Gepackt vom Bazillus Schauspiel

 

Derzeit läuft’s gut bei Nikolai Will. “ Ich freue mich unvorstellbar, eine wunderbare Charakterrolle in dem Kinofilm ‚Tausend Arten, den Regen zu beschreiben‘ neben Bjarne Mädel spielen zu dürfen. Ein grossartiges Drehbuch und ich spiele eine kleine, aber äusserst anspruchsvolle Charakterrolle, tragisch, emotional und – wenn ich alles richtig mache – einen Charakter, der dem Zuschauer im Gedächtnis bleiben wird“, blickt er auf eine von mehreren Herausforderungen in den nächsten Monaten voraus. Und mit Engagements in Fernsehsehsendungen wie beispielsweise „Die Salzprinzessin“, „Prankenstein“ und „Rentnercops“ oder Kinofilmen wie „Der Staat gegen Fritz Bauer“ und „Tod den Hippies!! Es lebe der Punk“ war der Schauspieler auch im letzten Jahr präsent. Dazu kamen und kommen einige Werbedrehs, die nicht nur aus finanziellen Gründen auch von Nikolai Will gerne mitgenommen werden.

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Irgendwie so, irgendwie anders

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Begonnen hat das Ganze irgendwie ähnlich wie bei vielen seiner Kolleginnen und Kollegen und irgenwie doch ein wenig anders. „Drei Jahre war ich im Kinderheim, eine größtenteils schreckliche Zeit mit rund zwei Dutzend Krankenhausaufenthalten, bevor mich meine geliebte Tante raus holte. Ich war achteinhalb Jahre jung und komplett unterernährt“, erinnert sich der Darsteller an eine, nennen wir es mal spezielle, Kindheit.“

Als einer der Hirten beim Grippenspiel in jenem Kinderheim hatte Nikolai die ersten Berührungen mit der Schauspielerei, was sich im weiteren Verlauf kontinuierlich fortsetzte. „In der Grundschule, am Gymnasium und in der Realschule wirkte ich in den Theatergruppen mit“, schildert er und stellt fest: „Da hat es mich einfach schon immer hingezogen!“

Foto: (c) Fabian Stürtz

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(c) Fabian Stürtz

Und genau so ging es munter weiter im Leben des Nikolai Will. Er hatte ihn gepackt, der Bazillus Schauspiel: „Irgendwann erzählte mir ein Verwandter von einer Anzeige eines freien Theaters in Würzburg, das einen Workshop im ‚Theater Ensemble‘ anbot, und obwohl ich dort dann der Jüngste war, habe ich mich sehr schnell empor gespielt. Zuerst gab ich den Polizisten Klein in ‚Arsen und Spitzenhäubchen‘ – und spätestens ab Rolle sieben oder acht fiel ich auch der Presse auf und erhielt eine euphorische Kritik nach der anderen. Insgesamt rund 25 Stücke habe ich in Würzburg gespielt. Mein grösster Erfolg und meine Traumrolle schlechthin war der Harold in ‚Harold und Maude‘. Dann ging es nach Köln.“

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Einerseits – andererseits

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Schon da merkte Nikolai, dass er bei allen Fortschritten, bei allen Erfolgen, statt vor Selbstvertrauen zu strotzen eher unzufrieden mit sich war. „Ja, es fehlt schon etwas in mir drin, wohl weil ich jung an Jahren keinen Halt, keine Familie hatte. Ich kann mich meistens nicht sehr lange an etwas erfreuen, immer wenn etwas Tolles ansteht, bin ich mir sicher, da kommt was Schlimmes dazwischen und es wird ohnehin nicht klappen.“

Einerseits fatal, könnte man meinen, andererseits – und das ist die gute Nachricht – ein Zeichen, dass sich zu dem Dilemma, dass in dem Darsteller steckt, gleichwohl eine mindestens ebenso mächtige Portion an Talent und Kraft gesellt hat. So nimmt es nicht wunder, dass in Nikolai auch sonst die sprichwörtlichen zwei Seiten der Madaille zuhause sind, beispielsweise wenn er sagt: „Sobald eine Produktion professionell arbeitet, könnte ich nicht pflegeleichter sein, läuft es unprofessionell und auf einem Niveau, auf dem ich nicht arbeiten möchte, kann ich extrem anstrengend und ätzend werden.“

Bei Talent und Tatendrang belässt es der Schauspieler nicht. „Ich habe irgendwann gemerkt, dass es gut ist, ein Coaching zu machen, um auch einen technischen Zugang zu Rollen zu bekommen“, beweist er Bildungsdrang, „das beste Beispiel ist mein Part als pädophiler junger Mann in ‚Kleines Püppchen Teddybär‘. Da will man ja nicht wirklich so weit eintauchen, dass man denkt, das kleine Mädchen sei erotisch. Sondern ich musste da mit gewissen Sinneseindrücken arbeiten, schauspielerische Techniken anwenden. Gerade bei dem Thema ist ein verantwortungsvoller Umgang unabdingbar!“

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Böse Wichte, dreidimensionale Figuren

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Wenngleich Nikolai Wills Ursprünge auf den Bühnenbrettern liegen, zieht es ihn mittlerweile eher vor die Filmkameras. „Einfach weil ich da das Gefühl habe, viel authentischer spielen zu können und diese kleine Frickelarbeit liebe“, begründet er, „ausserdem liebe ich, das was ich gemacht habe, mir auch ins Regal stellen zu können.“ Vielleicht auch deshalb nimmt für ihn eine Filmarbeit aus den Jugendjahren, bei allen damaligen Theatererfolgen, einen besonders großen Platz im Herzen ein: „Für meine erste Rolle in dem Kurzfilm ‚Seeking Philip‘, in dem ich einen geistig behinderten Jungen verkörperte, erhielt ich den bayrischen Jugendfilmpreis, da dämmerte mir langsam, dass ich wohl ein nicht so unbeträchtliches Talent zu haben scheine.“

Foto: (c) Fabian Stürtz

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(c) Fabian Stürtz

Seitdem kreisen die Gedanken des mittlerweile 34jährigen schier unaufhörlich um alles, was mit seinem Beruf zu tun hat. Beispielsweise darum, welcher Film gut ist. „Ein Film der begreift, dass das Wichtigste immer die Figuren sind“ befindet Nikolai Will, „Figuren müssen dreidimensional sein und am besten auch widersprüchlich. Ein Bösewicht empfindet sich ja nicht selber als böse, sondern kann ein ungemein lieber Familienvater sein. Special Effects-Orgien langweilen mich unfassbar schnell, ich bin schon bei zig Blockbustern weggenickt. Ich will mit den Figuren mitleben, mitlachen, mitleiden.“ Auf selbstzweckhafte Gewalt habe er deshalb keine Lust, vielmehr darauf „immer was zu erzählen, eine Botschaft mitzugeben.“

Die Traumrolle des Schauspielers wäre demzufolge, „so etwas wie der ‚Harold‘ in ‚Harold und Maude‘ auf der grossen Leinwand oder eine wie ‚Elling'“, gerät er ins Schwärmen, „ich liebe am meisten Rollen, die tragigkomisch sind, denn das kommt dem Leben am nächsten. Aber klar gebe ich auch gerne den Bösewicht, das sind immer die schillerndsten und dankbarsten Rollen.“

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Real existierend – klischeehaft glamourös

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Der Weg des real existierenden Darstellers statt des klischeehaft glamourösen blieb auch Nikolai nicht erspart. „Ich habe eine Menge Nebenjobs gemacht, denn das Geld hat bei weitem nicht immer gereicht. Am längsten war ich CallCenter-Agent. Ein furchtbar nerviger Job, aber man lernt viel im Umgang mit Menschen“, lässt er die Erinnerungen Revue passieren und sieht „eine Menge Psychologie dabei.“

Ein Jahr lang war Nikolai Will als Zivildienstleistender in der Altenpflege beschäftigt und habe „da auch alles , wirklich alles, machen müssen“. Im Nachhinein fühle er sich „dankbar für die Erfahrung, auch wenn es megahart war“. Denn, so beantwortet er die Frage nach der Notwendigkeit für Vertreter seines Berufsstandes, im richtigen Leben zuhause zu sein: „Ja, man muss das Leben kennen!“

Aber was ist sie nun, die Tätigkeit vor der Kamera, die Präsenz in Kinosälen und auf Bildschirmen? Fluch oder Segen, Glamour oder Stress? „Ein Schauspieler, der arbeitet, kann der glücklichste und beneidenswerteste Mensch der Welt sein. Hat er nichts zu tun, ist es einfach nur die Hölle, denn das Selbstbewusstsein leidet ungemein. Und arm zu sein ist jetzt auch nicht sooo sexy. Wir Schauspieler sind schon sehr empfindliche Wesen, denn alles was wir tun, ist mit unserem Innenleben verbunden. Wir verkaufen sozusagen unsere Emotionen und immer ein Stückchen auch unsere Seele „, so zumindest die Gefühlslage von Nikolai Will mit wahrscheinlich repräsentativer Tendenz.

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Berichten lassen, statt berichten

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Vielleicht war auch das ein Grund für den leidenschaftlichen Darsteller, kurzzeitig über den Beruf des Redakteurs nachzudenken. „Aber ich mag es lieber, dass man über mich berichtet, als dass ich über andere berichte. Bin ’ne Rampensau“, erklärt er, warum der Gedanke schnell verschwand.

Von authentischen, überzeugend agierenden Kolleginnen und Kollegen schwärmt Nikolai Will begeistert, von anderen… nicht. „Die Schauspieler, mit denen ich spiele, sind ganz, ganz wichtig, denn wenn mein Partner schlecht ist, zieht er auch mich und den Film runter. Ich liebe es, wenn mich ein Kollege oder eine Kollegin flasht und besser ist als ich, denn das spornt mich unglaublich an, mithalten zu wollen“, fasst er die Wichtigkeit des gemeinsamen Agierens zusammen.

Foto: (c) Fabian Stürtz

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(c) Fabian Stürtz

Nicht anders sei es mit dem Regisseur: „Ich fordere immer von der Regie auch Kritik ein, damit mein Spiel bestmöglich wird, aber vor der Kamera fehlen oft Zeit und Muse, wenn es kommerziell ist.“ Vor den Damen und Herren hinter der Kamera zeigt Nikolai sehr viel Respekt. „Dieser Mensch hat ’ne Menge Macht und kann mich nicht immer gut aussehen lassen, man sollte es sich nie mit dem Kameramann verscherzen :-)!“

Auch wenn es gerade recht gut läuft bei Nikolai Will, auf Lorbeeren ausruhen scheint nicht sein Ding. Ständig sucht er neue Herausforderungen, streift sich für Werbeaufnahmen sogar ein blaues Schalke Outfit über, ärgert sich dann nochmal blau, weil zwei mögliche Drehtermine auf einen Tag fallen und lauert nur darauf, dass es wieder in die Manege geht, unabhängig davon, wie sein Befinden in dem Moment ist. „Ja, das ist dann unwichtig. Es muss gehen und es geht. Sobald ich auf die Bühne oder vor die Kamera trete, streife ich das eigene Ich ab und sogar Schmerzen sind dann weg. Das ist immer wieder eine faszinierende Erfahrung. Der Vorhang fällt, die Szene ist abgedreht und die Schmerzen sind wieder da.“

JJ

Foto Startseite: (c) Fabian Stürtz

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