Dauergrinsen kann da schon absurde Züge annehmen.
Zwar weiß das ganze Team, dass gute Laune am Set für die Werbung sehr wichtig ist – und alle sind darauf gepolt. Dennoch gibt es den klassischen Konflikt zwischen Regie und Kunde, zwischen Kreation und Marke. Und genau der amüsiert mich in meiner Blase sehr. Das könnte ich aus der sicheren Distanz stundenlang beobachten. Grinsend.
Zum Vergleich: Einmal kam ich für einen Drehtag zu einer mehrteiligen Fernsehfilmproduktion. Meine Szene war auf Mitternacht angesetzt. Um fünf Uhr morgens war es dann soweit. Das ganze Team hatte 70 Drehtage hinter sich und es war der vierte Nachtdreh in Folge. Da musste ich mit ganz anderen Energien umgehen.
JJ: Helfen dir deine Ausflüge ins richtige Leben als Fabrikarbeiter, Werbetexter, Verkäufer oder ins Büromanagement beim Schauspiel?
Philipp: Nicht prinzipiell. Es sind Vorlagen, die ich nutzen kann. Die Feinheit unterschiedlicher Branchen und Milieus muss ich mir über die Erinnerung erst wieder bewusst machen, dann kann ich für die Figurenarbeit manche Beobachtungen ausmalen. Als Verkäufer kann ich natürlich Dialekte üben und den ganzen Tag berlinern. So mache ich mir die Tätigkeit kurzweiliger.
JJ: Was haben dir deine Auslandsaufenthalte mit auf den Lebensweg gegeben?
Philipp: Zum einen, dass ich ein Zuhause brauche. Zum anderen, dass ich meine Heimat, mein Land, Deutschland, gerne habe und nicht woanders leben möchte. Genauso brauche ich meine Sprache, Deutsch. Ich muss sie einfach alltäglich sprechen.
Ich habe bemerkt, das der Anblick von Büschen voller Plastiktüten der falsche Weg für unseren Planeten ist. Genauso wie wenn sechsjährige Jungs um Mitternacht alleine durch die Stadt ziehen um Rosen zu verkaufen.
Ich habe auch bemerkt, wie unterschiedlich die Menschen durch Ihre Kultur geprägt sind und dass es sehr schwer ist, die Feinheiten zu verstehen, geschweige denn zu erlernen. Aber ich weiß, wenn ich als weißer Mann durch Gegenden spazieren, wo weiße Männer vermeindlich nicht alleine durchspazieren sollten, dann bekomme ich überraschend oft ein freundliches Lächeln von den Menschen, wenn ich sie freundlich anlächel.
JJ: Wieso magst du ausgerechnet Werder Bremen?
Philipp: Als kleiner Junge musste ich mir einen Verein aussuchen, von dem ich Fan sein sollte, weil alle meine Freunde schon einen hatten. Die meisten waren Fan von Bayern München. Klar. Das wollte ich nicht. Ich wollte aber schon einen Verein, der oben mit dabei ist und Spiele gewinnt. Also wurde ich Fan von Werder Bremen.
Zwei Jahre später wollte ich mich in Richtung VfB Stuttgart umpolen, wegen meines besten Freundes. Aber das ging nicht, also wieder zurück zu Werder Bremen. Ich wusste damals nicht, dass ich nun eine lebenslange Verbindung eingegangen bin. Heute gefällt mir am Verein die faire und bodenständige Personalpolitik und der familiären Zusammenhalt der Verantwortlichen. Und natürlich wie die Fans hinter ihrer Mannschaft stehen.
JJ: Danke.
Philipp: Bitte.
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Weitere Informationen: Philipp auf filmmakers oder Webseite von Philipp
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Foto Startseite: Josefine Hüttig