Herz pur

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Ines Schmiedt; fotografiert von Laurie Schmiedt

Ines; fotografiert von Laurie Schmiedt

Als ich mit der Schauspielerin Ines Maria Schmiedt telefonierte, um sie an dieser Stelle vorstellen zu können, entwickelte sich aus einem Interview-Versuch ganz schnell ein Gespräch. Natürlich war ich mehr für die Fragen zuständig und sie für die Antworten und natürlich lagen die größeren Zeit-Anteile bei ihr, aber es vermengte sich ein bisschen.

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„Nicht alles ist planbar, manches passiert“

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Und das war gut so! Ich lernte die junge Frau aus dem schönen Freistaat Bayern ein bisschen besser kennen als nach Frage-Antwort-zack-zack-zack…

Vom ersten bis zum letzten Wort spürte ich ihre Leidenschaft für den Beruf – und auch die des einfach nur Menschen Ines. Ich hörte viele Emotionen heraus. Naturgemäß hier mehr, da weniger. An einer Stelle indes – und das überraschte mich zunächst (im Nachhinein weniger) – wurde es besonders emotional: als ich sie auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolleginnen direkt am Kameraset oder direkt auf der Bühne ansprach. Die mittlerweile freischaffende Schauspielerin überlegte etwas länger, ihre Stimme klang noch etwas gefühlsbetonter. Herz pur.

„Die Kollegen berühren mich, und das immer wieder neu“, erzählt sie mir, „ich bin neugierig, was sie mir geben. Einige von ihnen schauen mir in die Augen und ich weiß, sie meinen mich beziehungsweise meine Rolle, es kann etwas entstehen. Dann fließt Energie, ich bin… wir sind… im Moment. Diese Momente sind magisch!“

Und wenn eine Kollegin oder ein Kollege mal aus der festgeschriebenen, abgesprochenen Rolle fällt, improvisiert, einen drauf setzt, dann sieht das Ines mal so, mal so… „Wenn es passiert, dann berührt es“, beschreibt sie solche, wenn auch eher seltenen Situationen, „es kann etwas ganz anderes entstehen, solche spannenden Momente miteinander machen das Ganze lebenswert und echt.“

Ines Schmiedt; fotografiert von Laurie Schmiedt

Ines; fotografiert von Laurie Schmiedt

Nicht nur die Partner vor der Kamera und auf der Bühne tragen das Gesamterlebnis Schauspiel, hat die 1,63m Frau mit den braunen Augen besonders während ihrer Zeit am Landestheater Niederbayern erfahren, „auch das Publikum – ein ganzer Raum – ist dabei“, schwärmt sie, „Grenzen lösen sich auf!“ Nachdem Ines Schmiedt nach sieben Jahren ihr Festengagement an jenem Haus beendet hatte, um letztlich freier unterwegs zu sein, spürte sie auf ein Mal jenes Dabeisein der Menschen deutlicher und anders als vorher.

„Nach den Vorstellungen verlassen wir Künstler das Haus durch den Nebeneingang. Wir hatten den Applaus gehört, wir lesen die Kritiken in den Medien. Als alle Regionalzeitungen über meinen Abschied berichteten, Interviews mit mir veröffentlichten, bekam ich aber mal so richtig Feedback“, blickt die Schauspielerin einige Monate zurück, „eine Frau holte mich mit dem Fahrrad ein, um mir zu sagen, dass sie bei mir immer das Gefühl hatte, ich lebe das, was ich da spiele; viele redeten mich auf der Straße an und erzählten, dass sie traurig sind über meinen Abschied.

Das alles war bis dahin mehr oder weniger im Arbeitsalltag an mir vorbeigegangen und gleichwohl ein krasses Gefühl. Was ich tue in meinem Beruf, ergab nun einen konkreten Sinn. So gesehen war jener Abschied irgendwie ein Geschenk.“

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„… ein Nichts-Zustand“

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Auf den Brettern, die die Welt bedeuten ebenso wie vor der Kamera, vor der Ines auch schon stand und in Zukunft öfter stehen möchte, ist der Großteil dessen, was sie in den entscheidenden Minuten ihres Auftritts oder des Drehs abliefert, „schon vorher drin“. „Ich bin gut vorbereitet“, gibt sie Einblicke in die Momente des Schlüpfens in die jeweilige Rolle, „das Kostüm habe ich an, war in der Maske, bin den Text durchgegangen… und dann… ich bin in einem anderen Zustand, in einer krassen Konzentration, einem seltsamen Moment, an den ich mich später oft nicht erinnern kann. Alles um mich herum blende ich aus, Adrinalin schießt durch den Körper, ein Prickeln… Ein Nichts-Zustand!“

Das alles, so erzählt mir Ines Schmiedt, hängt natürlich von der Figur ab, die sie verkörpert, von der Emotionalität der Situation, die sie spielt. „Manchmal gehe ich rein technisch heran, manchmal aber auch, wie in ‚Die Waisen‘, als ich die Helen war, fordert mich das mehr… tiefer… Eine geile Produktion, toller Regisseur, tolle Kollegen… Es ist ein Studiostück, ohne Kulisse, wir spielten auch in Kirchen oder Museen. Sechs Wochen lang bin ich rumgelaufen wie ein Zombie, konnte nicht schlafen, bin mitten in der Nacht aufgewacht, um die Rolle durchzugehen, und im Supermarkt bin ich wie in einer fremden Welt umher gewandelt.“

Ines Schmiedt; fotografiert von Laurie Schmiedt

Ines; fotografiert von Laurie Schmiedt

Diese Tiefe, diese „Magic Moments“, möchte Ines auch in Zukunft spüren. Lieber oft als selten. Und nicht nur auf der Bühne. „Das wirklich in eine Rolle einsteigen und sie entwickeln hatte ich im Film noch nicht“, resümiert sie. Nicht bedauernd, nicht hadernd, denn das Festengagement lies dies schon rein zeitlich kaum zu. Und um noch besser die speziellen Herausforderungen für eine Schauspielerin vor der Kamera meistern zu können, geht die Landsbergerin ein Mal pro Woche zum Camera Coaching und hat einen Casting-Marathon gelaufen. „Ich möchte tief gehen und gleichzeitig locker spielen“, fasst sie zusammen, „Energien bewusst freisetzen“.

Ines, die wie erstaunlich viele ihrer Kolleginnen und Kollegen selbst keinen Fernseher hat, liebt „französisches, englisches oder amerikanisches Kino“. Auch wie viele Akteure möchte sie sich auf Namen von aus ihrer Sicht Klasse-Schauspielern nicht festlegen, steigt dennoch gerne auf mein Angebot Meryl Streep ein und benennt zudem mit Al Pacino einen ihrer „absoluten Lieblingsschauspieler“ und den Schweden Mikael Nyqvist. Sehr gut vorstellen kann sie sich, „biografische Rollen zu spielen“, solche für die sie „recherchieren kann, sich reinlesen oder mit Leuten reden muss“. Oder auch historische Rollen („da kann ich mit den Leuten allerdings nicht mehr reden ;-)“).

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„Menschen beobachten, Charakter verstehen“

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Wichtig sind der jungen Frau die Charakter. Das ist ihre Faszination Schauspiel. „Geschichten erzählen, in die jeweiligen Menschen, in die jeweilige Zeit einfühlen… so denken wie sie… Verbindungen zu mir und zu jetzt herstellen… und das Resultat mit anderen teilen.“

Als Ines dann von der für die ARD produzierten Fernsehserie „Berlin, Berlin“ berichtet, erweist sie sich doch als Fernsehfachfrau, zumindest der Jahre 2002 bis 2005, da die Produktion im Vorabendprogramm des Ersten ausgestrahlt wurde. Felicitas Woll spielte die Hauptrolle, das „Landei Lolle in Berlin“, gemeinsam unter anderem mit Jan Sonsiok, Alexander Scheer oder Sandra Borgmann. „Das fand ich toll“, gerät sie ins Schwärmen, „die Art der Serie, wie sich die Figuren veränderten, entwickelten, älter wurden, weiter kamen…“

Ines Schmiedt; fotografiert von Laurie Schmiedt

Ines; fotografiert von Laurie Schmiedt

Eine Entwicklung, irgendwie vorhersehbar und fast gerade – und irgendwie gleichsam doch über Hügel und kurvig, war auch der Weg des Mädchens Ines zur professionellen Schauspielerin. „Oh ja“, blickt sie zurück, „meine Schwestern hatten es schwer, zu Wort zu kommen. Ich sang und spielte unentwegt. In der Waldorfschule stand ich viel auf der Bühne. Als ich die Faust-Aufführung des ‚Theater Total Bochum‘ sah, guckte ich genau hin und habe die Leute bewundert. Unbedingt Schauspielerin werden wollte ich auch mit 16/17 noch nicht, hatte aber Lust drauf. Mich schreckte das Ellenbogensystem ab, das ich in dem Metier kennenlernte. Deshalb studierte ich zunächst Theaterpädagogik.“

An der Akademie für darstellende Kunst Ulm. Und da geschah, was geschehen musste. Ines lernte dort im Rahmen des Unterrichtes den „Schauspielzweig“ und den „Regiezweig“ kennen und ein Lehrer lernte Ines kennen: „Pädagogik kannst du immer noch machen. Jetzt mache was aus deinem Schauspieltalent!“

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„Diese Möglichkeit war ein Geschenk“

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Der Rest ist Geschichte, eine Geschichte, die dieser Tage einen Umbruch erfährt, einen gewollten. „Ich will vielseitig sein“, schaut Ines Schmiedt nach vorne, „richtig gute Filme drehen, ab und zu in tollen Theaterprojekten mitspielen, selbst Regie führen, pädagogisch tätig sein. Und – nicht zu letzt – Familie haben und Kinder.“

Bei der Geschichte mit Familie und Kind ist sie gut dabei 😉 Ines erwartet in diesem Jahr noch Nachwuchs. Aber auch sonst macht sie alles andere als Pause. Die Workshops, die Castings sind bereits erwähnt. An der Waldorfschule, an der sie selbst das Abitur ablegte, führte sie Anfang dieses Jahres Regie: „Verbrennungen“ von Wajdi Mouawad mit der 12. Klasse in Landsberg am Lech.

„Diese Möglichkeit war, im Nachhinein betrachtet, ein Geschenk“, zieht sie Bilanz, „nach Jahren auf der Bühne war ich auf der anderen Seite. Es war spannend, was da wie passierte. Wahnsinn, was die jungen Leute sich überlegten, welche Fragen sie hatten, wie toll sie ihre Arbeit machten. Ich musste oft zurückdenken, mich selbst spiegeln.“

Und Ines hatte die Chance, ihre Kreativität „von vorne bis hinten zu entwickeln – Kostüm, Bühnenbild, Umsetzung des Themas“. Sie durfte die Schüler in einer Phase ihres Lebens begleiten, „in der sie auf dem Sprung sind, anders im Leben stehen, auf der Suche sind“ und das „auf Augenhöhe“. Dies, so sagt sie, habe ihr gut getan: „Ich habe Lust, das irgendwann nochmal zu machen!“

„Professionell?“, frage ich. Die Realistin verweist auf das Wort „irgendwann“ und möchte bis dahin Erfahrungen sammeln, lernen. Für sie geht es außer Lust und Spaß auch um die Verantwortung, habe ich das Gefühl. Ein gutes Gefühl.

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„Für meine Musik bin nur ich verantwortlich“

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Außer im Bereich Schauspiel möchte sich die kreative Künstlerin demnächst musikalisch präsentieren. Fast alles, was vor jener Präsentation geschehen muss, ist erledigt. Ines hat Lieder geschrieben (Text, Musik), sie spielt Hackbrett, Gitarre, Akkordeon und sie singt. „Ich möchte Konzerte geben“, so der Plan. Dabei beabsichtigt sie „klein anzufangen“. Los geht’s, tatsächlich klein, in Papas ausgebautem Schuppen beim Familienkonzert.

Ines Schmiedt; fotografiert von Laurie Schmiedt

Ines; fotografiert von Laurie Schmiedt

„Ich habe Schiss“, plaudert Ines aus dem Nähkästchen ihrer Gefühle, „ich mache mich blank. Spiele ich als Schauspielerin ein Stück von Brecht oder Schiller, kann ich mich zur Not hinter den Autoren verstecken. Hier gehts aber um sehr persönliche Texte über Leben und Tod, für alles bin ich verantwortlich!“

Und noch mehr. Die Musikerin will „zum Austausch anregen, Fragen stellen“, das Ganze nicht für sich zum Selbstzweck veranstalten, sondern „in Kontakt treten“. Hinter den Texten und Melodien steht „eine Botschaft“.

Egal aber, ob als Schauspielerin, Regisseurin, Musikerin, Ines Schmiedt will auf Augenhöhe sein. Mit den Kollegen, den Zuschauern, den Schülern der Waldorfschule, mit den Zuhörern ihrer Lieder, dem Mann an ihrer Seite („das ist mir so wichtig!“) und ihren Freunden, ihrer Familie. Und mit dem Typen am Telefon, mit dem das Interview zum Gespräch wurde. Hat geklappt 😉

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JJ

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Weitere Informationen: Webseite von Ines oder Ines auf der Webseite ihrer Agentur

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Foto Startseite: Laurie Schmiedt

 

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