Schmähiger Charme

 

Isabel Meili stammt aus der beschaulichen Gemeinde Gebenstorf im Schweizer Kanton Aargau. Das 5000 Einwohner Örtchen liegt beim sogenannten Wasserschloss, wo drei der fünf grössten Flüsse des Landes – Aare, Limmat und Reuss – zusammen fließen.

Isabel Meili, Foto von Verena Frey

Isabel Meili, Foto von Verena Frey

Seit zehn Jahren indes lebt die junge Frau in Österreichs Hauptstadt. Da, wo der Wiener Schmäh regiert. Dort fand sie auch den Weg auf die Comedy-Bühnen.

Hier und jetzt erzählt sie uns darüber:

 

„Gut, ich war acht, als mir diese Idee zum ersten Mal kam…

 

 

JJ: Isabel, definiere bitte mal für dich ganz persönlich Humor.

Isabel: Humor ist für mich unglaublich vielfältig. Mit Humor geht vieles leichter, Humor heilt, Humor verbindet. Humor darf und soll aber auch anecken, provozieren und weh tun. Humor ist ein Spiel mit den Grenzen. Humor kann ein intellektueller Geniestreich sein oder infantile Blödelei.

JJ: Mir hat eine Kärntnerin mal erzählt, dass sie ein Jahr in Wien gelebt und dort keinen Wiener Schmäh erlebt hat. Eine Wienerin hat mir gesagt, Wiener Schmäh kann man Außenstehenden nicht erklären, den versteht eh kein Nicht-Wiener. Du kennst dich aus mit Wiener Schmäh, habe ich gehört. Was ist das?

Isabel: Wiener Schmäh ist tatsächlich schwer zu definieren. Ich persönlich empfinde ihn als sehr trocken, derb und teilweise morbide. Als ich vor zehn Jahren nach Wien gekommen bin, kam ich kaum damit klar. Das lag aber auch daran, dass alle Informationen, die ich von den Schweizern über die Wiener hatte, folgende war: Die Wiener sind besonders freundlich, da triffst noch echte Gentlemänner, so mit „Küss die Hand, schöne Frau“ und so.

Isabel Meili; Foto Verena Frey

Isabel Meili; Foto Verena Frey

Wenn du mit dieser Info nach Wien kommst, trifft dich erst mal der Schlag. Eigentlich müsste man im Reiseführer noch eine kleine Warnung anbringen: „Achtung: freilaufender Wiener Schmäh“ oder so. Mittlerweile habe ich aber selbst viel von dem Wiener Schmäh angenommen und mag ihn sehr, sehr gerne. Es gibt aber auch Tage, da gehta ma am Oasch.

JJ: Und: Was ist Schweizer Charme? Gibt es typisch Schweizer Humor?

Isabel: Ich wage zu behaupten, dass die Schweizer von sich selber sagen, recht wenig Charme zu besitzen. Das war auch meine Meinung, bis ich ausgewandert bin. Durch den Perspektivwechsel und natürlich durch den krassen Kontrast zu den Wienern ist mir aufgefallen, wie freundlich, fast schon herzlich, die SchweizerInnen sind.

SchweizerInnen bzw. in der Schweiz wohnhafte Menschen sind im öffentlichen Raum extrem viel freundlicher als WienerInnen. (Gut, die meisten sind freundlicher als WienerInnen.) Diese Schweizer Freundlichkeit und gut antrainierte Höflichkeit empfinde ich als Charme.

Früher hätte ich gesagt: Schweizer Humor ist sehr glatt und möchte auf keinen Fall anecken. Mittlerweile hat sich das stark geändert. Schweizer Humor ist sehr vielseitig, viel dunkler und mutiger geworden.

JJ: Zu meiner Zeit, damals als mein Heimatland, die DDR, noch von Zäunen und Mauern umgeben war, hatten wir trotz der Grenzen oft einen Schweizer zu Gast – Emil Steinberger. Kennst du als junger Mensch Emil? Magst du seinen Humor?

Isabel: Ja, ich mag seine Sketche und Figuren. Leider habe ich ihn nie live gesehen, aber ich habe mir einiges von ihm auf YouTube angesehen. Bemerkenswert finde ich seine Spielfreude. Obwohl er gewisse Nummern teilweise über Jahre oder sogar Jahrzehnte gespielt hat, scheint er wahnsinnig großen Spaß auf der Bühne zu haben. Dies aber ohne dauernd über die eigenen Witze zu lachen.

Isabel, Foto von Verena Frey

Isabel, Foto von Verena Frey

JJ: Isabel, blicken wir mal in deinem Leben zurück. Wann bahnte sich an, dass du auf Bühnen gehst und die Leute mit Comedy zum Lachen, Nachdenken oder Schmunzeln bringst? Schon als Schülerin in der Pause? Zuhause in Omas Küche?

 Isabel: Meine Eltern hatten eine OTTO-Kassette und ich war fasziniert von dem Typen. Von seinen Figuren, Stimm-Imitationen, Liedern, der Gratwanderung zwischen Genialität und kindischem Geblödel. Die Menschen zum Lachen bringen und zu unterhalten, zwei Stunden am Stück – das wollte ich auch.

Getraut habe ich mich natürlich nicht. Gut, ich war acht, als mir diese Idee zum ersten Mal kam. Auch später kam immer wieder der Gedanke, Komikerin sein zu wollen, aber die Eier dazu fehlten. Pausenclown in der Schulzeit – oder so was in der Art – war ich nicht, aber es hat mich immer auf die Bühne gezogen.

Familienmitglieder, den Besuch meiner Eltern und den Besuch der Eltern meiner Freunde habe ich als Kind oft als mein Publikum gesehen und denen irgendetwas vorgetragen. Meistens ein paar Nummern von OTTO oder der Kelly Family. Wahrscheinlich waren die Nummern der Kelly Family komischer als die von OTTO.

Ich habe dann eine Musicalausbildung in Wien absolviert und in einigen Komödien gespielt. Da habe ich wieder gemerkt, wie sehr ich das Geräusch mag, wenn Menschen lachen. Als ich 2015 ein Stimmbandödem hatte, nicht mehr reden durfte und dadurch monatelang berufsunfähig war, bin ich an einem Tiefpunkt meines Lebens angekommen.

Dadurch habe ich mir gesagt: Hey, du bist so tief unten, du hast nichts mehr zu verlieren. Du kannst jetzt alles machen, was du willst und schon immer machen wolltest, denn wer am Boden ist, kann nicht noch tiefer fallen. Und so habe ich mit Stand-up angefangen.

JJ: Und wann war dir klar, das geht als Beruf, das mache ich als Beruf?

Isabel: Die Menschen in meinem Umfeld meinten, dass ich mir nach dieser Krise vielleicht überlegen sollte, was nicht-künstlerisches zu machen und einen „richtigen“ Beruf auszuüben. Aber richtiger als der Beruf der Comedienne fühlt sich für mich zur Zeit einfach nichts an.

JJ: Was geht in den Minuten in dir vor, in denen du auf der Bühne stehst und dein Programm anbietest?
Bist du davor schon im Tunnel? Beeinflusst dich das Publikum? Fallen dir mitten im Auftritt manchmal noch Gags ein?

Isabel: Es ist paradox: Obwohl ich bewusst Jokes mache, die anecken sollen und bei denen ich hoffe, dass sie auf keinen Fall allen gefallen, denke ich mir trotzdem: ‚Hoffentlich mag mich das Publikum.‘ Ich gehe den Text im Kopf durch, und rede ihn auch laut vor mich hin. Ich will aber ein bisschen wegkommen von dem Text nochmals und nochmals vor dem Auftritt durchgehen und lockerer an die Sache rangehen. Daran arbeite ich gerade.

Isabel in Aktion, Foto Sabrina Saltori

Isabel in Aktion, Foto Sabrina Saltori

So blöd das klingt, aber: ich arbeite daran, lockerer zu werden. Das Publikum beeinflusst mich auf jeden Fall. Es gab schon Abende, da sprang der Funke nicht so über wie gehofft und selbst die Auf-Nummer-sicher-Lacher haben nicht funktioniert. Ich versuche mich dadurch, vor allem in den Momenten auf der Bühne, nicht verunsichern zu lassen. Was sehr schwierig ist. Oft suche ich nach solchen Auftritten das Gespräch zu anderen Comedians oder rekapituliere den Auftritt Satz für Satz nochmals, um zu analysieren, warum es nicht funktioniert hat und was ich beim nächsten Mal besser machen kann.

Interaktion mit dem Publikum kommt immer mehr, ich werde spontaner und traue mich, mehr Jokes einzubauen, die mir gerade einfallen. Das habe ich am Anfang gar nicht gemacht, weil ich einfach nur stur mein Set durchbringen wollte und ich Angst hatte, dass mich jede noch so kleine Abweichung aus dem Konzept bringen würde.

JJ: Bist du auf der Bühne 100% Isabel, oder eine Kunstfigur, oder ein bisschen Schauspielerin?

Isabel: Nicht ganz 100%. Aber es ist sehr viel Isabel. Auf der Bühne bin ich allerdings frecher und schlagfertiger, privat bin ich höflicher und zurückhaltender.

Seit ich Stand-up mache, bin ich abseits der Bühne selbstbewusster geworden. Ich glaube, die Bühnen-Isabel tut dem Privatmensch Isabel gut. Für die Auftritte ziehe ich auch immer an, worauf ich Bock habe und wonach mir gerade ist. Mal Schlabberpulli, mal High Heels, mal stark geschminkt, mal ungeschminkt und mit Brille. Das ist sehr befreiend und ich fühle mich dadurch immer sehr wohl in meiner Haut und auf der Bühne, weil ich mich nie verkleide.

Die Schauspielerin in mir habe ich mir für die Stand-up-Auftritte abgewöhnt. Und die Frau, die schön sein will und sich mit Schimpfwörtern zurück halten soll, auch.

JJ: Wie entstehen deine Texte?

Isabel: Erstmal habe ich nur eine Idee. Meistens kommt diese, wenn ich mich über etwas aufrege, oder wenn ich etwas lächerlich finde. Dann schreibe ich die Gedanken stichwortartig auf, damit ich sie nicht vergesse. Irgendwann setze ich mich hin und verbinde sie mit anderen Ideen und versuche, einen roten Faden herzustellen.

Manchmal beschreibe ich einfach eine Situation, die tatsächlich so stattgefunden hat – bisschen übertreiben, bisschen was weglassen und auf den Sprachduktus der beteiligten Personen achten. Am liebsten schreibe ich in einem Kaffeehaus oder im Zug.

JJ: Wer oder was treibt dich zu Lachkrämpfen oder wirft dich von der Couch?

Isabel: OTTO ist nach wie vor einer der Größten für mich. Seine alten Filme muss ich mir mindestens halbjährlich anschauen. Carolin Kebekus find ich auch ganz große Klasse. Ansonsten bringt mich Situationskomik am meisten zum Lachen. Und meine Schwestern. Wir haben teilweise 20-jährige Insider-Jokes, die unfassbar dämlich sind, wir aber nach wie vor extrem lustig finden.

Isabel, fotografiert von Verena Frey

Isabel, fotografiert von Verena Frey

JJ: Was liegt demnächst konkret an und wovon träumst du (Comedy-mäßig, beruflich)?

Isabel: Im Dezember findet die Vorpremiere von meinem ersten Solo „Schlapfen halten“ in Wien statt. „Schlapfen halten“ ist Wienerisch und bedeutet „Fresse halten“ und bezieht sich auf das Stimmbandödem. Für den Frühling 2018 ist die Premiere der Schweizer Version, für die ich noch auf Titelsuche bin, angedacht. Und natürlich reizt mich auch noch eine Version für Deutschland.

Da es teilweise ortsspezifisch ist oder Wortspielereien im Dialekt vorkommen, brauche ich für jedes Land ein abgeändertes Programm. Was sehr spannend für mich ist – und selbst die gleiche Nummer ist dann drei Mal verschieden. Außerdem habe ich mit zwei tollen Kollegen aus Wien ein Comedy-Trio, unser Programm „irgendwas mit Gleichberechtigung…“ ist eine Mischung aus Stand-up und Theater. Damit hoffe ich noch oft auftreten zu können.

Ich träume tatsächlich davon, so viele Menschen wie möglich zum Lachen, Schmunzeln und Nachdenken zu bringen. Klingt wie ein abgedroschener Spruch aus einem 90er Jahre Poesie-Album, ist aber tatsächlich so. Und ein Meerschweinchen hätte ich gerne.

JJ: Danke.

Isabel: Danke auch 🙂

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Weitere Informationen: Webseite von Isabel oder facebook Seite von Isabel

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Foto Startseite: Verena Frey

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