Der Moment zwischen zwei Welten

 

Anna Ewelina studierte an der „Stage & Musical School Frankfurt a.M.“ Schauspiel. In Aschaffenburg verkörperte sie zu der Zeit Hauptrollen am Stadttheater. Zudem sang sie in einer Band.

Anna Ewelina, Foto: Dennis König

Anna Ewelina, Foto: Dennis König

Anna mischte in der RTL Soap „Unter Uns“ mit und vier Jahre lang in der WDR – Serie „Die Anrheiner“. Auch in beispielsweise „Um Himmels Willen“, „Soko 5113“ oder „München 7“ tauchte sie auf.

Sie hat… aber das erzählt sie uns selbst. Jetzt und hier.

 

„So wild war das nicht“

 

JJ: Anna, wie kann ich mir die kleine Aniuszka vorstellen, in der Kindheit ständig in einer Rolle als Prinzessin, Ronja Räuberstochter oder Polizistin irgendwo als Mittelpunkt des Interesses unterwegs?

Anna Ewelina: Als Kind stand ich eigentlich nicht unbedingt gerne im Mittelpunkt. Nur wenn ich was „zu erzählen“ hatte. Wie zum Beispiel im Kindergarten, als ich meine erste Rolle spielte, das war die „wachsende Hecke“ im Märchen Dornröschen.

Oder wenn ich selbst Theaterstücke schrieb und die dann mit meiner jüngeren Schwester in unserem Wohnzimmer aufführte. Das war für mich das Schönste, das Eintauchen in die anderen Charaktere, in eine andere Welt – das war ein großes Abenteuer!

JJ: Erzähle mal bitte ein bisschen von deiner wilden Musikerinnenzeit.

Anna: (lacht) So wild war die gar nicht! Aktiv Musik gemacht habe ich noch zu meiner Schauspielschulzeit, mit der Band „Sechs on the Beach“. Wir waren eine super Truppe, fünf Aschaffenburger Jungs und ich und wir haben unsere Lieblingssongs gecovered. Heute beschränkt sich mein Musik machen auf Aufnahmen im Werbe- und Synchronbereich oder auf das Jammen mit Freunden.

JJ: Du hast auch mal Theater gespielt. Was war daran faszinierend für dich persönlich, mit welchen Gefühlen denkst du daran? Und: Zieht es dich gegenwärtig auf die Bühne?

Anna: Theater ist das Größte! Ich denke so gerne an meine Zeit am Stadttheater Aschaffenburg zurück. Es ist live, man kann nichts wiederholen. Es gibt nur diesen einen Moment.

Anna Ewelina; Foto: Jeanne Degraa

Anna Ewelina; Foto: Jeanne Degraa

Das ist das Schönste am Theater! Das Gefühl, alles zu geben, denn jeder Zuschauer soll, egal an welchem Abend er kommt, die beste Vorstellung sehen. Das war immer mein Credo.

Ja, ich würde gerne mal wieder auf die Bühne. Am liebsten in einem klassischen Stück. Vielleicht habe ich ich ja Glück und das ergibt sich mal wieder und lässt sich mit den Dreharbeiten vereinbaren.

JJ: Was hat dir das Studium bei MK Lewis, Tim Phillips oder Michelle Colt in Los Angeles gegeben, Anna? Können Schauspieler in den USA etwas finden, was sie hier nicht finden?

Anna: Einen ganz anderen Blickwinkel. Die Amerikaner haben einfach eine viel professionellere Herangehensweise. Hier in Deutschland denken Schauspieler oft nach ihrer Ausbildung, sie müssten nie wieder ein Schauspieltraining besuchen. In LA ist das anders, da trainiert man jede Woche und entwickelt sich weiter, man kommt an seine Grenzen, lernt Neues, neue Techniken kennen.

Das war das Erste, was ich mitgenommen habe – die Disziplin! Ich trainiere – wenn ich in München bin – jede Woche mit Lene Beyer die Chubbuck Technik. Als Schauspielerin muss ich in der Lage sein, „alles“ zu spielen, egal ob ich es schon erlebt habe oder nicht.

Dazu gehört gute Recherche, Vorbereitung und kontinuierliches Training. Ich liebe die intensive Vorbereitung auf jede einzelne Rolle und die damit immer wieder aufs Neue entstehende Herausforderung.

JJ: Erzähle bitte mal ein bisschen über „Isch heisst“. Möchtest du ähnliches nochmal auf die Beine stellen?

Anna: „Isch heisst“ ist mein Baby! An dem Film habe ich vom ersten Satz im Drehbuch bis zur finalen Abnahme fast drei Jahre gearbeitet. Und das war eine sehr wilde Zeit, mit viel Euphorie, Bangen, Zittern, Jubeln und fast vor Erschöpfung umfallen. Aber es hat sich sehr gelohnt!

Es lag mir sehr am Herzen, die Geschichte von Marta der Dolmetscherin und Mieczyslaw dem Obdachlosen zu erzählen. Die schönsten Momente waren, als „Isch heisst“ seine Premiere bei den „Internationalen Hofer Filmtagen“ feierte und später auch im Bayerischen Rundfunk zu sehen war. Aktuell arbeite ich schon an der Stoffentwicklung für das nächste Projekt – und freue mich auf die spannende Zeit.

JJ: Anna, ich sitze manchmal vorm Fernseher und versinke im Bann dessen, was da geschieht; mir klappt die Kinnlade herunter, ich wechsele zwischen Lachkrampf und Tränenkampf – und wenn das Ganze vorbei ist, weiß ich erstmal nicht, was es war, das mich da faszinierte. So wie bei „Coming Home“, „Einer flog über das Kuckucksnest“, „Dangerous Minds“ oder auch „Borowski und die Frau am Fenster“. Du als Insiderin weißt sicher Rat. Was macht den Unterschied zwischen gutem Film und Wahnsinnsfilm, was macht den Unterschied zwischen guter Schauspielerin und Haut-mich-aus-dem-Sessel-Schauspielerin?

Anna Ewelina; Foto: Jeanne Degraa

Anna Ewelina; Foto: Jeanne Degraa

Anna: Die Antwort ist eigentlich ganz simpel: Gutes Handwerk! Das völlige Aufgehen in einer Rolle, Authentizität, im Moment sein! Wobei ich sagen muss, dass ein Schauspieler nur so gut ist wie sein Drehbuch – damit fängt alles an. Passt auch das Team drum herum und alle arbeiten professionell und mit Leidenschaft, dann entstehen „Haut-mich-aus-dem-Sessel“ – Momente.

JJ: Wer sind für dich ganz persönlich die Haut-mich-aus-dem-Sessel-Kollegen/Kolleginnen?

Anna: Ich liebe die Arbeit von Bruno Ganz. Was für ein wahnsinnig toller, wandelbarer und ehrlicher Schauspieler! Oder Senta Berger, der könnte ich den ganzen Tag zuschauen! Eine bewundernswerte Frau. Als ich letztes Jahr mit ihr drehen durfte, ist ein kleiner Jugendtraum in Erfüllung gegangen.

JJ: Falls es den einen Moment gab, Anna, in dem du wusstest: ich will Schauspielerin werden und nichts anders, wie war das und wann?

Anna: Den einen Moment gab es eigentlich nicht – eher den Entschluss, nach vielen tollen Bühnenerfahrungen – im Kindergarten, in der Grundschule, auf dem Gymnasium. Irgendwann war mir klar, dass ich das machen will.

Meine Mutter hatte sich immer gewünscht, dass ich Juristin werde, wie sie. Auch wenn ich gerne über rechtliche Themen diskutiere und auch mal den einen oder anderen Paragraphen nachschlage, wenn ich etwas interessant finde, war mir schon sehr früh klar, dass das nicht der richtige Weg für mich ist. Mehr als eine Juristin vor der Kamera zu verkörpern ist da nicht drin – zumindest nicht in diesem Leben (lacht).

JJ: Jetzt die Frage, die ich allen Schauspielerinnen und Schauspielern ähnlich stelle und auf die sehr verschiedene Antworten kommen: Du bist am Set, das Mikrofon vor der Nase, die Kamera auf dich gerichtet und der Regisseur sagt „Bitte“. Was denkst, fühlst, spürst du in jenen Momenten?

Anna: Das ist ganz unterschiedlich und lässt sich pauschal gar nicht beantworten – weil es immer von dem Charakter abhängt, den ich spiele. Was aber immer gleich ist, ist der Moment kurz davor.

Anna Ewelina; Foto: Dennis König

Anna Ewelina; Foto: Dennis König

Das sind Bruchteile einer Sekunde, in denen ich absolut gedankenfrei bin, ohne jegliches Empfinden von Raum und Zeit. Quasi der Moment zwischen den zwei Welten – zwischen mir und dem Charakter.

JJ: Bist du mit einem Schauspielerinnentraum unterwegs?

Anna: Mal mit Bruno Ganz drehen, das wäre schön! Oder in einem Film, der in den 50er und 60er Jahren spielt – die hätte ich gerne in echt erlebt, ich liebe die Musik, die Kleider…. Oder.. ach, da gibt es vieles, ich könnte bis morgen aufzählen (lacht).

JJ: Vielen Dank, Anna.

Weitere Informationen: Annas Webseite

Foto Startseite: Dennis König

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