Die Leichtigkeit des Spiels

 

Warum Andrea Schneider vor einigen Jahren in Paris, direkt neben dem Eiffelturm, Einheimische und Gäste gleichwohl zur Umarmung einlud, wer ihr als Kind Applaus für diverse Schauspieleinlagen schenkte, was auf der Bühne oder vor der Kamera in ihr vorgeht und mit welchem Traum, der eher ein Ziel ist, sie durch die Realität schreitet? Sie erzählt es uns. Hier und jetzt:

 

„… dass es mein eigenes Leben noch viel voller macht“

 

JJ: Andrea, lass‘ uns mal eben einige Jahre zurück schauen, wie warst du als Kind so drauf, voll die Entertainerin, immer vorne weg, immer mitten drin, immer den Schalk im Nacken; zeichnete sich da schon ab, wo beruflich die Reise hin geht?

Andrea Schneider: Das kann man wohl so sagen. (lacht) Bei uns in der Familie war ich schon immer diejenige, die all ihre Energie in kreative Dinge gesteckt hat. Sei es Zeichnen gewesen, Singen oder eben die Schauspielerei. Wenn meine Eltern gearbeitet haben, hat meine Oma oft auf mich aufgepasst. Bei ihr bin ich dann immer an den Kleiderschrank gegangen, habe mich verkleidet und habe ihr dann Szenen aus Peter Steiners Theaterstadl nachgespielt.

Andrea Schneider; Foto (c) Marco Fechner

Andrea Schneider; Foto (c) Marco Fechner

Ihr Lachen und ihre Freude waren damals schon mein Applaus. Sie war leidenschaftliche Bauerntheaterschauspielerin und hat mich in dieser Hinsicht sehr ermutigt und geprägt. Ich konnte es auch nie aushalten, wenn jemand traurig war, und so habe ich immer alles versucht, um denjenigen/diejenige wieder zum Lachen zu bringen – das ist auch heute noch so.

JJ: Du bist ausgebildete Schauspielerin. Kolleginnen von dir haben mir erzählt, dass sie sich trotz praktischer Erfahrungen erst mit diesem Abschluss als Schauspielerin gefühlt haben, bei anderen war es umgekehrt, sie hatten das Papier und brauchten Engagements für ihr Selbstverständnis. Wie sieht das bei dir aus, gab es den Moment, an dem es Klick machte, war es ein Prozess – oder denkst du gerade: Was will der dicke, alte Mann von mir?

Andrea: Eine Dozentin hat damals bei unserem Abschluss gesagt: „Jetzt seid ihr ausgebildete Anfänger, Schauspieler seid ihr erst später“ – und ich muss sagen, sie hatte Recht damit.

Natürlich lernt man bereits in der Ausbildung viele Grundlagen, Techniken und legt die ersten Grundsteine für sein eigenes Handwerk – aber erst in der Praxis, ohne diesen geschützten Rahmen der Schauspielschule, lernt man, was es heißt ein/e Schauspieler/in zu sein. So ging es mir auf jeden Fall!

Ich muss aber auch sagen, dass ich mich viel freier als Schauspielerin fühle, seitdem ich aus der Schauspielschule draußen bin. Es ist, als ob der ganze Druck, der damals aufgebaut wurde, erstmal weggefallen ist. Aber es ist definitiv ein Prozess, sich in diesem Beruf frei bewegen zu können und ein Selbstverständnis aufzubauen.

JJ: Was war in dich gefahren, als du neben dem Eiffelturm die „Free Hugs“ Aktion durchgezogen hattest, nur ein Späßchen für die Kamera? Und: Kam bei der einen oder anderen Umarmung – beziehungsweise in der Summe – eine Message in dir an?

Andrea: Meine „Free Hugs“-Aktion war damals für den „Selfmade Shorties“ Wettbewerb, den Crew-United, Schauspielervideos und die ZAV vor ein paar Jahren für uns Schauspieler ins Leben gerufen haben – Themenvorgabe in dem Jahr war „Liebe“.

Als das Thema bekannt gegeben wurde, war ich gerade in Paris im Urlaub und es hat mich direkt gepackt und ich wusste sofort, was ich machen möchte. Mit meinem Freund im Gepäck, ein paar weißen Zetteln, einem Edding und der Handykamera sind wir dann zum Eiffelturm gefahren und ich habe einfach mal angefangen, ohne zu wissen, ob überhaupt jemand mitmachen wird. Aber nach ein paar Minuten waren die ersten Leute schon voll dabei.

Ich bin heute noch ganz geflashed, wenn ich daran zurückdenke. Es waren ja nicht nur junge Leute, die bei der Idee mit eingestiegen sind – sondern Jung und Alt, verschiedene Ethnien und Religionen – einfach alle! Für mich bedeutet diese Aktion heute noch großen Zusammenhalt und das wir alle gleich sind und die gleichen Bedürfnisse haben.

JJ: Apropos… ich habe das Gefühl, du schaust gerne mal eben über den Tellerrand hinaus, denkst an Tiere, gesamtgesellschaftliche Belange… Liege ich richtig, was treibt dich an?

Andrea: Da hast du Recht. Ich hatte schon immer einen großen Sinn für Gerechtigkeit, helfe und unterstütze, wo ich kann – bin gerne Teamplayer. Das habe ich zum einen von meiner Oma gelernt, für die immer alle in ihrem Haus willkommen waren. Zum anderen kommt das wahrscheinlich noch aus meiner Kindheit. Ich wurde oft gemobbt und gehänselt, weil ich damals schon das kleine, dicke Mädchen war. (lacht)

Andrea Schneider, Foto (c)Mirja Kofler

Andrea Schneider,
Foto: (c) Mirja Kofler

Damals habe ich mir oft gewünscht, dass jemand für mich so einsteht, wie ich es heute für andere mache. Aus dieser Position heraus konnte ich dafür aber meinen Gerechtigkeitssinn entwickeln, den ich heute gerne dafür einsetze, um für die zu sprechen, die es nicht können.

JJ: Erzähle mal bitte ein bisschen über dich und die Musik, Andrea, einfach so – ohne konkrete Frage.

Andrea: Musik ist meine zweite Leidenschaft. Ich singe gerne, ich tanze gerne, ich drücke wahnsinnig gerne Emotionen durch Musik aus. Musik war immer ein großer Bestandteil unseres Lebens zuhause. Den ganzen Tag lief das Radio, meine Mutter hat oft dazu gesungen, viele in meiner Familie können ein oder mehrere Instrumente spielen. Durch das Radio habe ich sogar Englisch gelernt, weil ich immer wissen wollte, was die da überhaupt singen.

JJ: Und nun zum eigentlichen Thema: Was ist deine ganz persönliche Faszination Schauspiel, warum spielst du selbst gerne, warum schaust du gerne zu?

Andrea: Meine Faszination an Schauspiel war schon immer, in andere Rollen und Leben zu schlüpfen und deren Geschichten zu erzählen. Als Andrea bin ich ja per se erstmal nur eine Person und führe ein Leben. Als Schauspielerin kann ich aber für jede Rolle ein eigenes Leben kreieren, so viel Wissen und Erfahrungen ansammeln, dass es mein eigenes Leben noch viel voller macht.

Außerdem fand ich es schon immer toll, in Kostüme zu schlüpfen und mich optisch zu verändern. Ich liebe es auch, anderen Kollegen zuzuschauen und zu sehen, wie sie sich auf die Rollen vorbereitet haben und wie sie die Rolle sehen und verkörpern. Da ich jemand bin, der viel über das Zuschauen lernt, versuche ich immer so viel wie möglich aufzusaugen und versuche so oft wie möglich meinen Kollegen zuzuschauen – sei es bei ihren Theaterstücken oder dadurch, dass ich ihre Filme schaue.

JJ: Gibt es Kolleginnen oder Kollegen, denen du gerne zuschaust? Was machen sie wie, um dich zu packen?

Andrea: Es gibt sehr viele tolle Kollegen, denen ich gerne zuschaue. Das sind oft diejenigen, bei denen es aussieht, als ob sie mit einer Leichtigkeit das Spiel aus dem Ärmel schütteln. Bei denen du als Zuschauer das Gefühl hast, es gab keinen Szenenwechsel, keine Änderung der Kameraeinstellung, die sind einfach die ganze Zeit so und die haben den Film einmal so durchgedreht. Das passiert natürlich so nicht am Set und die Kollegen stecken sehr viel Zeit in die Vorbereitung ihrer Rollen.

Zum Beispiel habe ich vor ein paar Tagen den „Tatort: Es lebe der Tod“ gesehen. Wie locker leicht Ulrich Tukur und Jens Harzer diese beiden gebrochenen Personen mit Leben füllen und miteinander agieren, war großartig anzusehen. Jördis Triebel und Nadeshda Brennicke sind auch Kolleginnen, die es immer schaffen, so zu spielen, dass es dir die Luft verschlägt.

JJ: Und was zeichnet einen Film aus, der dir so schnell nicht wieder aus dem Kopf, dem Herzen oder dem Lachkrampfzentrum geht?

Andrea: Filme, die große Emotionen und hoffnungsvolle Storys zeigen, sind meistens die, die mir nicht wieder aus dem Kopf gehen. Oder besser gesagt: Das Gefühl, das der Film in mir ausgelöst hat – das geht mir nicht aus dem Kopf. Das können auch tolle Komödien sein.

Besonders gefallen mir Filme, in denen die Helden alles auf eine Karte setzen, um ihr Ziel zu erreichen, da werde ich schnell emotional. Vor allem bei Disneyfilmen – die kann ich nie anschauen, ohne dass ich losheulen muss. (lacht)

Am Theater liebe ich die „alten Schinken“ in gebundener Sprache. Wenn es ein Kollege schafft, mich vergessen zu lassen, dass dieser Text nicht aus der heutigen Zeit stammt, dann gehe ich sehr beflügelt raus.

JJ: Du stehst am Kamera-Set oder lauerst hinter einer Theaterbühne (ganz wie du willst), die Kamera oder die Blicke der Zuschauer sind auf dich gerichtet, der Regisseur sagt „Bitte“ oder dein Stichwort fällt; was geht genau in jenen Momenten in dir vor, was denkst du, was fühlst du, was spürst du – was geschieht mit Andrea?

Andrea: Ich bin vorher oft sehr aufgeregt und versuche mich auf meine Sachen zu konzentrieren und so meine Nervosität abzulegen. Sobald mein Stichwort fällt, atme ich noch mal durch und fokussiere mich auf das, was die Figur durchlebt, was ich erzählen möchte und rücke dadurch mit meinen Befindlichkeiten in den Hintergrund.

Andrea Schneider, Foto: (c) Mirja Kofler

Andrea Schneider,
Foto: (c) Mirja Kofler

Mir ist es wichtig, dass das Endergebnis stimmt, dass die Geschichte erzählt wird und wir alle darauf hin arbeiten, dass der Film/das Stück am Ende beim Zuschauer ein Gefühl hinterlässt, was er die nächsten Tage oder Wochen noch mit sich trägt.

JJ: Sind die Schauspielkollegen/kolleginnen wichtig dabei oder ziehst du die Nummer auch alleine durch?

Andrea: Die Kollegen sind sehr wichtig dabei. Ich liebe es, mit Kollegen zu spielen und meine Emotionen aus dem zu holen, was mir mein Gegenüber gibt. Schauspiel ist ja selten eine One-Man-Show. Ich glaube, ich fühle mich generell eher wohler, wenn wir als Team die Szene mit Leben füllen – da könnte man jetzt wieder sagen, es liegt an meinem „Teamplayer“-Gen.

JJ: Bevor wir träumen, Andrea, was liegt konkret demnächst bei dir an, welche realistischen Pläne hast du mittelfristig?

Andrea: Gerade arbeite ich mit einer befreundeten Autorin an einer Lesungsreihe, darauf freue ich mich schon sehr. Ansonsten stehe ich in den nächsten Tagen als Synchronsprecherin im Studio. Das macht mir großen Spaß.

Im kommenden Jahr darf ich übrigens das erste Mal als Jurorin tätig sein und Filme bewerten. Darüber darf ich noch nicht so viel verraten, aber es wird sehr spannend werden.

JJ: Und meine Lieblingsfrage: Welchen Schauspielerinnentraum führst du im Gepäck?

Andrea: Mein Traum wäre es, einmal am Broadway Theater zu spielen. Aber ich sehe das nicht als Traum, sondern als Ziel, auf das ich hinarbeite.

JJ: Danke und viel Spaß.

Weitere Informationen: Agenturseite von Andrea

Foto Startseite: Marco Fechner

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