Fallen lassen

 

RONJA* ist eine österreichische Musikerin. Mit den Bands Living Transit und Global Groove LAB steht sie auf den Bühnen und singt. Egal ob Pop, Funk, Soul oder Jazz, immer schafft sie Gänsehautmomente. Ganz einfach, weil sie die Töne nicht nur auf ihren Stimmbändern erzeugt, sondern aus ihrer Seele.

Ronja, ich hab‘ da mal ein paar Fragen

 

JJ: Live konnte ich dich noch nicht erleben. Jedoch immer, wenn ich ein Video von dir sehe und höre, spüre ich, als wäre ich dabei, deine Leidenschaft für Musik, die wohl auch Grund dafür ist, dass du nicht nur in Noten gefasste Texte singst, sondern Gefühle übermittelst. Wie empfindest du selbst das, bist du 100 Prozent Herz da auf der Bühne?

RONJA; Foto Christoph Hofer

RONJA; Foto Christoph Hofer

Ronja: Es wäre schlimm, wenn´s nicht so wäre, oder? Die Bühne ist für mich ein ganz besonderer Ort, ich bin in meiner eigenen Welt, aber zugleich auch so nah und offen für das Publikum, schwer zu erklären… Ich versuche immer alles zu geben was ich habe und wäre mein Herz nicht dabei, würde ich diesen Job nicht machen.

JJ: Sicher gibt es auch im Leben einer Räuberstochter Tage, die nicht von guter Laune und purer Lebensfreude geprägt sind. Blendest du in so einem Fall, wenn du vor dein Publikum trittst und zum Mikrofon greifst, den Ärger aus, schaltest du um auf Profi-Modus, oder ist für Minuten die Welt einfach nur in Ordnung?

Ronja: Gute Frage! Klar gibt es diese Tage, die Musik hilft mir genau diese Tage zu überstehen. Ich lasse mich fallen- in die Musik hinein, traurige Songs sind dann noch trauriger oder Songs mit aggressivem Text noch authentischer. Jeder Tag bringt etwas anderes und so verändern sich auch die Gefühle und  Bezüge zu den einzelnen Liedern.

JJ: Was bedeuten dir die Musik, das Singen, Komponieren und Texten? Ging das schon in frühester Kindheit wie von Geisterhand los, oder gab es irgendwann mal einen Auslöser?

Ronja: Als ich noch klein war, wollte ich zuerst Tänzerin werden. Mit zehn Jahren bin ich das erste Mal im Rahmen vom Verein iMPULS! Aussee auf der Bühne gestanden, danach regelmäßig, zuerst nur tänzerisch, mit 13 habe ich dann das Singen entdeckt und seither mit beidem nicht mehr aufgehört. Ich habe von Anfang an gewusst, das will ich machen, da gibt es nichts anderes. Das Schreiben kam erst später und ich könnte, was das betrifft, immer noch fleißiger sein. Manchmal wünsche ich mir, ich hätte drei Monate Zeit, nur um zu komponieren, Texte zu schreiben, ohne dem Ganzen drum herum. Es ist oft gar nicht so einfach, sich diese Zeit bewusst zu nehmen. Ein eigener Song ist was ganz Besonderes und jeder einzelne davon fühlt sich ganz anders an, das macht es so spannend, finde ich.

JJ: Hattest du als Kind musikalische Vorbilder, wen hast du damals gerne gehört, wen jetzt, beziehungsweise welche Musikrichtung?

RONJA; Foto von Max-Berner

RONJA; Foto von Max-Berner

Ronja: Oh ja, ich hatte da eine Kassette von Carole King mit dem Song „I feel the Earth Move“, den habe ich rauf und runter gehört, bis man das Band fast nicht mehr zurückspulen konnte. Und dann waren da natürlich The Animals mit „The House of the Rising Sun“, diesen Song habe ich geliebt, war auch meine erste live Performance. Jannis Joplin, Jimi Hendrix, die Musicals Hair, Jesus Christ Superstar, The Rocky Horror Picture Show und Cabaret haben mich lange begleitet und nicht zu vergessen Michael Jackson, da war ich immer total beeindruckt, ihn haben wir mit der ganzen Familie damals in Wien auch live erlebt. Wahnsinn, Respekt. Ja und heute bin ich ziemlich begeistert von Beyonce, geniale Bühnenperformance und Disziplin! Etta James, Nina Simone, Billie Holiday, Aretha Franklin, Stevie Wonder, Sting, James Brown und momentan gerade fahre ich voll auf Erykah Badu und Janelle Monae ab, die haben´s einfach drauf.

JJ: Ronja, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass es kein einheitliches Rezept gibt, wie entstehen deine, beziehungsweise eure Songs (Living Transit)?

Ronja: Ja, du hast Recht, ein einheitliches Rezept gibt es nicht. Bei LIVING TRANSIT schreiben mein Mann Pavel und ich gemeinsam. Es gibt Songs, da schreibt Pavel alles, außer den Text, den mach dann ich, oder wir schreiben die Texte gemeinsam. Dann gibt es Lieder, die will man ganz alleine fertig machen, weil man schon eine gewisse Vorstellung im Kopf hat… entstehen tut das Ganze aus verschiedenen Ideen, die einem auch mitten auf der Straße einfallen können. In der heutigen Zeit ist das ja einfach, man singt schnell ins Handy rein und hat gleich mal einen Chorus zusammen. Dann beginnt die richtige Arbeit.

JJ: Stelle uns bei der Gelegenheit bitte kurz deine Band vor. Wer spielt welches Instrument, wie sind drumherum die Rollen verteilt? Habt Ihr sowas wie den klassischen Spaßvogel und den Ruhepol im Team?

Ronja: Also bei meiner Band LIVING TRANSIT sind wir zu sechst: Bernhard Krisper am Klavier und Keyboard, Gudula Urban am Cello, Thomas Krisper am Schlagzeug, Stefan Thaler am Kontrabass, Pavel Shalman auf der Violine und ich am Gesang. Bernhard kann sehr lustig sein, das passiert aber dann eher nach den Proben, bei langen Autofahrten oder so. Der Ruhepol ist eindeutig Stefan, unser Bassist, Pavel und ich versuchen, die ganze Meute in Zaum zu halten und unseren Zeitplan einzuhalten. Bei den Proben und im Studio war´s bis jetzt ziemlich diszipliniert und unkompliziert.

JJ: Eins vorab, Ronja, bei mir ist es so, dass ich Menschen eher zwischen freundlich und unfreundlich, zuverlässig und unzuverlässig, sympathisch oder unsympathisch unterscheide, das Herkunftsland ist mir egal wie 88. Du zum Beispiel bist für mich die junge Frau mit der coolen Mucke, dem starken Ausdruck und dem bezauberndem Lächeln, die Österreicherin nur der Vollständigkeit halber. Ohne jetzt politisch zu werden und das vielschichtige und umfangreiche Thema der Flüchtlinge, die derzeit unsere beiden Länder vor Herausforderungen stellen, zu bemühen: Wie verstehst du das Wort Ausländer?

Ronja: Im Grunde genommen sind wir doch alle Ausländer, oder? Man kann nur in einem Land geboren werden und das kann man sich ja selbst nicht aussuchen. Für mich gilt: Mensch ist Mensch. Es ist furchtbar, wenn man aus der eigenen Heimat fliehen muss. Ich setze keine Grenzen und schon gar nicht, wenn es um Menschen geht. Aber die momentane Situation ist natürlich nicht einfach zu lösen und zu behandeln. Ich bin sehr froh, dass sehr viele Menschen helfen.

JJ: Wenn wir einmal dabei sind, was hat es mit der internationalen Band „Global Groove LAB“ auf sich?

RONJA; Foto Markus Sepperer

RONJA; Foto Markus Sepperer

Ronja: Ja, das ist mein zweites Bandprojekt. Wir haben gerade unser erstes Album „I´m a Stranger“ rausgebracht und sind eine multikulturelle Truppe. Die Bandmitglieder sind aus Serbien, Griechenland, Russland/USA, Slovenien, Österreich und Nigeria. Wir spielen eine bunte Mischung aus tanzbarer Weltmusik. Kulturen und Musikstile aus allen Ländern der Welt werden miteinander kombiniert und in unserem LAB (Labor) bearbeitet.

JJ: Da ich selbst kein Musiker bin und bestenfalls hinterm Steuer oder in der Badewanne mal was von Nena trällere, kann mein folgender Gedanke dir unsinnig erscheinen, Ronja. Ich versuche es trotzdem. In dem Moment, in dem dir die Idee für einen Song kommt, hast du ein bestimmtes Lebensgefühl, wenn du ihn aufschreibst vielleicht ein anderes. Auf der Bühne dann, wenn Ihr den Titel präsentiert, können eure Lebensumstände wieder anders sein, beim nächsten Auftritt ebenso. Heißt das, dass ein Song sich mit der Zeit entwickelt?

Ronja: Du hast es erfasst, genau so ist es. Die meisten Lieder entwickeln beziehungsweise erweitern sich im Laufe des Entstehungsprozesses, nur manchmal wird ein Song, zumindest bei mir, ganz fix und fertig „geboren“. Ja, und je nach Laune und Stimmung entwickelt sich der Song beim Konzert weiter oder wird anders interpretiert oder empfunden. Ein Fan von mir, der fast bei jedem Konzert, egal mit welcher Band ich spiele, dabei ist, hat einmal gemeint, ihm wird nie langweilig, obwohl er meine/unsere Lieder schon kennt, sind sie doch immer wieder live anders und neu interpretiert.

Vielen Dank, Jörg, für das tolle Gespräch mit dir. Ich freue mich sehr, dass du über mich schreibst.

JJ: Bedanken muss und möchte ich mich. Immer wieder gerne.

Foto Startseite: Christoph Hofer

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Mehr Infos unter: www.ronja-music.com , LIVING TRANSIT www.livingtransit.at , Global Groove LAB www.globalgroovelab.com

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