Felix, Pfeil und Bogen

 

Als Lisa Unruh im Sommer 2016 in Rio de Janeiro die olympische Silbermedaille gewann, in einer Phase, in der ganz Deutschland nach Podiumsplätzen lechzte, waren wir auf einmal alle Fans der Sportart Bogenschießen. Aber nur kurz. Die üblichen Verdächtigen aus Leichtathletik, Fußball oder Beachvolleyball holten schon bald die Illusion ein, da könnte ein Trend (oder mehr) entstehen.

Felix (2.v.r.) im Mannschaftskreis

Felix (2.v.r.) im Mannschaftskreis

„Leider nicht“, beantwortet Felix Wieser von der FSG Tacherting in Oberbayern die Frage, ob die Olympiamedaille einen Sturmlauf von Interessierten in die Bogenschützenvereine nach sich gezogen habe, „wir waren aus dem Häuschen, intern total begeistert, saßen zu fünft oder sechst vorm Fernseher, verschickten WhatsApp Nachrichten, zumal Lisa eine gute Freundin ist… aber neue Mitglieder hat es uns nicht beschert.“

Felix selber kam, zehn Jahre zuvor, auch nicht durch das Vorbild einer Olympiamedaille zu dem Sport, auch nicht, nachdem er einen Robin Hood Film gesehen hatte und auch nicht in guter, alter Familientradition. Völlig unspektakulär hörte er als 13jähriger, gemeinsam mit einem Freund, von einem Ferienprogramm, in dem Kinder sich im Bogenschießen ausprobieren können.

Talent und Freude

„Wir probierten es aus und es hat gleich gut funktioniert. Danach meldeten wir uns sofort für den Anfängerkurs an“, blickt der inzwischen 23jährige zurück. Die Freude an der Beschäftigung fand zusammen mit gleich erkennbarem Talent – und die Dinge nahmen ihren Lauf.

Die Mixtur aus Konzentration, Beherrschung der Technik sowie Kraft und Präzision macht dabei den Reiz für Felix Wieser aus. Er absolviert gerade eine technische Ausbildung inclusive Fachabitur, und ist deshalb hellwach und fasziniert, wenn es darum geht, aus Bogen und Pfeilen das Beste herauszuholen.

„Der Recurve-Bogen, mit dem bei Olympischen Spielen geschossen wird, ist eine gute Mischung aus Präzision durch ausgefeilte Technik und dem herkömmlichen Bogen, wie ihn die Filmhelden benutzten“, beschreibt der junge Mann aus Trostberg, „und bietet das höchstmögliche Potenzial. Er besteht außer aus einem Mittelteil und Wurfarmen (oben und unten) noch aus Stabilisatoren und Visier.“

Felix Wieser

Felix Wieser

Die Technik des Gerätes sei derart ausgefeilt und kompliziert, erzählt Felix Wieser, dass sowohl den Bogen als auch die Pfeile nur der jeweilige Schütze wirklich effizient und zielgenau verwenden kann: „Wir tauschen im Trainig aus Spaß schon mal, aber im Wettkampf wäre das fatal. Alles ist speziell auf den Einzelnen abgestimmt.“

Hightech

Mit Hightech in der Hand, voller Konzentration in Gehirn und Nervenbahnen sowie Leidenschaft im Herzen wurde der Schütze von der FSG Tacherting, um nur mal die größten Erfolge zu benennen, 2011 und 2012 Deutscher Juniorenmeister, holte 2015 aus Slowenien Europameisterschafts-Bronze nach Hause und erreichte 2016 den ersten Platz in der deutschen Rangliste. Wenngleich er im Training tatsächlich stets der coole Felix sei, wenn es an die Schusslinie geht, so stelle sich das in Wettkämpfen durchaus mal empfindlicher dar.

„Da spielt die Tagesform mit“, plaudert er aus dem Nähkästchen der Gefühle, und verrät, dass er anders als beispielsweise Musiker oder Schauspieler, deren Nervosität verfliegt, sobald sie auf die Bühne oder vor die Kamera treten, einen Moment länger braucht. „Vorm Wettkampf bin ich leicht aufgeregt, bis hin zum ersten Schuß, erst ab dem zweiten gehts dann cool und unaufgeregt weiter“, verrät er.

Treffer in die „10“ entlocken dem Sportler dann nicht jedes Mal ein Hochgefühl, auch nicht die ins „X“, die exakte Mitte. „Das wäre ja der Normalfall, dass ich in Serie die 10 schieße, dafür trainiere ich; ernst oder aufgeregt wird es, wenn der Pfeil mehrmals nacheinander nur in der „8“ oder „9“ einschlägt, dann mache ich mir Gedanken, wo am Bogen oder Pfeil ich nachjustieren muss, oder was ich vielleicht falsch mache. Gut, wenn dann der Coach gleich Rat weiß und den entscheidenden Hinweis gibt. Oder einen Schubs ;-)“, spricht Felix gelassen aus, was im Wettkampf über Sieg und Niderlage entscheidet.

Events

Nationale Höhepunkte sind die Budesligaserie im Winterhalbjahr, wo in der Halle auf 18 Meter Bahnen auf 40 Zentimeter Scheiben geschossen wird, wobei der „10er“ einen Durchmesser von vier Zentimetern hat. Im Sommerhalbjahr bei regionalen und landesweiten Vergleichen sowie World-Cups und Welt- und Europameisterschaften, die draußen auf 70 Meter Bahnen stattfinden, haben die Scheiben dann 120 Zentimeter und der „10er“ zwölf Zentimeter Durchmesser.

Felix Wieser

Felix Wieser

Demnächst freut sich der Oberbayer auf das Bundesligafinale am 20. Februar in Wiesbaden vor 700 Zuschauern. „Vor so einem Publikum und mit Eventcharakter macht der Sport natürlich besonders Spaß“, begründet er und sieht in begeisterten, jubelnden Menschenmengen kein Problem für die Konzentration: „Mich lenkt das nicht ab, wenn, dann wäre ich falsch in dem Metier!“

Ganz im Gegenteil, Felix geht davon aus, dass durch Veranstaltungen, zu denen viel Publikum strömt, weil eben auch am Rande und abseits des sportlichen Wettbewerbes sowie zusätzlich zu ihm Erlebenswertes stattfindet, generell das Interesse am Bogenschießen wächst.

Im Juni findet in Antalya ein Weltcup statt und im August in Berlin, während im Oktober die Weltmeisterschaft in Mexico steigt. Auf seine Teilnahme hofft Felix Wieser nicht nur, darauf arbeitet er hin, trainiert vier Mal pro Woche mit Pfeil und Bogen und macht zusätzlich Kraft- und Ausdauertraining. 23 Kilogramm Zuggewicht hat er bei jedem Schuss zu bewältigen, und das cirka 30.000 Mal pro Jahr. Als Rechtshänder über die rechte Körperseite, deshalb ist Ausgleichstraining nötig.

Flow

Auch wenn Teamwettbewerbe anstehen, sieht der 23jährige sich und seine Kollegen nüchtern betrachtet zum großen Teil als Einzelkämpfer. „Vorne an der Linie stehe ich immer alleine“, begründet er, „allerdings reißt es mit, wenn die Mannschaftskameraden gut drauf sind und es entsteht ein Flow.“

Ob es bundesweit, was den Bogensport anbelangt, zu einem Flow kommt, durch Leistungen wie die letzten Sommer, die Lisa Unruh uns während der Olympischen Spiele bescherte, oder durch mitreißend angelegte Events wie demnächst in Wiesbaden oder Berlin, das bleibt abzuwarten. Klar ist, dass Felix Wieser fleißig , engagiert und voller Leidenschaft darauf hin arbeitet.

JJ

Quelle Fotos: Felix Wieser

Weitere Informationen: https://www.youtube.com/watch?v=n0S-3rEYrbQ

Zum Verein von Felix

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