Volle Konzentration

 

Ulrike Gräßler begann als Sechsjährige mit dem Skispringen. Im Jahr 2001 absolvierte sie ihren ersten internationalen Wettbewerb während der FIS-Ladies-Tournee.

Die aus Eilenburg stammende Athletin sammelte bei nationalen und internationalen Meisterschaften Medaillen in allen drei Farben. Im Dezember 2015 stürzte sie im norwegischen Notodden (Continental Cup). Ulrike zog sich dabei schlimme Verletzungen zu, musste in die Reha und kann erst in dieser Saison wieder Wettkämpfe bestreiten.

Davon erzählt sie uns – und zudem über ihren ehemaligen Trainer Heinz Wosipiwo, der zu Beginn der 70er Jahre zwei Mal Silber bei Weltmeisterschaften ersprang. Ein bisschen geht’s zu guter Letzt um Hawaii, Panama, Sonne und Sommer.

Hier und jetzt, mit kurzem Anlauf und sicherer Landung:

 

„Entweder man hat Skispringen von klein auf gelernt oder man wird diese Art von Sport nie ausüben können“

 

JJ: Ulrike, beschreibe bitte mal das Gefühl vom Fliegen (oder auf den Skiern einige Sekunden waagerecht in der Luft liegen).

Ulrike Gräßler: Es ist etwas Einzigartiges und schwer zu beschreiben, es macht mir auch nach über 20 Jahren immer noch viel Spaß.

Ulrike Gräßler

Flieg, Ulrike, fliiiieeeeg

JJ: 1984 traf ich in Berlin Jens Weißflog. Auf Anfrage erzählte er mir, dass er oben auf dem Schanzenturm steht wie andere an der Kasse in der Kaufhalle. Oder am Fenster, wo auch immer. Auf jeden Fall ohne große Aufregung. Für mich mit meiner Höhenangst undenkbar. Mit welchen Gefühlen stehst du da oben?

Ulrike: Bei mir ist es ähnlich. Ich springe von meinem sechsten Lebensjahr an auf den Schanzen, es gehört zum Alltag dazu. Ansonsten wäre es gar nicht denkbar, ständig und immer wieder zu springen.

JJ: Und wenn wir einmal dabei sind, noch eine Anekdote: In meiner Kindheit gab es noch dieses weiße Zeug – Schnee. Von November bis März lag er ununterbrochen in der Botanik. Wir Kinder bauten an Hügeln und Hängen selbst kleine Schanzen. Weil ich einer der waghalsigsten Springer war, nannten mich alle Jiří Raška (Olympiasieger). Waren deine Anfänge ähnlich? Oder gleich im Verein auf den Profi-Schanzen?

Ulrike: Ich habe in Eilenburg begonnen und da lag auch eher selten Schnee. Meine ersten Versuche mit Ski an den Füßen machte ich auf der Eilenburger Mini-Mattenschanze.

Klar hatten wir im Winter auch Wettkämpfe im Vogtland und im Erzgebirge. Erst als ich 2000 nach Klingenthal wechselte, wurde Schnee im Winter zur Selbstverständlichkeit.

JJ: Was fasziniert dich am Skispringen? Warum gerade diese Sportart?

Ulrike: Ich habe im Alter von sechs Jahren mit dem Skispringen begonnen und es ist seitdem fester Bestandteil meines Lebens. Später wurde mir bewusst, wie einzigartig diese Sportart ist, entweder man hat sie von klein auf gelernt oder man wird diese Art von Sport nie ausüben können.

JJ: Bist du im Training anders oder intensiver angespannt als im Wettkampf? Sind Großereignisse wie Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele dann nochmal eine ganz, ganz andere Hausnummer?

Ulrike: Im Training bin ich eher lockerer, im Wettkampf dann eher angespannter. Gerade wenn die Form nicht so passt und ich weiß, es muss jetzt alles stimmen.

Es gab natürlich auch schon Jahre, da fast jeder Wettkampfsprung passte und ich nicht mehr so aufgeregt war und fast alles optimal lief. Großereignisse sind natürlich schon nochmal eine andere Hausnummer, aber im Endeffekt auch wie jeder andere Wettkampf.

JJ: Ulrike, ich denke in meiner Ahnungslosigkeit, du musst dich zwei Mal so richtig konzentrieren – beim Absprung und bei der Landung. Stimmt aber nicht wirklich, oder?

Ulrike: Doch schon, aber die Abläufe sind durch die ständigen Trainingseinheiten automatisiert. Trotzdem muss man sich vom Abstoßen auf dem Schanzenturm bis zum Ausfahren nach der Landung bei jedem Sprung voll konzentrieren und nicht in Routine verfallen.

Ulrike Gräßler

Konzentiert in der Spur

Im Prinzip beginnt es schon vor dem Sprung, bei der Kontrolle der Ausrüstung. Skispringen ist nun mal eine Risikosportart, die eine volle Konzentration des Sportlers verlangt.

JJ: Wenn du sicher unten im Auslauf zum Stehen gekommen bist, weißt du da schon genau, was gut und richtig war und was vielleicht nicht optimal verlaufen ist?

Ulrike: Meistens ja, aber ab und zu fehlt einem jegliches Gefühl und dann ist die Trainer- und Videoanalyse extrem wichtig und hilfreich. Das ist ja oft das Verrückte am Skispringen, man hat das Gefühl, eigentlich nichts anders zu machen als vorher – aber die Sprünge gelingen einfach nicht mehr. Genau so geht es auch andersrum, man möchte fast verzweifeln und plötzlich geht es wieder….

JJ: Ist Heinz Wosipiwo noch dein aktueller Trainer? Wenngleich ich mich an Athleten aus vergangener Zeit – wie Hans-Georg Aschenbach oder Jochen Danneberg – genauer erinnere, ist mir der Name Wosipiwo durchaus ein Begriff. Hilft dir sein Erfahrungsschatz sehr? Wie wichtig ist ein Trainer generell in deinem Sport? Plaudert Heinz öfter mal von damals?

Ulrike: Seit meinem Eintritt in die Bundespolizei (2006) ist er nicht mehr mein Heimtrainer, aber wir haben noch ab und zu Kontakt. Mittlerweile ist er auch nicht mehr als Trainer aktiv. Wenn ich mal in Klingenthal bin, dann probiere ich, ihn auch immer zu besuchen. Viel hat er von früher nicht erzählt, das war nicht so seine Art.

JJ: Jetzt fällt mir doch noch eine Story aus eigener Jugend ein. Mit 17 habe ich mich beim Fußball böse am Meniskus verletzt und musste wochenlang Gips tragen. Am gesamten rechten Bein. Das brachte mich nicht davon ab, ganz zum Ärger meines Vaters, mit dem linken Bein/Fuß zu trainieren. Du hast eine sehr lange Verletzungspause hinter dir. Wie ungeduldig warst du? War dir die ganze Zeit klar, dass du wieder auf die Schanze möchtest?

Ulrike: Ich wollte von Anfang an wieder auf die Schanze und das war auch mein Antrieb, die lange Rehaphase zu bestehen beziehungsweise jetzt weiterhin dran zu bleiben, auch wenn es manchmal zum Verzweifeln ist.

JJ: Was ist dein Plan? Wieder ganz groß angreifen? Und was liegt diesbezüglich in diesem Winter an?

Ulrike: Ich möchte nochmal bei einem Welt Cup starten und hoffe, dass ich in diesem Winter einen guten beziehungsweise mehrere gute Wettkämpfe haben werde, dies wird nicht leicht werden. Ich brauche aber ganz einfach für mich die Gewissheit – ich habe alles versucht, was möglich ist.

Ulrike Gräßler

Ulrike trainiert für Ihr Comeback

JJ: Ulrike, deine Wunschreisegebiete Hawaii, Panama, Südamerika, Südafrika klingen zwar teilweise mit Phantasie auch ein bisschen nach Wintersport, hauptsächlich aber nach Sommer, Sonne, Cabrio… Bist du eine Freundin der Sonne?

Ulrike: Ja auf jeden Fall!!!!!!!!

JJ: Danke.

Weitere Informationen: Webseite von Ulrike oder facebook Seite von Ulrike

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