Fasziniert vom Ball

 

Alexandra Emmerling spielt seit 2014 beim 1. FFC Frankfurt in der 1. Frauen-Bundesliga. Die 1,69m große und 18 Jahre junge Stürmerin ist auch im offensiven Mittelfeld zuhause.

Alexandra Emmerling, Foto: getty images

Alexandra Emmerling, Foto: getty images

Ihr aktueller Verein rangiert derzeit (Anfang Januar 2018) auf dem fünften Tabellenplatz, ging im August 1998 aus der Frauenfußball-Abteilung der SG Praunheim hervor und bereichert seit dem Januar 1999 die höchste Spielklasse unseres Landes. Mit sieben deutschen Meisterschaften, neun Pokalsiegen und vier Europapokalsiegen ist der 1. FFC Frankfurt der erfolgreichste Frauenfußballverein Deutschlands.

Wie Alexandra mit der glanzvollen Vergangenheit ihres Clubs umgeht und vor allem wie sie die Gegenwart ausfüllt und sich die Zukunft vorstellt, erzählt sie uns hier und jetzt:

 

„Im Team der Saison 2017/18 vereinen sich Erfahrung und Perspektive“

 

 

JJ: Alexandra, zunächst mal allgemein, worin besteht deine ganz persönliche Faszination Fußball?

Alexandra Emmerling: Fasziniert bin ich vom Ball – und das schon, seitdem ich angefangen habe zu laufen. Mit der Zeit habe ich gelernt, was mit Bällen von alleine geht und wo ich „nachhelfen“ muss. Ebenso hat mich fasziniert, wie ich als Teil einer Mannschaft meinen Beitrag zum Erfolg leisten kann. Wenn alle an einem Strang ziehen, die Vorgaben umsetzen und dann das „Große Ganze“ erreichen, dann kommt Adrenalin – das ist Faszination pur. Ich schaue gern Fußball und das mit großem, fachlichem Interesse. Und da ist ja auch noch meine Playstation…

JJ: Wer oder was hat dich im Jahr 2005 auf den Sportplatz der TSG Wixhausen geführt? Und was hat dich als Kind an den Fußballsport gefesselt?

Alexandra: Geführt werden musste ich gar nicht… Meine Mutter hatte zunächst Ballett für mich vorgesehen, ich habe aber schon ganz früh angefangen, Bälle hoch zu halten und gegen Wände zu spielen. Mein älterer Bruder hat mich dann zum Kicken mitgenommen. Und als Mädchen habe ich schnell gemerkt, dass ich besser sein musste als die Jungs. Über meine Freunde bin ich dann zur TSG in meinem Heimatort Wixhausen gekommen.

Alexandra Emmerling in Aktion, Foto Carlotta Erler

Alexandra in Aktion, Foto Carlotta Erler

JJ: Wie war die Zeit mit den Jungs der D-Junioren? Ganz normal und entspannt oder als Mädchen doch speziell?

Alexandra: Die Zeit habe ich als entspannt in Erinnerung. Ich habe keinerlei Abneigungen gespürt, auch bei Hallenturnieren habe ich nicht extra „einen abbekommen“. Aber je älter ich wurde, desto augenscheinlicher wurden die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen. Es war eben an mir, mich stetig zu verbessern. Die Jungs haben mich immer respektiert.

JJ: War das eine gute Schule, beispielsweise für Zweikampfverhalten und Durchsetzungsvermögen?

Alexandra: Das war eine sehr gute Schule. Sowohl ständig das Zweikampfverhalten zu schulen und zu verbessern, als auch mein Durchsetzungsvermögen stetig weiterzuentwickeln. Das hat mir beinahe täglich weitergeholfen auf meinem Weg. Ich habe im Training immer alles gegeben und in den Pflichtspielen habe ich für den Erfolg des Teams gespielt.

JJ: Du bist zeitgleich mit den U14-Mädchen der SG Egelsbach angetreten; war das ein komplett anders Spiel, verglichen mit den Jungs?

Alexandra: Für mich war wichtig, solange wie möglich mit den Jungs zu spielen, aber der Weg führt dann irgendwann über eine Mädchenmannschaft weiter. Eine Umstellung war sicherlich, dass ich mit meiner Spielweise in Egelsbach die Räume besser nutzen konnte. Komplett anders war es zu dieser Zeit aber noch nicht. Diese Umstellung kam dann erst bei den B-Juniorinnen in Frankfurt.

JJ: Ich habe mal zwei Jahre in Bremen gelebt, Alexandra, und war bei fast jedem Heimspiel der damals Zweitligafrauen von Werder, deshalb interessiert es mich doppelt: Dein erstes Erstligamatch hast du gegen diesen Verein bestritten, wie sind deine Erinnerungen?

Alexandra: Ein Debüt wird immer in Erinnerung bleiben, ganz sicher. Zwar habe ich nach Bremen keinerlei persönliche Beziehungen, aber im Vorfeld der Partien versuchen die Trainer, uns auf jede gegnerische Mannschaft individuell einzustellen. Die Bremerinnen hatten Wolfsburg beinahe eine Niederlage eingebracht. Das wussten und respektierten wir.

JJ: Falls du davor besonders aufgeregt warst, wann hat sich das gelegt? Nach der ersten Ballberührung?

Alexandra Emmerling, Foto von Carlotta Erler

Alexandra, Foto von Carlotta Erler

Alexandra: Auf diesen Tag, den 7. November 2017, habe ich ganz gezielt hingearbeitet. Aufgeregt bin ich nicht gewesen, einfach nur sehr glücklich. Ich würde das als gespannte Erwartung bezeichnen.

JJ: Apropos Bremen und apropos Frauenfußball. Ich habe die Mädels außer beim Spiel auch einmal beim Training beobachtet und festgestellt, dass sie sowohl taktisch als auch technisch auf sehr hohem Niveau unterwegs sind, wie sicher alle Teams der oberen Spielklassen. Dennoch haben sie zu Zweitligazeiten vor ungefähr so vielen Zuschauern gespielt wie das Kreisoberligateam der Männer in dem verträumten Kleinstädtchen, in dem ich jetzt lebe. Und die Jungs sind bei allem Respekt nicht halb so gut. Wie ist die Zuschauerresonanz bei euch in Frankfurt und in Liga 1 generell, also auch bei euren Auswärtsspielen? Denkst du manchmal über die Diskrepanz nach?

Alexandra: Die Resonanz ist sehr unterschiedlich. Mit Blick auf die Zuschauerzahlen waren wir viele Jahre ganz vorn dabei. Als der 1. FFC Frankfurt quasi ein „Abo“ in der Champions League hatte, sind Spiele auch schon mal in größere Stadien verlegt worden. Momentan haben wir bei Heimspielen um die 1.100 Zuschauer. Wir haben auch einen sehr aktiven Fanclub und auswärts sind wir nie allein.

Ein großer Fehler wäre es, die Zuschauerzahlen der Frauen und Männer zu vergleichen oder diese Diskrepanz gar zu beklagen. Der Frauenfußball hat erst in den vergangenen zehn Jahren deutlich an Qualität gewonnen und ist in taktischer sowie spielerischer Hinsicht auf einem guten Weg.

Wichtig ist nicht, Zuschauerzahlen zu vergleichen, sondern sicherzustellen, dass noch mehr Mädchen anfangen, Fußball zu spielen. Alles andere findet sich!

JJ: Als ich noch spielte, Alexandra, war ich reiner Rechtsfuß und bin links nur mitgelaufen. Ist deine Beidfüßigkeit angeboren oder hast du darauf hintrainiert?

Alexandra: Der Großteil aller Spieler, männlich oder weiblich, agiert allein mit dem starken Fuß. Ich habe aber von Anfang an versucht, den linken Fuß in bestimmten Spielsituationen nicht wegzuziehen, sondern einzusetzen. Ohne diese Versuche wäre nie klar geworden, ob es klappen könnte. Der schwächere Fuß „gewöhnt“ sich dann an vieles.

JJ: Und eine blöde Frage: Denkst du nach, mit welchem Fuß du in einer speziellen Situation schießt oder passiert das von alleine?

Alexandra: So blöde ist diese Frage gar nicht. Ich habe mir angewöhnt, Ballbehandlung und Prozesse möglichst zu automatisieren. Zum Nachdenken komme ich bei unserer Spielgeschwindigkeit gar nicht. Wenn ich längere Zeit rechts gespielt habe, dann ergeben sich mit meinem rechten Fuß auf dieser Seite Automatismen. Von links ist dann der linke Fuß entscheidend. Bei Dribblings muss ich beidfüßig funktionieren, sonst läuft mein Spiel nicht sauber ab.

JJ: Ich habe gelesen, du bist sowohl im offensiven Mittelfeld als auch im Sturm zuhause. Beschreibe mal bitte aus deiner ganz persönlichen Sicht deine Lieblingsposition: Was für Talente und Fähigkeiten verlangt diese und welche bringst du mit? Und was macht dir Spaß daran?

Alexandra Emmerling, Foto: getty-images

Alexandra,
Foto: getty-images

Alexandra: Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich rückwärtig angespielt werde und dann meine Schnelligkeit hin zum Tor anbringen kann. Ich muss ja nicht immer der Torschütze sein, aber Vorlagen zum Torerfolg erwarte ich schon von mir. Sicherlich ist es im offensiven Mittelfeld wichtig, Laufwege zu antizipieren und Situationen auflösen zu können. Mache ich einen Fehler, können daraus Konter entstehen.

JJ: In meiner Wahrnehmung ist der 1. FFC Frankfurt im deutschen Frauenfußball eine Art Urgestein, ein Vorreiter, seit Jahren vorne dabei. Spürst du als junge Spielerin das?

Alexandra: Ja, denn die Erwartungshaltung uns Spielerinnen gegenüber ist groß. Es ist ein „Erbe“, das jede von uns antritt und wir setzen alles daran, unsere Mannschaft, diesen Verein weiterzubringen.

JJ: Wie familiär, wie professionell geht`s im Verein zu, wie sind die Fans drauf, ist Frankfurt frauenfußballverrückt?

Alexandra: Was uns auszeichnet, ist sicherlich eine familiäre Atmosphäre und die Art und Weise, wie unsere Fans zu uns stehen, auch nach Niederlagen. Fußballfrauenverrückte sind auch dabei!

JJ: Was für ein Team hat sich aus deiner Sicht für die laufende Saison zusammengefunden, sportlich wie menschlich – und wie liegt Ihr, wie liegst du im Soll?

Alexandra: Im Team der Saison 2017/18 vereinen sich Erfahrung und Perspektive. Ich profitiere im aktuellen Kader von fünf Champions-League-Gewinnerinnen von 2015. Mit Perspektive meine ich, dass wir insgesamt vier junge Spielerinnen sind, die im Juni 2017 einen Profivertrag unterschrieben haben und perspektivisch fest in die „Erste“ aufrücken wollen. Momentan befinde ich mich im Soll, wobei ich zeitweise auch in der zweiten Mannschaft gefordert bin.

Alexandra Emmerling, fotografiert von Carlotta Erler

Alexandra, fotografiert von Carlotta Erler

In dieser Saison qualifizieren sich jeweils die besten sechs Mannschaften aus den 2. Bundesligen Nord und Süd direkt für die eingleisige 2. Frauen-Bundesliga, die dann ab der Saison 2018/19 startet. Der 1. FFC Frankfurt will und muss dabei sein – und es sieht bis jetzt sehr gut aus. Sportlich und menschlich passt alles sehr gut zusammen. Die Tabellenplätze unserer beiden Teams sind passabel.

JJ: Was für eine Mitspielerin ist Saskia Matheis? (Interview mit Saskia folgt)

Alexandra: Saskia Matheis ist eine der schon erfahrenen, aber auch noch jungen Spielerinnen. Sie ist sehr ehrgeizig, beweist in jedem Training ihre Kampf- und Spielstärke.

JJ: Führst du in deiner Sporttasche Fußballerinnenträume mit, Alexandra? Welche?

Alexandra: Jedenfalls erträume ich nichts Unrealistisches. Ich habe einen Wahlspruch: „Arbeite hart, wofür Du betest!“ Meinen Traum von einer Karriere als Profifußballerin leben und tagtäglich an mir arbeiten, das ist mein Weg.

JJ: Danke und viel Spaß.

Weitere Informationen: Alexandra auf der Vereins-Webseite

Foto Startseite: Carlotta Erler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*