Überraschend

 

Monika Gossmann hat schon die großen Rollen an den großen Theatern gespielt. In der elfeinhalb Millionen Einwohner Metropole Moskau beispielsweise. Klassiker. Anfangen will ich meine kleine Geschichte über sie indes in dem 42.000 Einwohner Städtchen Wismar an der Ostsee.

 

Wenn Messer Hals trifft

 

Im Januar 2014 sah ich die Schauspielerin als Marina Lombardi in einer Episodenhauptrolle der ZDF-Serie SOKO Wismar. Monika verkörperte eine Figur, die sehr undurchsichtig daher kam – schön, verführerisch flirtend, manchmal schon naiv erscheinend – und dann, wie Kai aus der Kiste, hält sie dem Kommissar das Messer an die Kehle.

Monika Gossmann, fotografiert von Katharina Sebirskaja

Monika Gossmann, fotografiert von Katharina Sebirskaja

Doppeltes Spiel. Für die Rolle und die Darstellerin. Das kann gerne mal schief gehen, aufgesetzt wirken, unecht. „Der Drehbuchautor und Regisseur Hans-Christoph Blumenberg hat an mich gedacht, als er die Rolle schrieb“, erinnert sich die 1,70 Frau mit den grünen Augen, „und wenngleich in eine Fernseh-Serie eingebettete Figuren natürlich in den ganzen Zusammenhang passen müssen, entstand eine gute Symbiose. Es hat gepasst. Eine große Bandbreite und überraschende Wechsel, das liegt mir.“

 

Wenn Schauspielerin Rolle trifft…

 

Einmal bei dem Beispiel SOKO Wismar angekommen, schildert Monika Gossmann, was in ihr passiert, wenn die Kamera läuft: „Ich denke in der Rolle. Mein privates ICH ist ausgeschaltet, die eigene Bagage vergesse ich. Das gehört zum Handwerk. Die Monika würde nie das Messer ziehen. Also muss ich mich in die Psyche der Rolle einarbeiten.“ Am Set, in dem Moment, in dem der Regisseur „Bitte“ sagt, legt sie dann, gründliche und längere Vorarbeit vorausgesetzt, ganz schnell den Schalter um. „Zwischen den Szenen allerdings muss ich raus aus der Figur“, zieht sie ihre Grenze.

Dabei hilft der Schauspielerin die sogenannte „gegebene Situation“. Der Ort beispielsweise, das Kostüm und letztlich – manchmal auch ausschließlich (wenn vor der grünen Wand gedreht wird) die Vorstellungskraft, die Phantasie. Oder mit den Worten von Michael Aleksandrovich Tschechow „das höhere ICH“.

 

Wenn Zufall Absicht trifft…

 

Die Karriereleiter von Monika Gossmann setzt sich genauso aus Stufen zusammen, die aus dem Holz namens Zufall gedrechselt sind, wie aus dem Holz Zielstrebigkeit. „Schon als Kind nervte ich meine Eltern derart mit der Tanzerei, dass sie mich zur Tanzschule schafften“, blickt sie zurück. Da war sie vier Jahre jung und es war eine der russischen Schulen, die bekannt dafür sind, dass Disziplin gefordert wird.

Monika Gossmann, Foto Jakub Tryniszewski

Monika Gossmann, Foto Jakub Tryniszewski

„Ich empfand die Erziehung zur Disziplin nie als Strafe“, weiß Monika noch, „mir tat das gut, ich war schon immer ehrgeizig und mit Freude bei der Sache.“ Das war die erste, eher zufällige Stufe. Als die inzwischen erwachsen gewordene junge Frau dann – seit Jahren in Deutschland lebend – die „Contemporary Dance School Hamburg“ besuchte, war das pure Absicht. „Musiker haben beispielsweise eine Gitarre in der Hand, wir Schauspieler haben unseren Körper als Instrument“, so ihre Gedanken damals und heute, „für mich war der Tanz die Vorstufe zum Schauspiel, es ist wichtig, sein Instrument komplett zu beherrschen.“

Beim folgenden Schritt erklomm der Fuß des Lebens wieder eine Sprosse aus dem Zufallsholz. „Meine Mutter schenkte mir einen Zehntageaufenthalt in Russland, weil ich da die ersten sechs Jahre meines Lebens verbrachte und ich sollte wenigstens die Hauptstadt Moskau kennen lernen. Die ‚Moscow Art Theatre School‘ nahm gerade Studenten auf. Da ich nur deutsche Vorsprechrollen im Gepäck hatte, machte ich mir wenig Hoffnung, durfte aber damit antreten und bekam die Chance, innerhalb von drei Tagen russische Puschkin- und Tschechow Texte zu lernen. Und damit ging ich nochmal vor die Jury.“

Mit Erfolg. Vier Jahre studierte Monika an dem renommierten Haus in der Stanislawski-Tradition. „Erstaunlich, wie schnell die russische Sprache aus den Kindertagen wieder da war“, beschreibt sie, was ihr entgegen kam. Im letzten Studienjahr steht für die fast Absolventen extra ein Künstlertheater für Aufführungen vor breiter Öffentlichkeit bereit. Dort gab sie beispielsweise die Anna Petrowna in Tschechows „Platonov“.

 

Wenn Kunst Realität trifft…

 

„Die Theaterszene in Russland ist eine super Welt“, schwärmt die mittlerweile Berlinerin einerseits und stellt gleichwohl fest: „Privat ist Moskau ein hartes Pflaster. Das Gefälle ist mir einfach zu groß. An einer Ecke sitzt die bettelnde Oma und daneben parkt die Nobelkarosse eines Milliardärs.“

Monika Gossmann; fotografiert von Katharina Sebirskaja.

Monika Gossmann; fotografiert von Katharina Sebirskaja.

Der harte Alltag in der Metropole am Flüsschen Moskwa und rund um den Kreml, die Neugier zudem auf künstlerische Abwechslung, zog die Pendlerin zwischen den Welten dann in die USA. „Ich wollte befreundete Choreografen und Schauspielkollegen treffen, die sich da aufhielten und nach der klassischen Ausrichtung neue Schauspieltechniken kennen lernen.“

 

Wenn Monika Fay trifft…

 

In New York kreuzte Monikas Weg den von Fay Simpson, der künstlerischen Leiterin und Mitbegründerin des „Impact Theatre“, die eine Trainingsmethode namens „Lucid Body“ entwickelte. „Wir waren schnell ein Herz und eine Seele“, freut sich Monika Gossmann, „ich lud Fay nach Deutschland ein, lernte drei Jahre lang ihre Technik und gebe diese mittlerweile europaweit an mehreren Universitäten weiter.“

Zurück zu Hause trat die Schauspielerin an vielen deutschen Theatern Engagements an, zum Beispiel als Miss Julie in „Miss Julie“ oder als Lady Milford in Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“. „Viele halten den großen deutschen Dichter für schwierig und textlastig“, stellt Monika fest und kann das für sich nicht nachvollziehen: „Schiller hilft dem Schauspieler, er führt; man kann sich förmlich auf seine Vorgaben drauf setzen. Er ist toll für die Seele… An der Lady Milford war ich sehr interessiert!“ Und: „Man muss sich mit ihm befassen, wer den Schlüssel einmal gefunden hat, hat es leichter.“

Für Film und Fernsehen stand die Darstellerin international vor den Kameras und Mikrofonen – Russland, Slowenien, Österreich… In Deutschland außer besagter SOKO Wismar Folge beispielsweise auch für die „Küstenwache“ (ZDF). Aus der daraus resultierenden Erfahrung über den einheimischen Tellerrand hinaus schätzt Monika Gossmann ein, dass sich deutsche Schauspieler im länderübergreifenden Vergleich ganz und garnicht verstecken müssen. „Oft sind sie sogar technisch besser ausgebildet“, schätzt sie ein, „großartige Talente gibt es überall.“

 

Wenn Können Image trifft…

 

Monika Gossmann; Foto von Katharina Sebirskaja

Monika Gossmann; Foto von Katharina Sebirskaja

Woran es hierzulande hakt, sei das Image des Schauspielberufs. Aus der Tradition heraus wähnt die Globetrotterin ihren Berufsstand in Deutschland immer noch nicht adäquat wertgeschätzt, eher nach wie vor ein bisschen an das frühere Gaukler-Prestige angelehnt. „In den USA sind Schauspieler respektiert“, weiß sie, „weil jeder spürt, wie viel harte und ehrliche Arbeit dahinter steckt. In Russland besitze ich mit meinem Abschluss einen akademischen Grad!“

Eingebettet sieht Monika Gossmann das Ganze zudem im gesamten Umgang von uns Deutschen mit der Vergangenheit. „Dabei können wir auf eine tolle Geschichte zurückblicken“, befindet sie, „eine Kultur, auf die wir stolz sein können – Goethe und Schiller zum Beispiel, technische Erfindungen, die Wirtschaftskraft…“

Und einmal dabei, das was die Welt im Innersten zusammenhält – oder eben auch auseinander dividiert – zu analysieren, benennt die Schauspielerin eine andere Schieflage. „Deutsche Film-Fördergelder landen zu einem großen Prozentsatz in Koproduktionen mit Amerika. Dann spielen die Hollywoodstars in Babelsberg und unsere Darsteller sind die Komparsen oder in Nebenrollen“, schimpft sie. Aber nicht lange.

Zu sehr ist Monika damit beschäftigt, eigene Projekte umzusetzen und voranzubringen. Als „Lucid Body“ Coach beispielsweise. „Ganz, ganz kurz zusammengefasst die Technik, über die Physis in die Psyche zu gelangen“, erklärt sie. Ganz aktuell wird am 13. und 14. Juli in Berlin ihre „Venus im Pelz“ aufgeführt („Da spiele ich mit und führe Regie„).

 

Plakat Venus in Fur

Plakat Venus in Fur; Foto Zora Jurenkova

Wenn Gegenwart Träume trifft…

 

Egal, ob Monika Gossmann mir über ihre eigene Geschichte erzählt hat, über ihre Leidenschaften Schauspiel und Tanz, egal ob sie über deutsche Geschichte oder ihren Berufsstand sinnierte oder von ihren gegenwärtigen Aktivitäten berichtete, irgendwie klang immer diese für mich äußerst angenehme Mixtur aus Selbstbewusstsein und Bescheidenheit durch. Eine große Bandbreite und der Raum für Überraschendes. Überraschend das Messer zieht sie allerdings nur, wenn es im Drehbuch steht.

Und wenn mal in irgendeinem zukünftigen Drehbuch eine Rolle vom puerto-ricanischen Schauspieler Benicio del Toro neben ihrer steht… Dann geht ein Traum in Erfüllung. Nicht der erste…

 

JJ

 

Weitere Informationen: http://monikagossmann.com/ und http://www.teamonfireproductions.com/

 

Foto Startseite: Katharina Sebirskaja

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