Ein Riesen-Geschenk

 

Was haben ein Geschirrspüler und eine Theatervorstellung gemeinsam? Blöde Frage?

Ja. Außer für Franziska Lehmann. Sie ist Schauspielerin und steht auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Und wenn sie da so steht, sitzt oder läuft, wenn sie da in eine Rolle schlüpft, manchmal auch gleich in mehrere an einem Abend, dann kann das im Ergebnis schon mal dasselbe bedeuten wie ein Spül- oder Waschvorgang. „Ich bin danach auf Neutral“, beschreibt sie, „leer, irgendwie gereinigt. Wenn mich vor einer Aufführung etwas sehr beschäftigt und ich dadurch nicht in meiner Mitte bin, bin ich nach dem Spielen wieder mehr bei mir. Unter anderem deshalb liebe ich diesen Beruf.“

Franziska Lehmann, Foto von Martin Wickenhäuser

Franziska Lehmann, Foto von Martin Wickenhäuser

Aber nicht nur deshalb: „Ich will die Menschen berühren, das Publikum mitnehmen, zum Nachdenken anregen. Sie sollen nicht raus gehen wie sie reingekommen sind.“
Franziska verkörpert gerne taffe, starke Frauen, schwierige Charaktere, sie mag, wenn es körperlich wird, Action aufkommt – und gleichsam liebt sie es auch ganz anders: „Die Vielseitigkeit des Berufes, die darin besteht, unterschiedliche Frauen spielen zu können.“

Diese Vielfalt des Schauspielerinnen-Daseins…

…beinhaltet auch für die Schweizerin das, was oft in der Mädchenzeit am Anfang einer jeden Karriere steht. „Das Verkleiden war damals ein Aspekt für mich, immer wieder auf Bühnen zu wollen, und immer, wenn jemand gesucht wurde, etwas vorzuführen, schlugen Klassenkollegen mich vor“, blickt sie kurz in die Vergangenheit, und schlägt gleich wieder die Brücke zum Heute: „Auch jetzt noch freue ich mich auf ausgefallene Kostüme, Perücken, geschminkt zu werden, die Verwandlung. Vielleicht auch, weil ich privat deutlich weniger spektakulär unterwegs bin.“

Franziska Lehmann, Foto von Martin Wickenhäuser

Franziska Lehmann, Foto von Martin Wickenhäuser

Apropos Mädchenzeit und Anfänge. „Als Kind war ich sehr aktiv“, beschreibt Franziska Lehmann recht harmlos klingend das Leben eines wahrhaftigen Wildfangs in Zürich, „wegen meiner Lebhaftigkeit machte sich meine Mutter Sorgen, ob ich – noch dazu als jüngste in der Klasse – überhaupt klar kommen würde in der Schule. Ich konnte nicht still sitzen und schlug auf dem Weg zur Tafel gerne mal einen Purzelbaum. Ich improvisierte ein eigenes Theaterstück mit Prinzessin und Putzfrau, ging in die Theater-AG. Immer schaute ich, ob auch alle hingucken, wenn ich Quatsch mache. Ich wollte mich einfach zeigen, angeschaut werden…“

Ganz so logisch, ganz so geradlinig…

…und einfach war der irgendwann folgende Schritt an eine Schauspielschule indes nicht. Der eigentliche Entschluss, die Leidenschaft zum Beruf zu machen, gebar eher einem Zufall. „Am Gymnasium, im Philosophieunterricht, hatten wir einen Lehrer, dessen Sprachduktus schwer zu folgen war. Deshalb nahm ich aus der Schulbibliothek ein Buch mit. Die Quintessenz daraus war, dass man mit seinem Leben machen soll was man will. Und da habe ich mich selber gefragt, was ich wirklich mit meinem Leben anfangen will. Und dann war klar, Schauspielerin!“ So erinnert sich Franziska an den entscheidenden Moment.

Franziska Lehmann; Foto von Martin Wickenhäuser

Franziska Lehmann; Foto von Martin Wickenhäuser

Da mit dem Vorhaben auch Zweifel einhergingen („Kann ich das überhaupt?“), erzählte die junge Frau niemandem davon. Sie dachte auch nicht wirklich darüber nach, ob es eine Theater- oder Filmschauspielschule werden soll und beauftragte Herrn Google. „An erster Stelle tauchte die European Film Acting School Zürich auf, eine private Schule, spezialisiert auf Film“, erinnert sich Fransiska Lehmann, und die Dinge nahmen ihren Lauf; „doch es fühlte sich nicht richtig an, ich hatte nach zwei Jahren nicht das Gefühl, so viel gelernt zu haben, dass ich sagen kann: ich bin Schauspielerin, und es mir selber zu glauben. Also wechselte ich an die Theaterakademie Köln“. Dort lernte sie dreieinhalb Jahre lang Theater spielen. „Es war eine aufregende Zeit“, fasst sie zusammen, „sehr vielfältig. Und persönlichkeitsbildend“.

Die Verwandlung…

…in die auf der Bühne darzustellende Figur passiere, natürlich nach wochenlanger Probephase, dann letztlich hinter den Kulissen, in der Zeit vor dem Auftritt. „Ich mache da einfach meine Arbeit“, spricht die in Köln lebende Züricherin gelassen aus, was genau betrachtet Kunst ist, „alles ist oft eingeübt, Umziehen und Schminken helfen. Auf den Brettern bin ich dann in der Rolle und gleichzeitig noch bei mir, denkend, führend, wie eine Art Kommandozentrale“.

Ganz weg aus dieser Welt befindet sich die Schauspielerin dabei nicht: „Ich verliere mich nie komplett“, erzählt sie und erkennt durchaus noch die Freundinnen im Publikum, „ich denke, die Fähigkeit, konzentriert auf meine Handlungen achten zu können, muss da sein, es wäre dumm, wenn ich in einer ernsten Rolle stolpere, weil ich auf einer kleineren Bühne bin als gewohnt, oder weil das Publikum ganz anders reagiert als sonst, oder der Schauspielpartner einen Patzer hinlegt“.

Franziska Lehmann; Foto von Carl Brunn, Theater-Aachen

Franziska Lehmann; Foto von Carl Brunn, Theater-Aachen

Überhaupt erachtet Franziska Lehman ihre jeweiligen Kollegen als immens wichtig: „Ist er bei mir oder ist er bei sich? Das macht viel aus. Ich reagiere danach. Das macht Zusammenspiel lebendig!“

Wenn die Darstellerin nach der Vorstellung runter von der Bühne geht, ist sie auch „raus aus der Rolle. Aber in einer anderen Spannung. Irgendwie ist das ein technischer und trainierter Vorgang „. Und wohl auch so erforderlich.

Aktuell…

… (ab 20. Januar in Neuss und 10. Februar in Düsseldorf) mischt die Schauspielerin kräftig in der bereits weitestgehend ausverkauften Kabarettshow „Stunk“ mit. Im November letzten Jahres gab Franziska in Köln in „Der letzte der feurigen Liebhaber“ von Neil Simon gleich drei Damen in einer Aufführung – die dominante, draufgängerische Elaine („am weitesten von mir persönlich weg, da braucht es Kraft zu agieren; als ich drin war, hat es Spaß gemacht“), die Bobbi Michele, eine völlig durchgeknallte Schauspielerin („das sexy Dummchen, total überdreht; das durfte ich schon öfter spielen“) und Jeanette, die Depressive („davor hatte ich großen Respekt; als ich die passende Stimmfarbe und den körperlichen Tonus gefunden hatte, ging es gut“).

Franziska als Elaine, Bobbi Michele und Jeanette; Foto von Oliver Scheemann

Franziska als Elaine, Bobbi Michele und Jeanette; Foto von Oliver Scheemann

Für Franziska Lehmann sind solche Engagements der Traum, von dem sie nicht träumen muss, denn sie lebt ihn. „Drei Rollen an einem Abend, das ist ein Riesen-Geschenk“, freut sie sich, „ich durfte viel zeigen. Vielleicht war ich deshalb, wenngleich ich ansonsten eher entspannt heran gehe, da nervöser als sonst“.

Noch ein Geschenk, vielleicht ein kleiner Schauspielerinnentraum, bahnt sich für voraussichtlich den 28. April im Theater am Schlachthof in Neuss an. Mit „Schwyzer Käs op Halve Hahn“ hat der Autor Jens Spörckmann ein Zwei-Personen-Stück extra für die Züricherin geschrieben. „Zum ersten Mal spiele ich eine Schweizerin“, frohlockt sie.

Klar also bei solchen vergangenen, aktuellen und zukünftigen Herausforderungen, dass Franziska zu ihrem Entschluss, den Schauspielberuf zu ergreifen, sagt: „Immer wieder!“

JJ

Foto Startseite: Martin Wickenhäuser

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