Immer noch die gleiche Kira

 

Die Tirolerin Kira Grünberg war als Stabhochspringerin Finalistin der Europameisterschaft 2014, Fünfte der Olympischen Jugendspiele 2010, Vierte der U23-Europameisterschaft 2015, Fünfte der U20-Weltmeisterschaft 2010 und hält den österreichischen Hallen- und Freiluftrekord (jeweils 4,45 m). Im Juli 2015 erlitt sie einen schweren Trainingsunfall und ist seitdem querschnittgelähmt.

Kira Grünberg, Foto von ©Tanja Cammerlander

Kira Grünberg,
Foto von ©Tanja Cammerlander

Die öffentliche Anteilnahme während Kiras zeitweise sehr kritischer Zeit im Krankenhaus und später in der Reha-Klinik erstreckte sich sowohl über den Familien- und Bekanntenkreis, als auch die Sportwelt und die Grenzen der Alpenrepublik hinaus. Serhij Bubka, der erfolgreichste Stabhochspringer aller Zeiten, meldete sich – und Stabhochsprung-Weltrekordhalter Renaud Lavillenie besuchte sie während der Reha.

Bei der Nationalratswahl in diesem Jahr wurde die junge Frau auf der Liste der Österreichischen Volkspartei in den Nationalrat des Landes gewählt. Genaueres erzählt sie uns – und das sogar sehr gerne – hier und jetzt selbst:

 

„Im Sport habe ich gelernt, dass es Höhen und Tiefen gibt und auf jeden schlechten auch wieder ein guter Tag folgt“

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JJ: Kira, schön, dass Sie mir einige Fragen beantworten möchten. Es ist schon fast eine Tradition, dass ich Österreicherinnen und Österreicher nach ihrem schönen Land frage. Erzählen Sie mal bitte ein bisschen über Innsbruck, die Region, das ganze Land und Ihre für mich sehr cool wirkenden Landsleute. Aus Ihrer ganz persönlichen Sicht.

Kira Grünberg: Wenn man nach Tirol kommt, sieht man als erstes die wahnsinnig hohen Berge und die schmalen Täler. Ich wohne in einem kleinen Dorf westlich von Innsbruck und genieße die Natur um uns herum, aber auch den kurzen Weg in die Stadt. Tirol bietet alles, was man zum Wohlfühlen und alt werden braucht.

JJ: Sie engagiere sich mittlerweile in der Politik. Waren Sie als Kind oder Jugendliche, beispielsweise als Klassen- oder Schulsprecherin, schon aktiv?

Kira: Nein, zu Schulzeiten hat der Sport 100 Prozent meines Engagements eingenommen, da hatte ich schlicht nicht die Zeit, mich als Schulsprecherin aufstellen zu lassen. Die Schulsprecherwahlen und der damit verbundene „Wahlkampf“ waren jedoch auch damals schon als Beobachterin sehr spannend für mich.

JJ: Sind Sie in den durchaus professionellen Bereich, den Sie als Abgeordnete des Nationalrates seit kurzem einnehmen, peu à peu hinein gewachsen, war das der Plan – oder eher Zufall?

Kira: Eher ein Zufall. Ich muss ehrlich gestehen, bis zu meinem Unfall habe ich nie daran gedacht einmal Abgeordnete zu werden. In meiner Heilungsphase haben sich dann neue Ziele und Ambitionen herauskristallisiert. Das Abgeordneten-Mandat hat sich so ergeben und ich bin sehr froh und stolz, diese Aufgabe nun annehmen zu dürfen!

JJ: Welche persönlichen Ansichten und Überzeugungen haben Sie in die ÖVP geführt, Kira, was verbindet Sie mit dem Programm dieser Partei?

Kira: Sebastian Kurz ist mir schon damals aufgefallen, als er ganz jung in die Bundespolitik eingestiegen ist und von Anfang an einen neuen, frischeren Typus von Politiker verkörpert hat. Persönlich kennengelernt haben wir uns nach meinem Unfall. Seit damals sind wir in Kontakt.

Kira Grünberg; Foto ©Tanja Cammerlander

Kira Grünberg; Foto © Tanja Cammerlander

Dieser Kontakt hat sich stetig intensiviert, bis er mir letztendlich das Angebot gemacht hat, seinem Team beizutreten. Nach einigen Telefonaten und Treffen und vielen Fragen meinerseits wusste ich: Das ist jetzt eine Chance, die ich nutzen muss, wenn ich mein Ziel, für andere Menschen mit Behinderung etwas zu verbessern, verfolgen will.

JJ: Und: Was sind Ihre ganz persönlichen politischen Ziele als Abgeordnete?

Kira: Als Bereichssprecherin für Menschen mit Behinderung möchte ich mich natürlich für genau diese Menschen einsetzten und ihnen und ihren alltäglichen Problemen meine volle Aufmerksamkeit schenken. Ein besonderes Anliegen ist mir die persönliche Assistenz, diese soll jedem Österreicher, der Anspruch hat, flächendeckend in ganz Österreich ermöglicht werden.

Mein Ziel ist es, Menschen mit Behinderung den Alltag zu erleichtern und ihnen das Leben zu ermöglichen, welches sie sich vorstellen. Erst durch meinen Unfall habe ich Klarsicht bekommen, wie viele Barrieren tatsächlich in unserer Gesellschaft bestehen.

Dabei geht es in erster Linie nicht unbedingt um bauliche Hindernisse, sondern vielmehr darum, dass Menschen mit Behinderungen oft nicht die gleichen Chancen erhalten. Sei es im Beruf, in der Schule oder auch im Sport – bei der Chancengleichheit gibt es nach wie vor viel zu tun.

JJ: Kira, was war, als Sie noch aktiv waren, also vor dem Unfall, Ihre ganz persönliche Faszination Sport und speziell die Faszination Stabhochsprung?

Kira: Stabhochspringen ist für mich noch heute die schönste Sportart, die es gibt. Mich faszinieren die Leichtigkeit, die Eleganz und vor allem die vielseitige Beanspruchung unterschiedlichster Körperfunktionen. Selbiges spiegelt sich im Training wider: Schnellkraft, Sprungkraft, turnerische Fähigkeiten und Balance – alles für diesen einen Moment nahe der Schwerelosigkeit.

JJ: Ganz ehrlich, wenn ich junge Menschen im Rollstuhl sehe, die aktiv sind wie kaum ein anderer, die erfolgreich ihren Job machen, oft Sport treiben, frage ich mich, ob ich nach einem Unfall diese Kraft hätte – oder ob ich aufgeben würde. Gab es so einen Gedankenmoment bei Ihnen, Kira? Oder haben Sie dem Schicksal gleich eine klare Ansage gemacht: „Mit mir nicht, Bürschle!“?

Kira: So wie die meisten Menschen habe auch ich vor meinem Unfall nicht gewusst, wie ich mit so einer Situation umgehen würde. Nun ja, tritt eine solche Situation ein, dann erübrigt sich die Frage relativ schnell von selbst – zumindest in meinem Fall: Aufgeben kam nie in Frage. Im Sport habe ich gelernt, dass es Höhen und Tiefen gibt und auf jeden schlechten auch wieder ein guter Tag folgt.

JJ: Auf Ihrer facebook Seite bedanken Sie sich bei den Menschen, die nach Ihrem Unfall für Sie da waren, für „Zuneigung, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft“, das habe Ihnen „Mut und Kraft“ gegeben. Können Sie das bitte konkret machen?

Kira: Das alles aufzuzählen würde wohl Tage dauern und ich möchte natürlich niemanden vergessen… An erster Stelle hat mich natürlich meine Familie und mein engstes Umfeld unterstützt. Berühmte Persönlichkeiten haben mich besucht und mit mir ihre schwersten Lebensmomente geteilt.

Kira Grünberg, Foto © Tanja Cammerlander

Kira Grünberg,
Foto © Tanja Cammerlander

Und natürlich auch die unzähligen handgeschriebenen Briefe von ganz fremden Menschen mit lieben und aufmunternden Worten. Zu jeder Zeit habe ich gewusst, dass ich hier in diesem Krankenbett nicht alleine liege, sondern, dass ganz viele Menschen an mich denken und bei mir sind.

JJ: Beschreiben Sie mal bitte mit einigen Sätzen, wie der Titel Ihres Buches „Mein Sprung in ein neues Leben“ gemeint ist. Wie neu ist das Leben, wie viel vom Leben davor ist noch da?

Kira: Es ist ein komplett neues Leben, aber ich bin immer noch die gleiche Kira, die ich vor dem Unfall war. Ja, meine sportliche Karriere ist beendet, ich bin auf sehr viel Hilfe angewiesen und kann nur wenige Dinge alleine machen – dennoch lebe ich ein erfülltes Leben.

Meine politische Karriere hat gerade erst begonnen, heute bin ich Abgeordnete im Nationalrat und will versuchen vielen Menschen zu helfen, indem ich meine Erfahrungen mit der Öffentlichkeit teile. So gesehen also ein weiterer Sprung in ein neues Leben.

JJ: Als Sie das erste Mal nach dem Unfall mit technischer Hilfe einige Schritte gelaufen sind, mischte sich da in Ihre Konzentration, in Ihre Mühe, ein Glücksgefühl, ein Gefühl als würden Sie fast schon fliegen?

Kira: Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl, wieder auf Augenhöhe mit all den anderen Menschen zu sein und zu sehen, wie sich meine Beine fortbewegen. Wie fliegen hat sich das Ganze dann im Freien am Parkplatz angefühlt – die kalte Luft, der leicht unebene Boden, das war schon ein besonderer Moment.

JJ: Kira, während ich diese Fragen an Sie schreibe, frage ich mich, ob Sie irgendwann mal, vielleicht schon jetzt, die Fragerei nach dem Unfall und dem Drumherum satt haben, ob Ihnen lieber ist, wenn wir alle nach vorne schauen…?

Kira: Ich rede sowohl gerne über meine Vergangenheit als auch über meine Zukunft. Mein Leben als Spitzensportlerin hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Der Unfall ist ein Teil meines Lebens, den ich nicht rückgängig machen kann und nicht ausblenden will.

Kira Grünberg; fotografiert von © Tanja Cammerlander

Kira Grünberg; fotografiert von © Tanja Cammerlander

Die Gespräche über meinen Unfall helfen mir enorm bei der Verarbeitung meiner Emotionen und dem Umgang meiner Situation – und hey, Fragen sind da um gestellt zu werden, ich sehe es als Teil meiner Aufgabe, diese auch zu beantworten. Am liebsten ist mir aber immer noch der Blick in die Zukunft, auf neue Herausforderungen und die großen Ziele, die es zu erreichen gibt.

JJ: Zum Schluss frage ich alle Interviewpartner nach ihren Träumen, meist nach den beruflichen. Welche haben Sie im Gepäck?

Kira: Derzeit ist mein unmittelbarer Traum, wieder hinter dem Steuer eines Autos sitzen zu können. Eine echte Herausforderung und ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstständigkeit.

JJ: Vielen Dank.

Weitere Informationen: Webseite von Kira Grünberg

Foto Startseite: Tanja Cammerlander

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