Ehrlich spielen

 

Eine ARD-Serie. Ein junger Mann sieht eine junge Frau zum ersten Mal, schaut in ihre blauen Augen, wechselt ein, zwei Sätze mit ihr und Bäääng ist es um ihn geschehen. Verliebt.

Ich sitze am Bildschirm und kann das zu 100 Prozent nachvollziehen. Das wirft in mir die Frage auf, wie eine Schauspielerin in so eine Szene – und in jede andere auch – hinein geht, um sie echt und nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Und nicht gespielt.

Und schafft sie das alleine? Oder doch nur mit bestens aufgelegten Kollegen? Ich frage mal eben Sarina Radomski:

 

„Sich ernst nehmen, zuhören, vertrauen und wissen, dass man auf das gleiche Ziel hinarbeitet“

 

JJ: Sarina, was fühlst, spürst, denkst du, wenn du am Set stehst, die Kamera ist auf dich gerichtet und der Regisseur sagt „Bitte“, genau in dem Moment?
Und: Wie beeinflussen dich dabei gut aufgelegte Schauspielpartner, der Regisseur und vielleicht deine Tagesform?

Sarina Radomski: Im besten Falle spüre ich, was es bei mir persönlich in den Umständen der jeweiligen Figur gerade zu spüren gibt. Also zum Beispiel: Anna hat Angst (Nervosität, Traurigkeit) oder Fiona ist freudig (Erregung, Verliebtheit)… Das kommt eben ganz darauf an, was in der Szene erzählt werden soll.

Sarina_Radomski Copyright Steffi Henn Photography 2016

Foto Copyright Steffi Henn Photography 2016

Und Konzentration. Die ist nicht verkrampft, sondern fokussiert auf das, was Fiona oder Anna bevorsteht und was sie erreichen wollen.

Aufgeregt bin ich schon auch immer ein bisschen. Aber das ist etwas sehr schönes.

Früher habe ich häufiger gehört, dass die Tagesform nicht entscheidend sein darf, weil sie alles beliebig macht. Wir sind ja Profis. Ja, aber eben auch Menschen und keine Maschinen.

Ich sage mittlerweile: Natürlich gibt es sie. Diese Tagesform. Und in welcher Mannigfaltigkeit die sich manchmal zeigen kann, wissen wir alle. Nur sehe ich es in meiner Verantwortung als Spielerin, sie nicht Herr der Lage werden zu lassen, sondern ganz im Gegenteil, aus ihr zu schöpfen. Sie anzunehmen wie ein Kind und sie zum mitspielen einzuladen.

Gleiches gilt hier und da auch für die Regie und Spielpartner. Ein gutes Arbeitsklima ist mir schon sehr wichtig. Und für mich bedeutet das unter anderem: Sich ernst nehmen, zuhören, vertrauen und wissen, dass man auf das gleiche Ziel hinarbeitet. Eigentlich wie in einer gut aufgestellten Familie.

Ich bin lieber über- als unterfordert. Und da bin ich natürlich sehr dankbar, wenn ich mit Regisseuren oder Regisseurinnen und Spieler/Innen arbeiten darf, die das von mir abverlangen.

JJ: Warst du als Kind schon auf den Bühnen, die Omas Küchentisch, Theater-AG oder Krippenspiel heißen, zuhause?

Sarina Radomski: Ich habe beim Markranstädter Kinderfest mit meiner besten Freundin Vicky damals den ersten Platz bei der „Mini Playback Show“ belegt, im Stadtbad. Wir waren Barbara Streisand und Celine Dion.
Ich wollte Celine sein, aber da Vicky schon damals die cooleren Kleider trug, war ich nur die Barbara. Im Nachhinein habe ich keine Ahnung, warum ich Celine mehr mochte.

Sarina Radomski; Foto Copyright Franz Grünewald 2016

Foto Copyright Franz Grünewald 2016

Dann habe ich in einem superschönen Jugendtheater in Leipzig (Theatrium) angefangen mit einer Regieassistenz, da war ich 14. Es folgten ein paar Jugendtheaterprojekte als Spielerin, die mir – im Gegensatz zur Schule – immer großen Spaß gemacht haben.

Ansonsten habe ich, schon als ich klein war, viel getanzt. Ich musste immer überall hüpfen.

JJ: Und wann wurde aus unbekümmertem Spiel Ernst, wann wolltest du Schauspielerin werden und nichts anderes?

Sarina Radomski: Es gibt Poesiealbumeinträge, in denen ich in der ersten Klasse schon geschrieben habe, dass ich „das mal werden will“. Aber ich glaube, das steht bei jedem zweiten Kind im Kritzelbuch.

Als ich in der dritten Klasse das Tanzen begann und später zum Theater spielen kam, wurde mir recht schnell klar, wohin die Reise gehen muss. Ich hatte zwar keine (!) Ahnung, was das genau bedeuten würde, aber immer die volle Unterstützung von meinen Eltern. Das ist leider nicht immer selbstverständlich und ich bin noch heute dankbar dafür.

„Ernst“ wurde es dann erst, als ich nach einer ganzen Weile auf der Schauspielschule, die ich schon mit 17 besuchte, begriff, dass Schauspiel für mich kein Beruf, sondern eine Lebensentscheidung ist oder besser: sein muss. Und so kam das Rad ins rollen…

JJ: Erzähle mal ein bisschen von deiner Arbeit im Clowns – /Improvisationstheater, was war da los, was ist das Faszinierende speziell daran?

Sarina Radomski: Ohh ja… das waren Zeiten. Da gab es dieses Potential. Und da gab es einen Menschen (Larsen Sechert), der das erkannt hat und dann folgten Monate und Jahre voller prägender und spannender Produktionen.

Genau genommen bin ich so auch zum Schauspiel gekommen. Larsen ist Theaterclown und hat mich in die grotesken und absurden Welten der Clownerie entführt, wir haben eigene Clownsfiguren entwickelt, improvisiert, Sommertheater gespielt.
Viele Menschen mochten das sehr gern und konnten über uns lachen. Wirklich schade, dass Clowns, wie ich finde, oft noch völlig unterschätzte Kunstfiguren sind.

Meine Reise sollte mich dann in eine andere, manchmal nicht weniger absurde, Welt führen. Aber die Clownin gibt es definitiv immer noch.

JJ: Und was ist grundsätzlich die Faszination Schauspiel für dich ganz persönlich?

Sarina Radomski: Ich glaube, einiges davon ist hier schon durchgeblitzt. Aber ich liebe den ständigen Prozess und die Auseinandersetzung.

So wie ich Schauspiel verstehe, lässt ES mir keine Wahl. Ich kann mir nicht gut erlauben, faul zu sein mit mir.
Würde ich es werden, könnte ich nicht mehr ehrlich spielen. Alles ist miteinander verbunden und verwoben.

Sarina Radomski; Copyright Franz Grünewald 2016

Foto Copyright Franz Grünewald 2016

Und vielleicht noch das hier: Schauspiel ist für mich die Chance, mit Verantwortung und im Bewusstsein, Menschen und ihre Bedürfnisse kennenzulernen, ihnen nah zu sein – und damit verbunden, die Möglichkeit, mich selbst über diese „Menschfiguren“ zu klären, zu erkennen, um in körperlicher und seelischer Gesundheit zu leben. Klappt nicht immer.

JJ: Weil ich ein großer Fan des Films „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ bin, Sarina, du hast 2010 am Theater in dem Märchen mitgespielt. Warst du das Aschenbrödel, ging ein Traum in Erfüllung?

Sarina Radomski: Ja, genau. Ich habe das Aschenbrödel gespielt. Ich finde das Märchen auch ganz hübsch, aber ehrlich gesagt habe ich den Hype darum nie so ganz verstanden. Für mich gibt es andere Märchen, die mich mehr berühren.
Die Produktion hat damals aber Spaß gemacht. Es war für mich neu, ein Theaterstück ensuite (viele Male in Folge) zu spielen. Da habe ich viel gelernt.

 

„Und dann schimpf ich dich Idiot und du holst mir ein Glas Wasser…“

 

JJ: Was reizt dich ganz persönlich am Theater spielen?

Sarina Radomski: Der Prozess vor dem Premierenabend. Die Proben. Die Beschäftigung mit den Texten.
Die Zeit mit einem Ensemble, was sich selbst und dann auch einen ganzen Theaterabend trägt. Die Fragen, das Wühlen, die Probleme, das ständige Ringen und Kämpfen um das „eine“, von dem man dann manchmal gar nicht mehr weiß, was es ist…

Und dann schimpf ich dich Idiot und du holst mir ein Glas Wasser, es wird Nacht und der Mond zwinkert beim nach Hause gehen hinterm Dach… Romantik pur.

Aber ernsthaft: Das Gefühl, gemeinsam an etwas zu arbeiten, etwas zu ergründen, zu erspielen und dann zu gebären. Das finde ich einen Wahnsinnsprozess, der für mich mit nichts anderem zu vergleichen ist. Natürlich ist es auch besonders, vor Publikum zu spielen und gemeinsame Luft zu atmen.

JJ: Du hast den Beruf der Schauspielerin gelernt, Sarina, bildest dich umfassend künstlerisch weiter. Was bedeuten dir Aus- und Weiterbildung?

Sarina Radomski: Alles und nichts. Ich habe mich irgendwann entschlossen, aufrichtig durchs Leben zu gehen. Und wenn ich, so als Sarina, darin wirklich konsequent bin, dann bedeutet das für mich Weiterbildung, Neugier, Offenheit, Geduld, Liebe und ständiges Überprüfen der persönlichen Lebensumstände.

Wie möchte ich leben? Wo möchte ich leben? Was sind meine Ziele? Was will ich von meinen Mitmenschen? Klingt irgendwie anstrengend und rastlos. Und das ist es auch. Aber für mich der allerschönste Weg, um nicht der ewig Flüchtende meiner eigenen Lebenslüge zu sein.

Insofern ist Weiterbildung jedweder Art für mich wahnsinnig wichtig. Da kann eine Begegnung mit einem besonderen Menschen im Supermarkt aber genauso entscheidend sein, wie ein wochenlanger Schauspielworkshop.

„Nicht wichtig“ sage ich deswegen, weil es für mich sehr viele Kollegen gibt, die ohne jede Schauspielausbildung, in dem was sie tun berühren, ehrlich spielen und mit voller Leidenschaft einfach loslegen. Dafür habe ich große Bewunderung und merke immer, dass ich da sehr viel lernen kann.

Denn schade ist es ja, wenn vor lauter (Schauspiel) Technik die Spielfreude verloren geht und das sogenannte „im Moment sein“ nicht mehr passieren kann, weil man Angst hat, etwas falsch zu machen. Aber auch daraus konnte ich mich schon manches mal wieder befreien, wenn es mir passiert ist.

JJ: Denkst du, eine Schauspielerin sollte alles spielen können?

Sarina Radomski: Nein, das denke ich nicht. Und überhaupt, was bedeutet das eigentlich?
Wenn es bedeutet, dass eine „gute“ Schauspielerin nur eine „gute“ ist, wenn sie „alles“ (- definiere alles) spielen kann, finde ich es blödsinnig. Steckt allerdings dahinter, dass man den Anspruch an sich selbst hat, vielfältig zu sein, kann ich das absolut nachempfinden.

Sarina_Radomski Copyright Steffi Henn Photography 2016.

Foto Copyright Steffi Henn Photography

Schau dir so unendlich große Schauspielerinnen wie Meryl Streep an, die in der Wurzel ihres Schaffens auch „immer nur das Gleiche“ spielt. Aber das wahnsinnig durchdacht, durchfühlt und ehrlich in so vielen Facetten. Das berührt mich und so viele andere Menschen auch. Und darum geht es ja: Ich denke, wir alle wollen erleben. Ob als Spieler oder als Rezipient.

JJ: Was liegt demnächst konkret bei dir an? Was hättest du gerne anliegen (gibt es schauspielerische Träume?)

Sarina Radomski: Ich drehe momentan „Zarah“ (das ist bisher noch der Arbeitstitel). Eine neue wöchentliche Serie, die in den 70er Jahren spielt, mit Claudia Eisinger in der Hauptrolle und vielen anderen tollen Kollegen. Wir drehen in Hamburg. Da spiele ich die Elke Beermann, eine Grafikerin, die Zarah bei ihrem Ringen um den ewigen Kampf der Gleichberechtigung in der männerdominierten Redaktion „Relevant“ zur Seite steht.

Träume als Schauspielerin? Ich möchte gerne bald einen Langfilm drehen. Mit sehr viel Zeit und sehr viel Geld und veganem Essen. Da bin ich die toughe, krasse Superheldin, die natürlich krass, aber auch sehr verletzlich und nie ziellos ihre Abendteuer erlebt und sich, nachdem Sie mit dem krassen Dings und der noch viel krasseren Bums so’n richtig dickes Ding gedreht hat, einsieht, dass sie doch eigentlich nur mal ’n Glas Fanta braucht. Irgendwie so.

Also eine starke Frauenrolle würde ich mir wünschen. Und eine Theaterproduktion darf demnächst auch mal wieder anstehen. Zusätzlich schreibe ich gerne und möchte eventuell bald ein eigenes Projekt wagen.

JJ: Vielen Dank, Sarina, viel Spaß dabei.

Weitere Informationen: Facebook Seite von Sarina  und Sarina auf der Agenturseite

Foto Startseite: Copyright Franz Grünewald 2016

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