Der wunderbare Moment

 

Deena Unverzagt, Foto Mark Wagener

Deena, Foto Mark Wagener

Sie ist in Wolfenbüttel geboren, in Braunschweig zweisprachig (Deutsch/Englisch) aufgewachsen, lebt mittlerweile in Hamburg und wusste schon als kleines Mädchen, wo es zur Bühne geht. Außer einem Schauspielstudium weist die 1,65m Frau mit den dunkelbraunen Augen eine Tanz- und eine Gesangsausbildung nach.

Sie kann alleine mit ihrem wandlungsfähigen, signifikanten Blick von der Lady bis zum frechen Mädchen auch alle Facetten einer Frau dazwischen verkörpern. Der Schauspieler Jerry Kwarteng nennt sie „eine tolle Kollegin“.

Auch über den Tellerrand hinaus zeigt sich Deena Unverzagt als hellwach und mit dem Herzen dabei. „Wir sollten in uns schauen, und uns Fragen stellen wie ‚Was kaufe ich, was brauche ich wirklich?‘ oder ‚Was kann ich für den Umweltschutz tun?‘ und den Blick aufs Wesentliche richten“, sagt sie zu mir während eines Gesprächs.

Als mir die Schauspielerin dann noch verrät, dass sie außer schnellen WhatsApp Nachrichten und Mails auch noch entschleunigte Briefe und Postkarten mit der Hand schreibt, weiß ich, es ist Zeit sie vorzustellen. In einem kleinen Interview. Hier und jetzt:

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… aufregend, aber auch für einen kurzen Augenblick ganz still…

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JJ: Deena, weil ich nur mal kurz in Braunschweig war und nie im schönen Wolfenbüttel, erzähle doch bitte, bevor wir in medias res gehen, was ich warum verpasst habe.

Deena Unverzagt: Oha! Also zunächst mal, Braunschweig ist eine wunderschöne Stadt, man kann dort vieles entdecken, der Weihnachtsmarkt zum Beispiel ist toll. Jedes Mal, wenn ich dort bin, bummel ich mit meiner Mama durch die Stadt und esse das weltbeste Eis von Tiziano.

In Wolfenbüttel bin ich zwar geboren, habe aber dort nie gewohnt, deswegen habe ich weiter keine Connection zu der Stadt… aber dort kommt „Jägermeister“ her. Das begeistert immer viele meiner internationalen Freunde.

JJ: Jetzt aber zum Thema. Du hast Ausbildungen in den Bereichen Schauspiel, Musik/Gesang und Tanz absolviert. Gehört das für dich alles zusammen? Und wenn ja, gleichwertig? Oder eher Tanz und Gesang, um besser schauspielen zu können?

Deena: Ich finde, Kunst im Allgemeinen lässt sich schwer trennen. Es ist schwierig zu sagen, dies oder das ist wichtiger. Es gehört alles irgendwie zusammen. In Deutschland wird man schnell in Kategorien gesteckt: Entweder man ist Tänzer, Schauspieler, Sänger, Musicaldarsteller…

In anderen Ländern ist man einfach Schauspieler, das schließt auch ein, dass man singt, tanzt, einfach performt. Denn: Wenn zum Beispiel der Charakter, den ich spiele, gerne beim Staubsaugen singt und ich das darstelle, bin ich dann ein Sänger? Wie soll man das trennen?

Deena Unverzagt, Foto von Bernd Willeke

„Kunst im Allgemeinen lässt sich schwer trennen“; Foto von Bernd Willeke

Die Körperlichkeit vom Tanz hilft sehr, sich selbst zu verstehen und den Körper besser einsetzten zu können beim Spielen. Musik im Allgemeinen ist ein essentieller Teil des Lebens, des Ausdrucks, da kann ich nicht sagen, das trenne ich von der Schauspielerei.

JJ: Nehmen wir jetzt mal das Konstrukt wieder auseinander, was fasziniert dich am Schauspiel, was geht in dir vor, während du singst, was bedeutet dir Tanz?

Deena: Am Schauspiel finde ich es faszinierend, Dinge zu tun und Emotionen zu erleben, die mir als Person fremd sind oder die ich sonst eher nicht tun würde. Das fängt mit kleinen Dingen, wie dem Kostüm, an und endet mit Situationen, Emotionen und einem Verhalten, das die Figur tut, aber ich persönlich nicht.

Oder wenn ich persönlich ganz anders empfinden und reagieren würde als die Figur. Das ist spannend, herausfordernd, manchmal beängstigend. Aber das macht den Reiz aus. Grenzen entdecken und sie überwinden.

Beim Gesang kann ich meine inneren Emotionen super nutzen und verarbeiten. Gerade Schmerz verarbeiten geht mit Songs wunderbar. Aber auch einfach Spaß haben, mit Freunden jammen… das Leben genießen.

Beim Tanz kann ich mich wunderbar fallen lassen, einfach den Kopf ausschalten und gar nicht mehr denken, einfach auf einer komplett körperlichen Ebene funktionieren. Das ist sehr befreiend, macht unheimlich Spaß und man fühlt sich hinterher wunderbar.

JJ: Eine meiner Standardfragen, Deena, auf die immer wieder unterschiedliche und überraschende Antworten kommen: Du stehst vor der Kamera, das Mikrofon vor der Nase, der Regisseur sagt „Bitte“ und du bist nicht mehr du, sondern eine Rolle, eine Figur. Was fühlst, denkst, spürst du? Und bist du doch noch ein bisschen (oder viel) du?

Deena: Im Idealfall bin ich ja nicht erst in der Rolle, wenn der Regisseur „Bitte“ sagt, hahaha…
Das ist immer wieder ein wunderbarer Moment… aufregend, aber auch für einen kurzen Augenblick ganz still… da passiert dann etwas fast Magisches.

Denn gerade beim Film ist es ja der Moment, in dem alles zusammenkommt: Die Kamera, ich spüre das Licht, das extra für diesen Moment gesetzt wurde, das Mikro über mir, das Kostüm an meinem Körper, das Make-up, das Set, das Drehbuch… alles kommt in diesem Moment zusammen, all die künstlerische Arbeit, damit die Szene entstehen kann. Und das spüre ich in diesem Augenblick immer sehr deutlich.

Deena Unverzagt, Foto: Johanna Winterot

„In dem Moment macht es Klick“, Foto: Johanna Winterot

Wenn es ein tolles Team ist, eine tolle Produktion, dann ist die Figur, die ich spiele, etwas sehr Logisches, sie ergibt sich aus der ganzen Vorarbeit, aus der Recherche, aus den Proben, aus den Bemühungen, die alle Kreativen rein gesteckt haben… Und in dem Moment, da es heißt “Und bitte“, macht es Klick und ich kann einfach spielen.

Es gibt dann eine Zweiteilung in meinem Kopf: Die eine Hälfte gehört ganz der Figur, der Emotionalität der Szene. Da bin ich als Person nicht mehr präsent. Die andere Hälfte ist mit der technischen Seite des Filmens beschäftigt: Markierungen treffen, Timing, bestimmte Bewegungen, die ich machen muss in der Szene, die richtigen Winkel zur Kamera und so weiter. Das ist es übrigens, was für mich auch einen großen Reiz der Filmarbeit darstellt und was ich absolut liebe!

JJ: Was machen in jenen Momenten die Schauspielkollegen mit dir, können sie, gut aufgelegt oder das Drehbuch frei auslegend, deinen Part beeinflussen? Ist das einer der ganz wichtigen Reizpunkte des Jobs?

Deena: Ohja, der oder die Spielpartner sind essentiell! Ich spiele ja MIT ihnen, es gibt einen Austausch. Und natürlich beeinflusst das meinen Part, muss es sogar. Oft ist es ja auch so, dass deswegen in den Castings bestimmte Konstellationen ausprobiert werden, um genau das herauszufinden. Manchmal braucht es eine bestimmte Chemie zwischen den Figuren, manchmal eine bestimmte Reibung.

Jeder Spielpartner ist anders. Schauspiel hat ja viel mehr mit Reaktion als mit Aktion zu tun. Oft ist die Reaktion auf das, was der Spielpartner gerade tut, viel interessanter als das, was gerade gesagt wird.

Improvisationen sind deshalb auch besonders reizvoll. Nicht immer möglich, aber sich in der Rolle in einem Charakter auf den Spielpartner einzulassen und zu sehen was daraus entsteht, ist unfassbar spannend.

JJ: So, Deena, jetzt schauen wir mal einige Jahre zurück. Schon als du sechs Jahre jung warst, wolltest du Schauspielerin werden. Erzähle einfach mal.

Deena: Das ist tatsächlich eine wunderschöne und sehr lustige Geschichte. Ich habe sehr früh mit dem Spielen und Performen begonnen, bereits mit zweieinhalb Jahren habe ich meiner Familie Kasperletheater vorgespielt (ich konnte ziemlich früh gut sprechen) und war Weihnachten die Einzige, die sich gefreut hat, dass man ein Gedicht aufsagen musste, bevor man ein Geschenk bekam.

Deena Unverzagt, Foto von Bernd Willeke

„Das habe ich sehr zielstrebig verfolgt“; Foto: Bernd Willeke

Als ich vier Jahre alt war, haben meine Eltern das Musical “Das Phantom der Oper“ gesehen und die CD und das Programmheft mitgebracht. Das hat mich unfassbar beeindruckt und ich konnte nach ein paar Tagen alle Songs auswendig mitsingen und habe damit meine Familie terrorisiert. Dann habe ich meine Eltern sehr sehr lange genervt, dass ich das anschauen will. Da „Das Phantom der Oper“ jetzt nicht unbedingt etwas für Kinder ist, durfte ich mit Sechs zu „Starlight Express“.

Nun ja, mein erster Berufswunsch danach war: Platzanweiser bei Starlight Express. Denn dann hätte ich jeden Abend die Show gucken können. Nach ein paar Tagen habe ich mir dann aber überlegt, dass es viel cooler ist, wenn man mitspielt. Von da an war klar, was ich machen wollte und ich habe das dann auch sehr zielstrebig verfolgt.

JJ: Wie nimmst du für dich ganz persönlich den Unterschied Theater und Kamera wahr, spielst du komplett anders? Bereitest du dich anders vor? Wie erreicht dich Feedback nach Filmen oder Hörspiel- und Sprachproduktionen?

Deena: Ja, Theater und Film sind zwei unterschiedliche paar Schuhe. Es ist eine komplett andere Spielweise, im Theater spielt man größer, mehr geöffnet zum Publikum (auch derjenige in der letzten Reihe möchte ja noch etwas mitbekommen), beim Film kleiner, feiner, bewusster.

Die Grundvorbereitung ist die Gleiche, erst einmal die Rolle verstehen, kennen lernen… grundsätzliche Rollenarbeit machen, an der Körperlichkeit der Rolle arbeiten, an der Stimme. Oft (natürlich nicht immer) sind Filmrollen tiefer ausgearbeitet, man weiß mehr über die Figur, hat mehr Zeit (beispielsweise in Serien) für Charakterentwicklung.

Feedback ist ein zweischneidiges Schwert. Im Theater ist es einfach, da spürt man schon während der Vorstellung, ob es gut läuft und dem Publikum gefällt. Da ist das Feedback eins zu eins direkt da. Ansonsten verlasse ich mich auf den/die Regisseur/in beziehungsweise die Produzenten.

Feedback ist gut und wichtig, kann aber auch belastend sein, wenn man es von zu vielen verschiedenen Leuten bekommt, deswegen wähle ich da meist aus, wessen Feedback mir wichtig und nützlich ist. Generell bin ich jemand, die sich ihre eigenen Sachen eher selten anschaut oder anhört. Denn dann ist der künstlerische Prozess bereits abgeschlossen und ich beschäftige mich innerlich schon mit dem nächsten Projekt.

JJ: Deena, für mich ganz persönlich gibt es relativ viele Schauspielerinnen oder Schauspieler, die mimisch und gestisch recht überzeugend unterwegs sind. Sprachlich indes wirkt es oft aufgesagt, losgelöst. Bei einer bekannten deutschen Schauspielerin habe ich das Empfinden, dass sie in ihrem Heimatdialekt fantastisch spielt, auf Hochdeutsch… sagen wir mal bemüht. Kannst du meine Gedanken nachvollziehen oder fragst du dich gerade, was der fremde Mann will? Bist du im Englischen tatsächlich muttersprachlich drauf, kannst also zweisprachig denken und träumen ;-)?

Deena: Ich weiß genau was du meinst, das Thema beschäftigt auch mich und viele meiner Kollegen. Generell hat die deutsche Sprache eher wenig Sprachmelodie. In Dialekten ist das oft anders, deswegen wirkt es lebendiger. Dazu kommt, dass viele Schauspieler in Deutschland für Theater ausgebildet werden und nicht spezifisch für Film. Ich musste das Sprechen für Film auch erstmal lernen in meinen Masterclasses, das ist wirklich etwas komplett anderes als Theater.

Ja, ich denke tatsächlich in beiden Sprachen. Wenn ich Englisch spreche oder schreibe, übersetze ich nicht, ich denke direkt in der Sprache. Ab und an übersetze ich auch Filme oder Dokumentationen, da muss ich öfter deutsche Wörter nachschauen als englische.

Träumen tue ich in beiden Sprachen, kommt oft darauf an, welche Sprache ich vorm Einschlafen gehört (zum Beispiel Filme, Telefongespräche) oder gelesen habe. Da ich sehr viel Englisches lese und schaue, träume ich sehr häufig in Englisch. Spielen und Singen in Englisch ist wunderbar, da die Sprache eine Direktheit und Klarheit hat, die sich ganz toll eignet, um Aussagen und Statements zu treffen.

JJ: Apropos träumen. Welche Rolle oder Rollen möchtest du gerne spielen, in welchem Filmgenre, mit welchen Kollegen, welchem Regisseur?

Deena Unverzagt, Foto:Johanna Winterot

„Bei Rollen bin ich offen für alles“, Foto: Johanna Winterot

Deena: Oh, da gibt es ganz viel… bei Rollen bin ich offen für alles, je intensiver und komplexer der Charakter, umso besser. Ich mag Genre-Filme, würde also auch sehr gerne mal einen SciFi-oder Fantasyfilm/serie drehen! Amazon macht jetzt doch eine Herr der Ringe Serie… da würde ich auch nen Ork spielen oder so. Mein innerer Geek würde sich freuen hahaha.

Es gibt sehr sehr viele Regisseure, mit denen ich gerne arbeiten würde… zum Beispiel Florian Eichinger, weil ich ihn persönlich kenne und damit nicht nur seine Filme, sondern auch seine Art und Menschlichkeit sehr schätze. International gesehen faszinieren mich die Filme von Jim Jarmusch mit ihrer unspektakulären aber gleichzeitig fast hypnotischen Erzählweise.

Na ja und dann sind da noch die, von denen alle träumen: Tom Tykwer, die Coen-Brothers, Danny Boyle, Baz Luhrmann, Tarantino, Woody Allen… die Liste ist endlos lang. Ebenso die der Kollegen, mit denen ich arbeiten möchte… zu viele, um sie aufzuzählen.

JJ: Bleiben wir mal bei Kollegen und Filmen. Welche Schauspielerin, welcher Schauspieler, fasziniert dich immer wieder?

Deena: Auch da gibt es so, so viele… Tatiana Maslany ist meine persönliche Heldin. Was sie bei „Orphan Black“ geleistet hat… unfassbar. Alan Rickman hat mich immer sehr beeindruckt. Ewan McGregor fasziniert mich seit langem mit den unfassbar unterschiedlichen Charakteren, die er spielt. Und Meryl Streep ist ein sehr großes Vorbild, sowohl was ihre Schauspielkunst, als auch ihre Integrität und ihr Engagement angeht.

JJ: Welcher Film oder welche Art Film reißt dich aus dem Sessel und fesselt dich gleichwohl im Sitzgerät?

Deena: Ich schaue gerne Dinge, die mich bewegen, emotional berühren. Das können fesselnde Serien wie „Orphan Black“ sein, Kult-Klassiker wie „Trainspotting“ oder „Fargo““, große Dinge wie „Game of Thrones“ oder auch Disney Filme wie „Lilo und Stich“.

„Stranger Things“ hat mich auch sehr umgehauen. Aber auch tolle deutsche Filme wie „Die Hände meiner Mutter“ oder „Berlin Falling“. Es gibt so viele geniale Serien und Filme… meine Watchlist ist ewig lang.

JJ: Was liegt aktuell an, Deena?

Deena: Weihnachtskekse backen. Im Ernst, das mache ich gerade sehr viel, ich liebe Backen, das entspannt total. Beruflich gesehen: Ich habe gerade eine Rolle bei „Die Pfefferkörner“ gespielt. Ansonsten laufen ein paar Castings (über die ich noch nichts sagen kann) und ich bin in den Vorbereitungen für ein Hörspiel, eine neue, innovative Fassung von „Romeo und Julia“, bei der ich die Julia spreche. Das wird sehr spannend und für mich als Shakespeare Fan auch sehr aufregend.

JJ: Vielen Dank und viel Spaß.

Weitere Informationen: Deenas Webseite und Deena auf Instagram

Foto Startseite: Mark Wagener

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